Erfolgreiches erstes Wochenende für das deutsche Team. Besonders die Reiter trumpften groß auf. Brenner holt Gold. Ärger um Einstufungen.

London. Angeführt von Weitsprung-Weltrekordler Markus Rehm und Gold-Reiterin Hannelore Brenner ist dem deutschen Team ein furioses Paralympics-Auftaktwochenende gelungen. Überschattet wurde das bestens organisierte und fast ausverkaufte Rekordfest der Behindertensportler aber von einer hitzigen Diskussion um die Einstufung nach Handicaps. Besonders deutliche Worte fand der deutsche Chef de Mission, Karl Quade: „Das ist pervers, dass die Ober- und Unterschenkelamputierten zusammen springen, so ein Punktesystem wie in der Leichtathletik ist Mist“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa in London. Es müsse dringend etwas geschehen.

Richtig zufrieden war Quade mit dem bisherigen Abschneiden der Deutschen nach vier Wettkampftagen. Die Prothesenträger Rehm und Zimmerkollege Heinrich Popow, Dritter über 200 Meter, erlebten im mit 80 000 Zuschauern prall gefüllten Olympiastadion die Höhepunkte der Spiele. Wie bei Olympia sind die Briten von der Leichtathletik besonders begeistert. Vor allem beim Auftritt von Oscar Pistorius kochte die Stimmung über: Über 200 Meter unterbot der Südafrikaner schon im Vorlauf den Weltrekord. „So ein tolles Publikum wie in London habe ich noch nicht erlebt“, sagte der Superstar.

Einen kurzen Blackout erlebte die 51 Jahre alte Brenner aus Wachenheim in Rheinland-Pfalz, als sie in ihrem Dressurritt auf „Women of the World“ im Greenwich Park plötzlich nicht weiterwusste. Kurz nachgefragt beim Schiedsgericht, beendete die nach einem Reitunfall Querschnittsgelähmte ihren Auftritt aber souverän und holte nach Doppel-Gold in Peking ihren dritten Erfolg bei den Spielen.

Mit gar 59 Jahren heimste Rollstuhlfahrerin Hannelore Buggenhagen mit der Kugel auf Platz zwei ihre 13. paralympische Medaille ein - und schließt wegen des großen Erfolgs eine Teilnahme in Rio 2016 nicht aus: „Ich bin jetzt motiviert ohne Ende!“ Der deutsche Ruder-Mixed-Vierer mit Steuerfrau musste sich nur Großbritannien geschlagen geben. Das Quintett Katrin Splitt, Astrid Hengsbach, Tino Kolitscher, Kai-Kristian Kruse und Anke Molkenthin kam in 3:21,44 Minuten 2,06 Sekunden hinter den Siegern ins Ziel.

Und im Tischtennis sicherte der 20 Jahre alte Thomas Schmidberger Pltz drei. Der querschnittsgelähmte Bayer setzte sich mit 3:1 gegen Florian Merrien aus Frankreich durch. „Die Bronzemedaille fühlt sich wie Gold an. Ich bin wahnsinnig glücklich“, sagte Schmidberger bei seiner Premiere. Bereits Silber sicher hat Jochen Wollmert, der am Sonntagabend gegen Lokalmatador William Bayley im Finale stand.

Die Weitspringerinnen Vanessa Low und Katrin Green aus Leverkusen blieben dagegen unter ihren Bestleistungen. Die 22 Jahre alte beidseitig Oberschenkelamputierte Low wurde bei ihrem Debüt Sechste, die fünf Jahre ältere Vereinskollegin Fünfte. Die Basketball-Frauen blieben nach dem 56:50 vor 5000 Zuschauern gegen China ungeschlagen.

Trotz der ganzen Diskussionen um seinen Fabelweltrekord gönnten alle Konkurrenten Rehm den Titel. „Ich wette, dass er in naher Zukunft ohne Probleme bei den deutschen Meisterschaften der Nicht-Behinderten mitspringen kann.“ Mit 7,35 Meter hätte dies im Juni zu Rang acht gereicht. „Es wäre mein großer Traum, bei den Nicht-Behinderten zu starten, aber ich würde nie auf Konfrontation gehen und das einfordern“, sagte Rehm. „Es wäre schon toll, wenn ich bei den Meisterschaften einmal außer Konkurrenz starten dürfte.“ (dpa)