Der Hockeystürmer vom Uhlenhorster HC kämpft am Sonnabend gegen die Niederlande um olympisches Gold und will seine Zweifel besiegen.

Hamburg/London. Erstaunliches hatte Markus Weise kurz vor dem Beginn des olympischen Hockeyturniers mitzuteilen, als er auf seinen Stürmer Florian Fuchs angesprochen wurde. "Der Flocke", sagte der Bundestrainer, "denkt manchmal viel zu viel nach." Ein Mensch wie Weise, der den Schützen beim Eckentraining Rechenaufgaben stellt, um ihre Konzentration und Handlungsschnelligkeit zu schulen, sollte sich gemeinhin an denkenden Spielern nicht stören. Entscheidend waren die nachfolgenden Sätze, die Weise sprach. "Flocke zweifelt zu oft an seinen Leistungen. Ich glaube manchmal, er weiß gar nicht, wie gut er ist."

Florian Fuchs, den Freunde und Teamkollegen nur "Flocke" rufen, schmunzelt, wenn er solche Aussagen hört. Selbst wenn er die Meinung seines Trainers nicht teilen würde, wäre er viel zu höflich, um sie infrage zu stellen. Außerdem ist er viel zu bescheiden, um von sich selber zu behaupten, wie gut er ist. Und so sagt er: "Es ist tatsächlich meine Schwäche, dass ich mir zu viele Gedanken mache. Ich weiß, dass darunter manchmal meine Leistung leidet." Und als wolle er gleich einen Beweis nachschieben, sagt er: "Selbst hier in London habe ich in der Vorrunde, als es bei uns allen nicht so gut lief, viel mit mir gehadert und viele Gespräche geführt, um herauszufinden, was ich noch besser machen kann."

Es gibt sicherlich Menschen, die mit den Werten, die der 20 Jahre alte Angreifer vom Uhlenhorster HC bei seinen ersten Olympischen Spielen vorweisen kann, offensiver umgehen würden. Vor dem Finale an diesem Sonnabend (21 Uhr), in dem die deutschen Hockeyherren gegen den Erzrivalen Niederlande ihren Goldtriumph von Peking 2008 wiederholen können, ist Fuchs mit sechs Toren Spitzenreiter der teaminternen Schützenwertung. Aber auch das bedeutet ihm selbstverständlich nichts. "Wer die Tore schießt, das ist völlig egal. Wichtig ist nur, dass wir sie schießen, damit wir im Team den maximalen Erfolg haben", sagt er.

Es ist genau diese Einstellung, die den Hamburger zu einem unverzichtbaren Teil in Weises Erfolgsmosaik macht. Der Bundestrainer schätzt die selbstlose Art, mit der sich Fuchs in die Defensivarbeit einbringt. Seine Athletik, gepaart mit einer enormen Grundschnelligkeit, die ihn zu einem der weltbesten Konterstürmer macht, ist das, was ihm einen Platz in der Stammformation gesichert hat. Trotz einer durchwachsenen, weil von Verletzungen gestörten Bundesligasaison war Fuchs' Nominierung für London nie gefährdet. "Ich habe unglaublich viel gearbeitet, um hier in London auf dem Höhepunkt meiner Leistungsfähigkeit zu sein. Die Trainingssteuerung war so gut, dass ich mich trotzdem nie überlastet habe. Ich bin sehr froh, dass ich jetzt meinen Beitrag leisten kann", sagt er.

Ein Lautsprecher wird Florian Fuchs nie sein, obwohl er mit seinen 20 Jahren schon einiges vorweisen kann. 2009 wurde er bei der Junioren-WM in Malaysia zum besten Spieler des gewonnenen Finales gewählt, ein paar Monate später gelangen ihm in Melbourne bei seinem Champions-Trophy-Debüt für den A-Kader fünf Treffer. 2010 wurde er in Indien Vizeweltmeister, mit seinem UHC holte er dreimal den Titel in der Euro Hockey League. Prahlen würde er damit nie. Aber er ist auch nicht mehr der Youngster von vor drei Jahren, den sie wegen seiner schlaksigen Beine "Bambi" riefen. Besonders sein sechsmonatiger Australien-Aufenthalt im Winter 2010/11 hat den HSV-Fan, der im Oktober ein duales Studium an der Hamburg School of Business Administration beginnt, reifen lassen. "Dort auf mich allein gestellt zu sein und mein Leben selbst zu organisieren, das hat mir sehr viel gebracht", sagt er.

Auf sich allein gestellt zu sein, dieses Gefühl muss er in London nicht haben. Sein Zimmerpartner Timo Weß von Rot-Weiß Köln, der mit dem Olympiafinale seine Karriere beenden wird, gibt wertvolle Tipps. Seine Großeltern sind ebenso als Zuschauer dabei wie seine getrennt lebenden Eltern mit ihren neuen Partnern und seine Freundin. Fuchs ist diese Unterstützung wichtig, er zieht daraus Kraft. Kraft, die er braucht, um den letzten Schritt zum großen Ziel gehen zu können. "Durch den Sieg gegen Australien im Halbfinale haben wir enorm viel Selbstvertrauen getankt. Aber wir haben noch nichts gewonnen. Wir haben Silber, aber wir wollen Gold", sagt er.

Markus Weise mag Spieler mit dieser Einstellung.