Tischtennis-Ass Jochen Wollmert hat bei den Paralympics in London erst die Goldmedaille und dann die Herzen des britischen Publikums erobert.

London. Vom „Spielverderber“ zum „Trostspender“: Tischtennis-Ass Jochen Wollmert hat bei den Paralympics in London erst die Goldmedaille und dann die Herzen des britischen Publikums erobert. Das erste deutsche Gold des Wochenendes hatte kurz zuvor Hannelore Brenner im Dressur-Vierreck geholt. „Das ist einfach traumhaft. Beide haben im richtigen Moment ihre Leistung abgerufen“, sagte Friedhelm Julius Beucher, der Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS).

Wenige Stunden bevor Starläufer Oscar Pistorius (Südafrika) das Olympiastadion im Finale über 200 m zum Kochen bringen wollte, gab es zudem Silber für den gemischten Ruder-Vierer mit Steuerfrau und Bronze für Tischtennis-Spieler Thomas Schmidberger sowie Team-Silber in der Dressur.

Bereits am Sonnabend war Heinrich Popow aus Leverkusen über 200 m trotz Krämpfen zu Bronze gelaufen. Marianne Buggenhagen (Berlin) gewann mit der Erfahrung ihrer 59 Jahre Silber im Kugelstoßen. Die Bronzemedaille über 200 m bejubelte Claudia Nicoleitzik (Püttlingen), nachdem die 22-Jährige zunächst fälschlicherweise disqualifiziert worden war.

In der Dressur gewannen Peking-Siegerin Britta Näpel (Wonsheim) und Angelika Trabert (Dreieich) Silber und Bronze. In Additionen der Werte der beiden Reiterinnen und der Ergebnisse von Brenner und Steffen Zeibig (Dresden), der beim Sieg von Brenner auf dem achten Rang landete, gewann Deutschland am Sonntagabend hinter Großbritannien zudem die Silbermedaille mit der Mannschaft. „Wir haben schon in acht Sportarten Medaillen. Das ist hervorragend“, sagte Karl Quade, der deutsche Chef de Mission, dem es besonders der Auftritt von Wollmert angetan hatte.

Der 47-Jährige besiegte in nur 23 Minuten den einheimischen William Bayley und heimste nach 2000 in Sydney und 2008 in Peking seine dritte paralympische Goldmedaille im Einzel - zudem hat er 1996 in Atlanta und 2004 in Athen mit dem Team gewonnen - ein. Doch statt als Spielverderber verpönt zu werden, jubelte ihm das Publikum zu, nachdem er sich rührend um seinen in Tränen aufgelösten Konkurrenten gekümmert und in den Arm genommen hatte.

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„Das war eine tolle Geste. Eine, die man für den Fair-Play-Preis vorschlagen sollte“, sagte Quade und lobte zugleich die Leistung Wollmerts: „Es ist faszinierend, wie er es immer wieder schafft, sich zu den Paralympics in Topform zu bringen.“

„Das war ein großartiges Match und ein fantastisches Publikum. Es war mein Traum im Finale gegen Will zu spielen“, sagte Wollmert, der bereits vor vier Jahren mit seinem Sieg im Finale über Ye Chaoqun einem Lokalmatador den Heim-Erfolg verdorben hatte.

Der querschnittsgelähmte Schmidberger (Plattlingen), der seit seinem vierten Lebensjahr nach einem Autounfall im Rollstuhl sitzt, sicherte sich durch einen 3:1-Erfolg im kleinen Finale seiner Klasse gegen den Franzosen Florian Merrien den dritten Rang. „Die Bronze-Medaille fühlt sich wie Gold an“, sagte der 20-Jährige.

Nach Doppel-Gold in Peking vor vier Jahren hatte Brenner, die nach einem Reitunfall vor 26 Jahren im Rollstuhl sitzt, ihren dritten paralympischen Sieg maßgeblich ihrer Stute „Woman of the World zu verdanken. “Ich hatte wegen des Drucks einen kurzen Blackout. Aber zum Glück machte mein Pferd einfach weiter, bis ich wieder zu mir gefunden hatte„, sagte die 49-Jährige, die kurzzeitig über die Reihenfolge der Choreographie ins Grübeln geraten war.

Auf dem Dorney Lake konnten Steuerfrau Katrin Splitt (Berlin), Astrid Hengsbach (Herdecke), Anke Molkenthin (Waging), Tino Kolitscher (Halle) und Kai-Kristian Kruse (Hamburg) dem übermächtigen Boot Großbritanniens zwar nicht standhalten, der Jubel war dennoch riesengroß. “Geil. Es war ein tolles Gefühl hier zu rudern. Wir haben Alles gegeben, uns voll ausgepowert und es hat tierisch viel Spaß gehabt„, sagte Kolitscher.