Morgen feiert die O2 World ihr zehnjähriges Bestehen – eine der erfolgreichsten Arenen der Welt. Die beiden Hometeams aber schwächeln.

Hamburg. Der Blick auf die Vorverkaufszahlen hob nicht gerade die Stimmung von Matthias Rudolph. Mit 11.000 bis 12.000 Besuchern hatte der Präsident der HSV-Handballer für heute Abend gegen die Rhein-Neckar Löwen gerechnet, "jetzt können wir froh sein, wenn wenigstens 9500 kommen". Spiele unterhalb der Woche, das lehrt die Erfahrung, kosten den HSV bis zu 2000 Zuschauer, selbst wenn Bundesliga-Spitzenmannschaften wie die bislang verlustpunktfreien Mannheimer in der O2 World im Volkspark antreten.

"Der Standort der Halle ohne bequeme Anbindung an das öffentliche Nahverkehrssystem erweist sich gerade bei Abendspielen als Nachteil", sagt Rudolph. Dennoch wolle er nicht klagen, die Erfolgsgeschichte der Hamburger Handballer mit dem Gewinn der deutschen Meisterschaft im Jahr 2011 "wäre ohne diese Arena nicht möglich gewesen. Wir fühlen uns hier hervorragend aufgehoben und sehr gut betreut." 10.692 Zuschauer im Schnitt in der Meistersaison sind weiter Ligarekord.

Die Arena feiert am Donnerstag ihr zehnjähriges Bestehen. Fast 1300 Veranstaltungen haben seit dem Eröffnungskonzert von Phil Collins stattgefunden, die Besucherzahlen summieren sich auf rund zehn Millionen. Die beiden O2 Worlds der US-amerikanischen Anschutz Entertainment Group (AEG) in Berlin und Hamburg gehören zu den erfolgreichsten und bei den Künstlern beliebtesten Arenen der Welt. Beide Hallen schreiben schwarze Zahlen und gelten als die wirtschaftlich profitabelsten in Deutschland. Und das könne auf absehbare Zeit auch so bleiben, glaubt der Hamburger Hallenchef Uwe Frommhold: "Der Markt an nachgefragten Darstellern ist nicht kleiner geworden, sondern nur schnelllebiger." Die Halbwertszeit vieler Stars nehme eben ab.

Die beiden Hometeams, die Hamburg Freezers in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) und die HSV-Handballer, sollen dagegen in den nächsten Jahren feste Größen bleiben. Mit zusammen bis zu 45 Ligabegegnungen im Jahr sorgen sie für ein Drittel der Auslastung der Hamburger O2 World. "Beide Mannschaften tragen zur Bekanntheit und Attraktivität der Arena bei und setzen ein positives Signal weit über die Stadtgrenzen hinaus", sagt Frommhold. Beide Teams lägen ihm und dem Unternehmen "sehr am Herzen". Das ist auch deshalb verständlich, weil Frommhold, seit zwei Wochen zusätzlich Geschäftsführer der Freezers, die Geschichte der Klubs von den Anfängen an begleitet hat. Ohne seine Unterstützung würde es die HSV-Handballer längst nicht mehr geben. Als der Verein vor acht Jahren vor der Insolvenz stand, schloss Frommhold trotz zum Teil horrender Mietrückstände die Halle für die Bundesligaspiele immer wieder auf, manchmal erst 90 Minuten vor dem Anpfiff. Sein Risiko wurde belohnt, weil sich Ende Dezember 2004 mit Andreas Rudolph, dem Bruder des heutigen Präsidenten, ein potenter wie ambitionierter und großzügiger Geldgeber fand.

Beide Vereine leiden indes bis heute unter strukturellen Problemen. Ohne die Alimente der Anschutz-Gruppe wären die Freezers nicht überlebensfähig, die Handballer waren es bis zur vergangenen Serie nicht ohne die privaten Zuschüsse des Medizinunternehmers Andreas Rudolph. Nach Abendblatt-Informationen machten die Freezers zuletzt mindestens 2,5 Millionen Euro Verlust im Jahr, seit ihrer Gründung vor zehn Jahren rund 18 Millionen Euro. Die Betriebsergebnisse der Handballer dürften in ähnlichen Größenordnungen liegen, vermutlich ist die Unterdeckung über die gesamten zehn Jahre höher.

Nach dem Ausstieg von Andreas Rudolph im Sommer als Mäzen sah sich sein Bruder Matthias jedenfalls gezwungen, den Etat für diese Saison um rund zwei Millionen auf acht Millionen Euro zu senken und Ende August bei Spielern und Trainern um Gehaltskürzungen von bis zu 20 Prozent zu werben. Die Verhandlungen zwischen Klubführung und Angestellten sind inzwischen weitgehend abgeschlossen.

Die hohen Kosten für die Arena und deren Dienstleistungen von bis zu 70 000 Euro bei ausverkauften Spielen, 13 296 Zuschauer waren es vor elf Tagen gegen Meister THW Kiel, lasten bei sinkenden Umsätzen indes weiter auf dem HSV-Etat. "Unsere Konkurrenten spielen fast alle in städtischen Hallen, wir in einer privatwirtschaftlichen. Dass die O2 World Gewinne machen will und muss, ist verständlich, wir haben jedoch einen Wettbewerbsnachteil gegenüber den anderen Bundesligaklubs", sagt Matthias Rudolph. Helfen würde zum Beispiel eine bessere Nutzung der 66 Logen, meint der HSV-Präsident. Die meisten stünden bei den Handball- und Eishockeyspielen leer. "Hier wäre die Hamburger Wirtschaft gefordert, beide Klubs nachhaltig zu unterstützen, wenn es die Stadt nicht kann oder will."

Angespannter scheint die Lage bei den Freezers, deren finanzielle Defizite das Konzernergebnis belasten, auch weil weiter ein Hauptsponsor fehlt. Und obwohl sich der Zuschauerschnitt in der vergangenen Saison auf 9221 verbesserte, ist er weit von der Rekordkulisse der Jahre 2003/2004 (12 055) entfernt. Der Verkauf des Klubs, den die Anschutz-Gruppe im März 2011 anbot, steht daher immer noch auf der Agenda der AEG. Insider rechnen mit einem neuen Vorstoß zur Spielzeit 2013/2014.

Frommhold dementiert derartige Überlegungen: "Handball und Eishockey sind zwei traditionelle Sportarten in Deutschland, und Wettkampfsport live vor Ort hat nichts von seiner Attraktivität eingebüßt." Ohnehin gibt es für die O2 World zu den Freezers und dem HSV keine Alternative. Die Basketballer haben Frommhold in den vergangenen zehn Jahren kein wirtschaftlich tragfähiges Konzept vorlegen können.