Bundespräsident Gauck spricht den Teilnehmern der Paralympics Respekt aus. Deutscher Doppelerfolg im Weitsprung

London. Bundespräsident Joachim Gauck platzte fast vor Stolz. Zwar genoss das deutsche Staatsoberhaupt am Donnerstagabend bei seinem Besuch im Deutschen Haus auch den Applaus der Menge, doch das breite Lächeln hatten die Leistungen der deutschen Teilnehmer bei den Paralympics in London auf seine Lippen gezaubert. "Bei dem, was ihnen widerfahren ist, da hätten sie alles Recht der Welt zu sagen, warum geht es mir so schlecht", sagte der 72-Jährige: "Aber das ist nicht ihr Ansatz. Sie haben die Kraft entwickelt, zu sagen, das ist mein Leben und ich mache etwas, was niemand erwartet hätte." Zuvor hatten Athleten und Funktionäre des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS), allen voran Präsident Friedhelm Julius Beucher, dem früheren Pastor einen herzlichen Empfang bereitet. Gauck revanchierte sich mit Jubelarien auf das 150-köpfige Aufgebot des DBS bei den mit über 4200 Teilnehmern größten Paralympics der Geschichte. "Sie werden noch viele Menschen mitreißen. Das ist noch viel mehr wert als die Medaillen", betonte er.

Edelmetall wurde dennoch kräftig gefeiert. Im Weitsprung gleich doppelt: Markus Rehm ließ unter dem Jubel von 80 000 Zuschauern im Olympiastadion der Konkurrenz dank einer Weltrekordweite von 7,35 Metern keine Chance. Nach seinem Triumph fiel der überglückliche Leverkusener seiner Trainerin Steffi Nerius in die Arme. Wojtek Czyz aus Kaiserslautern sprang nach Gold in Athen und Peking nun zu Silber. Den totalen deutschen Triumph verhinderte der Däne Daniel Jörgensen, der sich vor dem Leverkusener Heinrich Popow den dritten Platz sicherte.

Sportschütze Josef Neumaier war am Freitag der Erste im deutschen Team, der sich über eine Medaille freuen durfte. Der 54 Jahre alte Bayer, der an der Glasknochenkrankheit leidet, setzte sich im Duell mit dem Luftgewehr aus zehn Metern im Stechen gegen den Südkoreaner Lee Seung-chul durch und gewann Bronze. Gold ging in den Royal Artillery Barracks an Dong Chao aus China vor dem Schweden Jonas Jakobsson. Neumaier hatte bereits 1996 Gold bei den Behindertenspielen gewonnen und war glücklich über seinen erneuten Erfolg. "Da muss man einfach die Ruhe bewahren und sich konzentrieren bis zum letzten Schuss", sagte der Sportschütze, der nach der Finalserie mit 693,4 Ringen gleichauf mit dem Südkoreaner lag.

Ruhe suchte man im Velodrom dagegen vergeblich. Ohrenbetäubend laut war es, als Bahnradfahrer Tobias Graf nach Bronze zum Start seine zweite Medaille gewann. Der Schwarzwälder musste sich im Finale der 3000-Meter-Einzelverfolgung nur dem Chinesen Liang Guihua geschlagen geben, der in Weltrekordzeit siegte. Der teilweise gelähmte Michael Teubert verpasste derweil in seiner Klasse C1 Bronze und erhob schwere Vorwürfe gegen den Weltverband UCI, von dem er sich bei der Klassifizierung seiner Behinderung seit Langem benachteiligt fühlt. Ihm wurde verboten, eine Spezialschiene am Bein zu tragen. "Ich habe die Schnauze voll", schimpfte er.

Deutlich besser war die Laune im Lager der Rollstuhl-Basketballer. Die Herren von Bundestrainer Nicolai Zeitlinger besiegten am Freitag Kolumbien mit 59:46. Am Vorabend hatten sie in einem packenden Match die britischen Gastgeber mit 77:72 in der Verlängerung bezwungen. Die Damen legten mit dem 54:48-Erfolg gegen die USA nach. "Wir haben uns eine Spitzenposition in der Welt erkämpft und wollen hier auch ganz vorn landen", kommentierte die Hamburger Nationalspielerin Edina Müller den Prestigeerfolg. In Peking hatte es nach einer Finalniederlage gegen die USA nur für Silber gereicht.

Eine weitere Medaille sicherte sich der sehbehinderte Judoka Matthias Krieger. Im Duell um Bronze setzte sich der 28-jährige Heidelberger in der Klasse bis 81 Kilogramm am Ende mit einer Ippon-Wertung gegen Anatoli Schewtschenko aus Russland durch.

Sir Philip Craven, Präsident des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC), forderte unterdessen eine erneute Bewerbung Deutschlands für Olympische und Paralympische Spiele. München hatte sich für die Winterspiele 2018 beworben, musste allerdings der südkoreanischen Stadt Pyeongchang den Vortritt lassen. "Ich hoffe sehr, dass sich München für 2022 wieder bewirbt", sagte Craven mit Blick auf die zuletzt gescheiterte deutsche Bewerbung.