Steffen Deibler wird über 100 Meter Schmetterling Vierter. Seine starke Form hebt ihn aus dem Team heraus

London. Der Lichtblick des deutschen Schwimmsports hatte ein Handtuch über die Schulter geworfen, stützte sich aufs Geländer und redete über die Erfüllung seines Traums. Als Olympiavierter über 100 Meter Schmetterling angeschlagen zu haben, das sei "schon geil". Natürlich war Steffen Deibler vom Hamburger SC nicht entgangen, dass er bis zehn Meter vor dem Ziel sogar auf Medaillenkurs gelegen hatte. Aber er habe in seinem ersten ganz großen Einzelfinale alles gegeben. Und das war ziemlich viel - mehr, als jeder andere deutsche Schwimmer an den ersten sieben von acht Wettkampftagen in London geben konnte. Keiner war einem Podiumsrang derart nahe gekommen.

In 51,81 Sekunden trennten Deibler nur sechs Zehntel von US-Star Michael Phelps, der in seinem letzten Einzelrennen den 17. Olympiasieg errang. Damit hatte der Hamburger auch bei seinem dritten Start die Bestzeit unterboten, mit der er in London angemeldet worden war (52,00). "Das freut mich ungemein und bestätigt die Arbeit meiner Trainerin Petra Wolfram und meines Mentalcoachs Ulrich Oldehaver", sagte Deibler. Gerade er hatte lange im Verdacht gestanden, bei den Saisonhöhepunkten nervlich einzuknicken. Dieses Problem, wenn es denn bestanden hat, sollte seit Freitagabend gelöst sein.

Deibler, 25, hatte die ersten Wettkampftage noch aus der Ferne in Hamburg erlebt und war erst kurzfristig angereist. Nicht, dass er geahnt hätte, dass es um die Stimmung im Lager der deutschen Schwimmer nicht zum Besten stehen würde. "Aber so konnte er sich auch nicht davon ablenken lassen", sagt Wolfram. Die Hamburgerin kann als einzige deutsche Schwimmtrainerin auf gelungene Spiele zurückblicken. Auch Deiblers Bruder Markus, 22, hat in London seinen Formhöhepunkt erlebt, nicht vorher, nicht hinterher. Ob es daran lag, dass man auf ein Höhentraining verzichtet und verstärkt auf Wettkampfpraxis gesetzt hat? An der psychologischen Vorbereitung auf die Wettkampfsituation? Diesen Fragen müssen sich die anderen stellen.

Am Sonnabend sind beide Deiblers noch gemeinsam mit der Staffel über 4x100 Meter Lagen am Start (21.27 Uhr). Sie hat sich in 3:34,28 Minuten, der sechstbesten Zeit, qualifiziert - ohne Markus Deibler, der zugunsten von Marco di Carli auf einen Vorlaufstart verzichtet hatte. "Markus wäre am Morgen nach dem 200-Meter-Lagen-Finale ohnehin nicht an seine Bestleistung herangereicht", sagt Wolfram.

Dass ihr sensibler Schützling überhaupt fünf Rennen auf derart hohem Niveau bestritten habe, sei noch vor einem Jahr undenkbar gewesen. Erst seit seinem Umzug von Biberach nach Hamburg vor drei Jahren trainiert Markus Deibler mehr als einmal am Tag. Seither haben ihn immer wieder Krankheiten zurückgeworfen. Nur sehr behutsam erhöht Wolfram die Belastung. Die Entwicklung ist unübersehbar. Deibler selbst beziffert sein Leistungsvermögen als "100-mal besser als in Peking vor vier Jahren". Damals schied er wie sein Bruder im Vorlauf aus.

Dass es seinerzeit fast allen deutschen Schwimmern ähnlich erging und insgesamt nur drei Finalplätze erschwommen wurden, geriet etwas in Vergessenheit, weil Britta Steffen zwei Goldmedaillen einheimste. Am Freitag wahrte die Berlinerin zumindest über 50 Meter Freistil in 24,57 Sekunden als Halbfinalvierte eine Medaillenchance. Ihr Finalstart am Sonnabend ist der einzige einer deutschen Schwimmerin in London (20.30 Uhr).

Der Tag hatte für Steffen, 28, unerfreulich begonnen. In einem "Bild"-Bericht hatte sie lesen müssen, sie hätte sich intern unbeliebt gemacht, weil sie sich in der Freistilstaffel geschont hätte. "Das hat mich ganz schön runtergezogen", gab Steffen zu. Und dass sie sich "ungerecht behandelt" fühle.

In der Lagenstaffel mit Jenny Mensing (Wiesbaden), Sarah Poewe (Wuppertal) und Alexandra Wenk (München) verpasste sie als Neunte knapp das Finale. Die Zeit, 3:59,95 Minuten, blieb einmal mehr hinter der saisonbesten zurück. Ein weiteres Indiz dafür, dass die Trainingssteuerung fehlgeleitet war.

Dirk Lange, der im November als Bundestrainer gehen musste, forderte im Nachrichtensender Sky Sport News HD personelle Konsequenzen. Er erwarte, dass Rücktritte angeboten werden. "Wir haben eine sehr gute Basis. In meinen Augen gehören Britta Steffen und Paul Biedermann zu den besten Schwimmern der Welt", sagte der Hamburger, "sie müssen nur in die entsprechende Verfassung gebracht werden."

Im Fall von Markus und Steffen Deibler ist das offenbar gelungen.