Nach dem Götze-Ausfall ist er noch mehr gefordert. Vom Aufbauspiel des Mittelfeldmannes wird es abhängen, ob der BVB gegen die Bayern besteht. Es wird ein Schlüsselduell mit Schweinsteiger erwartet.

Gelsenkirchen. In den Tagen vor dem großen Finale in Wembley suchte Ilkay Gündogan Zerstreuung. Ein Besuch bei seinen Eltern in Gelsenkirchen sollte helfen, auf andere Gedanken zu kommen. Selten zuvor wurde der Profi vom ungeliebten Erzrivalen Borussia Dortmund in seiner Geburtsstadt auf der Straße freundlicher begrüßt. Voller Stolz erzählte Gündogan, dass ihm selbst überzeugte Schalke-Anhänger Glück für das Champions-League-Endspiel gegen den FC Bayern wünschten: „Ich glaube, dass uns das ganze Ruhrgebiet die Daumen drückt. Sie wollen, dass wir den Pott in den Pott holen.“

Bei dieser Mission wird Gündogan eine zentrale Rolle zukommen - vor allem nach dem Ausfall von Mario Götze. Schließlich gilt der „Kurzpassmeister“ („Spiegel“) als Dreh- und Angelpunkt des Dortmunder Spiels. Das Fachmagazin „Kicker“ verglich ihn mit Barcelonas Superstar Xavi, Trainer Jürgen Klopp attestierte ihm ein „Strategie-Gen“. Bei allem Respekt vor der schwierigen Aufgabe überwiegt bei Gündogan die Vorfreude: „Auf uns alle wartet das wichtigste Spiel der Karriere.“

Die Beförderung zum Dirigenten des Dortmunder Ensembles hat sich der einstige Nürnberger hart erarbeitet. Nur wenige Monate nach seinem Wechsel aus Franken zum BVB im Sommer 2011 fand er sich zwischenzeitlich sogar auf der Tribüne wieder. Mit viel Engagement und dem Zuspruch des Trainers kämpfte er sich zurück in die Stammelf. „Das erste Jahr in Dortmund verlief schwierig. Aber Jürgen Klopp stand immer hinter mir und hat mich geschützt. Ich bin froh, dass ich es nun zurückzahlen kann.“

Selbst die zusätzliche Konkurrenz von Nuri Sahin, den die BVB-Führung im Januar nach Stationen bei Real Madrid und dem FC Liverpool zurückholte, konnte Gündogan nicht schrecken. Aufkommende Zweifel, dass Trainer und Vereinsführung mit seinen Leistungen unzufrieden sein könnten, bekämpfte der 22-Jährige mit noch größerem Engagement: „Ich wusste, ich muss noch einen drauflegen. Das hat zu einem weiteren Schub geführt. Dennoch bin ich glücklich, dass wir einen solch tollen Spieler wie Nuri mit einem solch tollen Charakter dazu bekommen haben.“

Gündogan will in Dortmund verlägern

Inzwischen steht der besonnene Musterprofi mit Abitur auch bei Bundestrainer Joachim Löw hoch im Kurs. Gündogan gehört spätestens nach seinem starken Auftritt im Länderspiel gegen Frankreich zum Kreis derjenigen, die auf einen Platz im WM-Kader für Brasilien hoffen dürfen. Im direkten Vergleich mit dem in der Nationalmannschaft längst arrivierten Bastian Schweinsteiger will er sich am Sonnabend in London weiter für höhere Aufgaben empfehlen. Viele Fachleute sprechen im Vorfeld des Finales von einem Schlüsselduell der kongenialen Mittelfeld-Konkurrenten. „Er ist ein sehr netter, sympathischer Kollege“, äußerte Schweinsteiger am Donnerstag über Gündogan: „Er hat sich sehr gut weiterentwickelt.“

Einen solchen Leistungsträger würde der BVB liebend gern länger binden. In den Tagen nach London wollen beiden Seiten Verhandlungen über eine vorzeitige Verlängerung der bis 2015 datierten Zusammenarbeit führen. Vater Irfan wird dem Profi dabei als Berater zur Seite stehen. Die ersten Signale der Gündogans stimmen Sportdirektor Michael Zorc zuversichtlich, dass dem BVB nach dem Wechsel von Götze zu den Bayern ein weiterer Verlust erspart bleibt. „Es ist ausgesprochen wahrscheinlich, dass ich verlängere“, kommentierte Gündogan.