Am 4. Mai boxt der Ukrainer Wladimir Klitschko gegen den Deutschitaliener Francesco Pianeta. Das Hamburger Abendblatt traf den Ukrainer zum Interview.

Going. Vor der Berghütte, in der Wladimir Klitschko wohnt, liegt der Schnee noch einen halben Meter hoch. Im Tal, wo sich der Dreifachweltmeister im Schwergewicht im Nobelhotel „Stanglwirt“ in Tirol auf seine für 4. Mai in Mannheim geplante Titelverteidigung gegen den Deutschitaliener Francesco Pianeta vom Magdeburger SES-Stall vorbereiten, ist jedoch der Frühling eingezogen. Klitschko interessiert das nicht, er denkt nur an den nächsten Kampf. Anfang März startete er in Hollywood (US-Bundesstaat Florida) seine athletische Vorbereitung, seit dem 1. April schuftet er in Österreich. Seit dem 8. April läuft die Sparringsphase, für die er sieben Trainingspartner zur Verfügung hat, darunter Exweltmeister Ruslan Chagaev und der deutsche Schwergewichtler Steffen Kretschmann.

Hamburger Abendblatt: Herr Klitschko, wenn es nach dem Weltverband WBA geht, dessen Superchampion Sie sind, haben Sie gegen Pianeta schon gewonnen. Die WBA hat für den 23. April die Versteigerung Ihres nächsten Kampfes gegen Pflichtherausforderer Alexander Povetkin vom Berliner Sauerland-Team angesetzt. Was denken Sie darüber?

Wladimir Klitschko: Ich halte das definitiv für falsch und eine Respektlosigkeit gegenüber Pianeta. Aber ich darf mich davon nicht ablenken lassen. Ich habe den Riesenwunsch, gegen Povetkin zu boxen, und ich verspreche, dass ich alles tun werde, damit der Kampf kommt. Aber wir haben schon zweimal die Versteigerung gewonnen, und beide Male ist er nicht angetreten. Deshalb ist es respektlos, dass Sauerland jetzt behauptet, ich sei Schuld daran, dass es so lange dauert, bis der Kampf kommt. Das klingt für mich schon wie eine vorgezogene Ausrede dafür, dass Povetkin ein drittes Mal kneift. Deshalb sage ich: Wir gehen unseren Weg, die Hunde bellen, die Karawane zieht weiter. Bis zum 4. Mai interessiert mich nur Pianeta.

An der Auswahl Ihres Gegners gibt es wieder einmal viel Kritik. Er sei zu schwach, habe keine guten Leute geboxt und könne Sie nicht gefährden.

Klitschko: Ich weiß, dass viele Leute so denken. Mich stört das nicht, denn ich weiß ja aus eigener Erfahrung, was passiert, wenn man einen Gegner nicht ernst nimmt. Pianeta ist Rechtsausleger wie damals Corrie Sanders, gegen den ich 2003 k.o. gegangen bin. Alle, die glauben, dass ich ihn nicht respektieren würde, muss ich enttäuschen. Im Schwergewicht reicht ein Schlag, um die Welt auf den Kopf zu stellen. Beispiele dafür gibt es genug.

Spielt es für Sie eine Rolle, dass Pianeta eine Krebserkrankung überstanden hat? Hemmt das, auf ihn einzuschlagen?

Klitschko: Das wäre fatal, denn im Ring geht es nur darum, den anderen zu besiegen, und Pianeta wird mit mir auch keine Nachsicht üben. Ich habe aber einen Riesenrespekt vor ihm. Seinen größten Kampf hat er schon gewonnen, denn was ist ein WM-Titel im Schwergewicht gegen einen Sieg über den Krebs? Ich habe meinen Vater an den Krebs verloren, ich weiß, was das bedeutet. Pianeta wird daraus eine enorme Kraft ziehen. Trotzdem wird die Erfahrung, die er in Mannheim mit mir machen wird, anders sein als alles, was er bislang im Ring erlebt hat.

Welche Waffen hat Pianeta denn, mit denen er Ihnen gefährlich werden kann?

Klitschko: Ich habe viele seiner Kämpfe gesehen. Er ist ein starker Boxer mit gutem Punch. Er war schon Sparringspartner bei mir, und mein damaliger Trainer Emanuel Steward hat ihm gesagt, dass er das Zeug hätte, mein Nachfolger zu werden. Das sagt alles. Viel interessanter aber ist, womit er mich überraschen kann. Da sind noch viele Fragezeichen, und genau das macht den Sport doch so spannend.

Diese Spannung ist angesichts Ihrer Dominanz zuletzt verloren gegangen. Verstehen Sie, dass manche Fans vom Schwergewicht gelangweilt sind?

Klitschko: Ich verstehe das und bekomme das natürlich auch mit. Aber ich möchte die Leute weiter langweilen. Damit will ich sagen, dass es mein Ziel ist, meine Gegner weiterhin zu dominieren. Am besten wäre es, wenn ich es schaffe, im Kampf keinen Treffer abzukriegen. Ich fühle mich im Ring wie ein Fisch im Wasser, weil ich alles schon so oft erlebt habe. Björn Borg hat mal gesagt, dass die beste Motivation die ist, wenn die Leute kommen, um dich verlieren zu sehen. Genau das treibt mich auch an. Allerdings will ich ausschließen, dass mich die Leute verlieren sehen. Der Weg an die Spitze ist lang, der nach unten oft nur ein Schritt. Deshalb will ich das, was ich mir über Jahre erarbeitet habe, weiter verteidigen.

Als Sie im Juli 2011 gegen den Briten David Haye kämpften, da wirkten Sie extra motiviert, weil der Kampf weltweit ein so großes Echo ausgelöst hat. Wäre es nicht schön, mehr solcher Kämpfe machen zu können? Sehen Sie derzeit einen Gegner dafür?

Klitschko: David Haye kam auch aus dem Nichts, deshalb kann jederzeit so ein Gegner auftauchen. Sein Nachfolger mit der größten Schnauze ist Tyson Fury, auch ein Brite, das scheint also auf der Insel so üblich zu sein. In den USA gibt es mit Deontay Wilder einen sehr starken Mann, dem die Zukunft gehört. Es ist ja bekannt, dass ich gern 2016 noch einmal bei Olympischen Spielen antreten würde, sofern der Amateur-Weltverband AIBA die Voraussetzungen dafür schafft. Ich plane also noch für mindestens dreieinhalb Jahre. Da gibt es einige Herausforderungen. Ich habe noch genug trockenes Pulver.

Den Spruch kennen wir auch von Ihrem Bruder Vitali. Wird er noch einmal boxen oder hat er mit der Politik zu viel zu tun?

Klitschko: Mein Gefühl ist, dass er das selbst noch nicht weiß. Ich wünsche ihm nur, dass er immer so fit bleibt, dass er zurückkommen könnte.

Sie haben nach Ihrem letzten Kampf länger pausiert als üblich, zwischen dem Duell mit dem Polen Mariusz Wach im November 2012 und dem mit Pianeta liegen fast sechs Monate. Haben Sie die Pause auch gebraucht, um den Tod Ihres Trainers Emanuel Steward (starb am 25. Oktober 2012 an Darmkrebs, d. Red.) zu verarbeiten?

Klitschko: Die Pause war wichtig, ich musste mich erholen und meine Gedanken sortieren. In diesem Jahr will ich drei Kämpfe machen, und ich fühle mich nach der Pause bereit dafür. Emanuel fehlt uns allen sehr, wir denken oft an ihn und reden über ihn. Alles, was wir im Training machen, oder auch die Art, wie das Gym eingerichtet ist, ist nach seinen Vorstellungen. Sein Geist ist immer präsent. Manchmal fühlt es sich so an, als sei er nur kurz weg und würde im nächsten Moment ins Gym kommen. Aber wir sind als Team weiterhin eng beieinander, und wir haben jetzt neue Ziele.

Ihr neuer Trainer ist Johnathon Banks, der ist sieben Jahre jünger als Sie und selbst noch als Schwergewichtler aktiv. Was kann er Ihnen beibringen?

Klitschko: Es ist sehr schwierig, mir noch etwas beizubringen. Das soll nicht arrogant klingen, aber Emanuel und ich hatten ja auch kein klassisches Trainer-Sportler-Verhältnis. Er hat mir nie gesagt, was ich tun soll, ich habe mich immer selbst trainiert. Ich brauchte ihn für die Strategie, denn da war er ein Genie. Und Johnathon, dessen Mentor Emanuel war, hat diese analytischen Fähigkeiten auch. Er überrascht mich mit den Dingen, die ihm auffallen. Das sind Kleinigkeiten, aber die machen den Unterschied. Deshalb war es logisch, ihn auszuwählen. Das Alter spielt keine Rolle, es kommt einzig auf die Qualität an.

Und dass er theoretisch Ihr Gegner im Ring werden könnte, ist das nicht ein seltsamer Gedanke?

Klitschko: Wir haben darüber tatsächlich geredet. Aktuell kann ich mir das nicht vorstellen. Aber eine komische Situation ist das natürlich schon.

Zum Abschluss ein weniger komisches Thema. In Deutschland gibt es eine Diskussion über Doping im Boxen. Ihr letzter Gegner Mariusz Wach war gedopt, Felix Sturms letzter Gegner Sam Soliman auch. Ist es ein gutes Zeichen, dass diese Sportler in Deutschland erwischt werden, oder ein schlechtes, weil die Fälle sich häufen?

Klitschko: Doping ist unfaires Spiel, deshalb ist es grundsätzlich gut, wenn die Sünder entdeckt werden. Ich habe mich schon während des Wach-Kampfes gefragt, wie es sein konnte, dass er nicht umgefallen ist von der Vielzahl der harten Treffer. Als ich dann von der positiven Probe hörte, wurde mir einiges klar. Ich bin weiterhin der Meinung, dass Doping im Boxen nicht hilft, weil man die wichtigsten Elemente, nämlich Taktik, Technik und Strategie, durch Doping nicht verbessern kann. Vielmehr ist Doping gefährlich, weil es die Gesundheit schädigt, wenn man sich aufputscht, um mehr Treffer verkraften zu können.

Sind die Kontrollen denn ausreichend? Kritiker bemängeln vor allem, dass im Boxen zu wenige Trainingskontrollen durchgeführt werden. Wie oft werden Sie beispielsweise kontrolliert?

Klitschko: Im Training gar nicht, aber vor und nach einem Kampf. Ich bin aber selbstverständlich auch zu Trainingskontrollen bereit, wenn es nötig wäre. Wichtig ist nur, dass wir weltweit einheitliche Regeln haben, und daran fehlt es derzeit.