Der gebürtige Hamburger Tommy Haas ist der erste Ü-30-Profi seit 30 Jahren, der bei einem wichtigen Turnier die aktuelle Nummer eins der Weltrangliste bezwingt. „Schuld“ ist auch ein neuer Glücksbringer.

Miami. Tommy Haas genoss die After Work-Party in Miami nach seinem Sensationssieg gegen Branchenprimus Novak Djokovic mit einem schelmischen Grinsen. Ungläubig über seinen 6:2, 6:4-Achtelfinalcoup gegen die serbische Nummer eins strahlte der fast 35 Jahre alte Tennisprofi kurz vor Mitternacht Frau und Töchterchen an, schrieb minutenlang Autogramme und schüttelte immer wieder den Kopf. „Das war einer der größten Erfolge meiner Karriere“, analysierte Haas nach seiner nur 80 Minuten langen denkwürdigen Vorstellung. Jetzt ist der Wahl-Amerikaner auch im Viertelfinale gegen den Franzosen Gilles Simon Favorit.

Zuletzt war es vor 30 Jahren einem Ü-30-Profi gelungen, den Weltranglisten-Ersten zu bezwingen. „Das ist schon lange her, deshalb ist es natürlich etwas Besonderes, es noch einmal geschafft zu haben - und dann gegen Novak, der seit Jahren das beste Tennis spielt und die wahre Nummer eins ist“, betonte Haas nach seinem dritten Sieg im siebten Aufeinandertreffen mit Djokovic. „Besser als im ersten Satz kann ich unter diesen Bedingungen nicht spielen.“

Bei böigem und für Südflorida ungewöhnlich kaltem Wind lief Haas von Beginn an zu großer Form auf. „Hut ab vor ihm, er hat großartig gespielt, war der Bessere“, räumte Djokovic ohne Zögern ein. Zuletzt hatte der „Djoker“ vor drei Jahren in der zweiten Runde von Miami verloren, seitdem zweimal den Titel und dabei 14 Spiele in Serie auf der Anlage in Key Biscayne gewonnen. Doch diesmal spielte nur Haas wie ein Champion. Im ersten Satz gab er bei eigenem Aufschlag nur drei Punkte ab. Bis zum 2:2 konnte Djokovic noch mithalten, dann war er lange Zeit nur ein Spielball des entschlossen und aggressiv spielenden Deutschen.

„Er ist der älteste Profi unter den Top 50“, hoben die Kommentatoren des amerikanischen Senders „Tennis Channel“ hervor. Doch der Mann mit der nach hinten gedrehten Baseball-Mütze spielte wie in seinen besten Tagen. Eiskalt nutzte Haas im ersten Durchgang beide Breakchancen und sicherte sich nach gerade mal 28 Minuten den ersten Satz. Djokovic unterliefen ungewohnt viele Fehler, der Druck von Haas war beachtlich.

Im Juni vergangenen Jahres hatte Haas beim Rasenturnier in Halle das 13. und bisher letzte Turnier seiner Karriere gewonnen. Auf dem Hartplatz in Miami zeigte Deutschlands unberechenbare Nummer eins eindrucksvoll, warum er für viele nach wie vor ein Angstgegner ist. Im zweiten Durchgang gegen Djokovic schaffte Haas gleich das Break zum 1:0 und hatte anschließend mehrere Chancen, seinem Kontrahenten erneut das Service abzunehmen. Stattdessen verlor er den eigenen Aufschlag zum 3:3. Als das Match zu kippen drohte, blieb Haas cool und konzentriert. Mit einem erfolgreichen Netzangriff schaffte er das Break zum 5:4 und nutzte danach mit einer knallharten Vorhand seinen zweiten Matchball zum Sieg.

Es war schon weit nach 23 Uhr (Ortszeit), als Haas seine Hände in die Höhe riss. Auf der Tribüne jubelte Ehefrau Sara, die Töchterchen Valentina das gesamte Match über dick eingepackt in ihrem Armen hielt. „Die Kleine ist natürlich extrem müde“, meinte Haas. Für gewöhnlich geht die Zweieinhalbjährige schon um 20 Uhr ins Bett. In den Tagen von Miami ist Valentina Papas Glücksbringer geworden. „Bis jetzt hat sie mich live noch nicht verlieren sehen“, so Haas. Sein Viertelfinale gegen Simon ist wieder ein Abendspiel – und Haas setzt bei seiner Spätschicht erneut auf seinen Talisman: „Sie muss gegen Simon auch kommen.“