„Da fehlt mir jedes Verständnis“, sagte der DOSB-Präsident. Deutsche zweifeln an Armstrongs Reue. Seine „Lebenslüge“ soll verfilmt werden.

Frankfurt/Main. Er war natürlich nicht selbst vor Ort, trotzdem war Lance Armstrong nach seiner öffentlichen Doping-Beichte auch beim Neujahrsempfang des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) in Frankfurt am Main allgegenwärtig. In seiner Begrüßungsrede hatte DOSB-Präsident Thomas Bach zwar noch kein Wort zum Thema Doping verloren, doch sein Ärger über die öffentlichwirksame Inszenierung von Armstrongs TV-Auftritt ist noch nicht verraucht.

„Ich finde es befremdlich, wenn ein Mann wie Lance Armstrong, der systematisches Doping betrieben hat, sich auch noch darüber beschwert, dass er lebenslang gesperrt wird. Da fehlt mir jedes Verständnis“, sagte Bach und bezeichnete den Auftritt des Radprofis bei Oprah Winfrey als „inhaltlich dürftig“, aber „gut inszeniert“. Konsequenzen für den Radsport wie einen von IOC-Mitglied Richard Pound angedachten Olympia-Ausschluss der gesamten Sportart sieht der 59-jährige Bach vorerst aber nicht. Zunächst müsse Armstrong seine Aussagung unter Eid wiederholen, um Klarheit zu schaffen: „Erst wenn wir die haben, können wir über Konsequenzen nachdenken.“

Neben den Radsport bewegten Bach aber am Montag durchaus noch andere Themen. Auch die Kritik von Bundestagspräsident Norbert Lammert an den hohen Ausgaben von ARD und ZDF für ihre Sportberichterstattung konnte er nicht nachvollziehen: „Für die Festlegung ihres Programms sind nur die Sender verantwortlich. Die Politik hat dieses duale TV-System doch geschaffen, um Wettbewerb zu garantieren. Da kann man sich jetzt nicht über diesen Wettbewerb beschweren.“

Vorteile für andere Sportarten sieht Bach ebenfalls nicht, sollten die öffentlich-rechtlichen Sender in Zukunft keine Rechte für große Fußball-Veranstaltungen mehr halten: „Selbst wenn eine Fußball-WM nicht mehr bei ARD oder ZDF zu sehen ist, würden dort zeitgleich keine andere Sportereignisse übertragen werden.“ Wichtiger als diese Themen waren Bach die weiteren Fortschritte bei der Eingliederung von Behindertensportlern. Der Jurist nannte die Inklusion „eine große Herausforderung“ für Sport und Gesellschaft und bezeichnete es als eines der Ziele des Sports, „mentale Barrieren abzubauen“ und „eine Veränderung in den Köpfen der Menschen“ zu bewirken.

Die Feierlichkeiten im Frankfurter Römer hatten mit dem winterlichen Wetter in ganz Deutschland zu kämpfen. Zahlreiche geladene Gäste mussten ihre Teilnahme aufgrund der Witterungsbedingungen kurzfristig absagen. So fehlten unter anderem Dressurreiterin Dorothee Schneider, die als Silbermedaillengewinnerin von London auf der Bühne geehrt werden sollte, und der mittlerweile zurückgetretene Kunsturner Philipp Boy in Hessen.

Deutsche glauben nicht an reumütigen Armstrong

Das Dopinggeständnis des gefallenen Radstars Lance Armstrong hat die Mehrheit der Deutschen unterdessen nicht überzeugt. Bei einer Erhebung des Meinungsforschungsinstituts YouGov gaben 81 Prozent der Befragten an, dass das Geständnis nicht auf aufrichtiger Reue basierte. Nur acht Prozent wollten dagegen im Interview mit TV-Talkerin Oprah Winfrey einen reumütigen Armstrong gesehen haben. Elf Prozent hatten zu diesem Thema keine Meinung.

Entsprechend sehen 88 Prozent der Deutschen auch nicht, dass das Armstrong-Interview dem Radsport im Kampf gegen das Dopingproblem weiterhelfen wird. Sechs Prozent der Befragten glauben indes, dass sich die Situation durch die Armstrong-Beichte bessern werde.

Erste Sitzung der UCI-Kommission ausgefallen

Der Wintereinbruch in England hat indes die erste Sitzung der Unabhängigen Kommission zur Untersuchung einer möglichen Verwicklung des Radsport-Weltverbandes UCI in den Dopingskandal um Lance Armstrong ausfallen lassen. Das dreiköpfige Gremium, bestehend aus dem britischen Richter Philip Otton, Paralympics-Star Tanni-Grey Thompson und dem australischen Anwalt Malcolm Holmes, will nun am Freitag tagen.

Die UCI hatte die Kommission selbst ins Leben gerufen, nachdem Vorwürfe einer möglichen Vertuschung positiver Armstrong-Proben durch den Weltverband laut geworden waren. Hintergrund sind Armstrong-Spenden in Höhe von 125 000 Dollar an die UCI.

Dessen frühere Teamkollegen Floyd Landis und Tyler Hamilton hatten behauptet, mit dem Geld sei ein positiver Test bei der Tour de Suisse 2001 vertuscht worden. Armstrong hatte bei seiner Dopingbeichte in der vergangenen Woche die Vorwürfe zurückgewiesen.

Armstrongs „Lebenslüge“ soll verfilmt werden

Nach der Dopingbeichte von Armstrong plant Hollywood nun einen Film über den Sturz des ehemaligen Radstars. Die Produktionsfirmen Paramount Pictures und Bad Robots haben sich bereits die Filmrechte an dem im Juni erscheinenden Buch „Cycle of Lies: The Fall of Lance Armstrong“ (Kreis der Lügen: Der Fall des Lance Armstrong) von Juliet Macur, einer Journalistin der New York Times, gesichert. Ein Termin für die Filmpremiere steht laut der Zeitschrift The Hollywood Reporter noch nicht fest. Armstrong hatte im Interview mit Oprah Winfrey zugegeben, bei seinen sieben Tour-de-France-Siegen (1999 bis 2005) gedopt gewesen zu sein. Der gefallene US-Star sprach von einer „Lebenslüge“. Zuvor waren ihm nach Enthüllungen der US-Anti-Doping-Agentur USADA seine Titel aberkannt worden, Armstrong wurde vom Radsport-Weltverband UCI lebenslang gesperrt.