Alexander Zverev, Bruder von Mischa Zverev, ist das größte deutsche Tennistalent. In seiner Heimatstadt Hamburg darf sich der 16-Jährige beweisen und soll vor allem lernen.

Hamburg. Man kann schlechtere Trainingspartner haben als den Wimbledonsieger, mit dem Alexander Zverev am Donnerstagmittag auf dem Centre-Court am Rothenbaum eine halbe Stunde lag Tennisbälle hin- und herdrosch. Für Michael Stich hatte die lockere Einheit allerdings gleich zwei Nutzen. Zum einen hilft dem Turnierdirektor jede Minute Bewegung, um sich für das Legendenmatch fit zu machen, das ihn am Sonntag (19 Uhr) mit dem Schweden Mats Wilander, 48, zusammenführt. Und zum anderen konnte der 44-Jährige am eigenen Leib überprüfen, ob seine Entscheidung richtig gewesen war, dem größten deutschen Nachwuchstalent eine Wildcard für das am Montag beginnende Hauptfeld des Hamburger ATP-Turniers zuzuteilen.

Stich bemüht sich in diesen Tagen, den Druck auf den 16 Jahre alten Hamburger nicht zu groß werden zu lassen, doch wie riesig das Interesse an Alexander Zverev ist, nachdem er sich bei den French Open in Paris bis ins Juniorenfinale durchschlug, zeigte der Medienauflauf, als er am Donnerstag seine erste Trainingseinheit auf dem Centre-Court absolvierte. Die Fragerunde war limitiert worden, Einzelinterviews hatte Manager Patricio Apey, Geschäftsführer der Londoner ACE Group, höflich abgelehnt. „Wir müssen bedenken, dass er erst 16 ist. Wir wollen ihn behutsam heranführen an die Gepflogenheiten im Herrenbereich“, sagt Apey.

Natürlich hat Stich sich Gedanken gemacht, ob ein Auftritt im Hauptfeld nicht zu früh kommt für einen Jungen, der in der Weltrangliste an Position 793 steht, und dessen Muskelzuwachs mit dem rasanten Körperwachstum – 16 Zentimeter allein in den vergangenen zwölf Monaten auf jetzt 194 cm – noch nicht Schritt halten kann. Aber er ist überzeugt davon, „dass Alexander aus der Erfahrung, hier im Hauptfeld zu stehen, sehr viel lernen wird. Er kann sich und seine Leistung danach besser einschätzen“, glaubt Stich.

Wer erlebte, wie routiniert und abgeklärt der jüngere Bruder des früheren Daviscupspielers Mischa Zverev, 25, die Fragen der Medienvertreter beantwortete, der kann Stichs Einschätzung folgen. Die einzige Spur von Unsicherheit, die er zeigte, war der regelmäßige Griff zu den schweren Goldketten um seinen Hals. Die Antworten, die er gab, hätten auch aus dem Mund von zehn Jahre älteren Tennisprofis kommen können. Ja, es sei ein Traum für ihn, am Rothenbaum zu spielen, wo er als Fünfjähriger als Balljunge abgelehnt worden war, weil er zu jung war. Ja, es sei unglaublich, mit seinem großen Idol Roger Federer in einem Turnier zu spielen. Die Aussicht, dem topgesetzten Schweizer in der zweiten Runde begegnen zu können, sorge für zusätzliche Motivation, die erste Runde, die am Sonnabend um 15 Uhr in der Europa Passage am Jungfernstieg ausgelost wird, zu überstehen. Und ja, er hoffe sehr, dass die Hamburger Fans ihn unterstützen werden.

Jugendliche Unbekümmertheit klingt anders, und glaubt man denen, die Alexander Zverev besser kennen, dann hat er diese auch längst abgelegt und ist viel reifer, als es sein Alter vermuten ließe. Vom Sportgymnasium Heidberg ist er auf eine Sportschule nach Mannheim gewechselt, wo er nur einmal innerhalb von vier Wochen Anwesenheitspflicht hat. Die zehnte Klasse hat er in diesem Sommer abgeschlossen, nun will er sich erst einmal komplett aufs Tennis konzentrieren. Angesichts von 40 Einzelmatches, die er seit Mitte April gespielt und 37-mal auch gewonnen hat, dürfte sich dadurch nicht viel ändern in seinem Leben, das seit jeher auf Tennis ausgerichtet ist.

Vater Alexander senior, der ihn trainiert, und Mutter Irina sind in Hamburg als Begleitung dabei. Mischa, den ständige Verletzungen auf Rang 146 der Welt zurückgeworfen haben, spielt derzeit in den USA auf der Challenger-Tour, steht mit dem „Kleinen“, wie er seinen mittlerweile höher gewachsenen Bruder nennt, aber in täglichem Kontakt. „Mischa ist mein Vorbild, er hatte viel Pech, aber er wird zurückkommen, davon bin ich überzeugt“, sagt Sascha. Als Mischa noch am Anfang seiner Karriere stand und in Hamburg lebte, spielten die beiden gern im Garten des Elternhauses in Lemsahl miteinander, sie haben oft gemeinsam trainiert und sogar schon einmal, in der Qualifikation zum Challenger-Turnier in Dallas im März 2012, gegeneinander gespielt. Damals siegte der Ältere 6:0, 6:1.

Wie es heute ausgehen würde? Niemand weiß es, aber der Tag wird kommen, an dem der Jüngere die sportliche Regentschaft in der Familie übernehmen wird. „Dann werde ich vielleicht sein Trainer“, sagt Mischa. Im kommenden Jahr wollen die Brüder zunächst gemeinsam im Doppel antreten. „Die Familie“, sagt Alexander Zverev, „gibt mir viel Kraft.“ Kraft, die er brauchen wird in der nächsten Woche.