Mit neuer Farbe will der Weltmeister endlich beim Heim-Grand-Prix in Hockenheim gewinnen. Altmeister Schumacher rutscht auf feuchter Strecke aus.

Hockenheim. Sebastian Vettel liebt die Abwechslung. Kein anderer Rennfahrer wechselt die Kopfbedeckung so oft wie der zweimalige Weltmeister aus Heppenheim. In Valencia trug er einen weißen Helm, in Silverstone erwies er den Briten mit dem Union Jack die Ehre und beim Großen Preis von Deutschland auf dem Hockenheimring (Sonntag, 14 Uhr, RTL und Sky) ist er der Mann mit dem Goldhelm. Ob ihm das glänzende Design weiterhilft, bleibt abzuwarten. Vettel braucht mehr als eine neue Farbe.

Erst 100 Punkte hat der Titelverteidiger nach neun Rennen auf dem Konto, nicht einmal halb so viele wie in der vergangenen Saison (204), als er die Konkurrenz in Grund und Boden fuhr. "2011 war natürlich unglaublich", relativiert Vettel das Zahlenspiel. "Dieses Jahr sind wir zweimal nicht ins Ziel gekommen, die Konkurrenz ist stark, es ist eine verzwickte Saison." Tatsächlich haben sich in neun Rennen gleich sieben Fahrer in die Siegerliste eintragen können, darunter auch Vettel. Nur zwei Piloten gelang es, zweimal als Sieger die Ziellinie zu überfahren. Genau die beiden sind seine größten Rivalen: Fernando Alonso (129 Punkte) und Mark Webber (116). Wobei Webber für Vettel das größere Problem ist. Sein australischer Teamkollege kommt mit dem an die Regeländerungen angepassten Red-Bull-Rennwagen wesentlich besser zurecht als 2011. Als Sieger der Prestigerennen in Monte Carlo und Silverstone hat Webber im Teamduell derzeit die Nase vorn und an Selbstbewusstsein gewonnen. Die Red-Bull-Strategen geben beiden Fahrern freie Fahrt. "Beide sind erfahrener geworden", sagt Teamchef Christian Horner. Selbst wenn Vettels Rückstand in Hockenheim weiter wächst: Stallregie wird es im Bullen-Stall nie geben.

Fünf Jahre alt war Sebastian Vettel, als ihn sein Vater 1992 zum ersten Mal mit zum Hockenheimring nahm. "Es war Freitag, und es hat geregnet wie verrückt", erinnert er sich. "Wir haben auf die Autos gewartet. Und auf Michael." Michael Schumacher fuhr damals, in seiner zweiten Grand-Prix-Saison, als Dritter einen Podestplatz heraus, 120 000 Fans jubelten. Als Schumacher 2006 zum letzten Mal als Sieger des Großen Preises von Deutschland abgewinkt wurde, fuhr der damals 19-jährige Vettel noch in einem Minirennwagen der Formel 3 im Kreis. Inzwischen ist Vettel selbst zweimaliger Weltmeister, hat 22 Grand-Prix-Rennen gewonnen. Die makellose Karriere des Branchenprimus aus Heppenheim hat nur einen Makel. Was Schumacher gleich neunmal gelang, hat Vettel noch nie geschafft: ein Formel-1-Rennen auf deutschem Boden zu gewinnen. "Natürlich wäre es ein Traum, hier zu gewinnen", sagte er in Hockenheim. Von einem "Juli-Fluch", weil er im siebten Monat noch nie gewinnen konnte, will Vettel nichts wissen: "Ich glaube nicht an einen schlechten Monat Juli."

Im freien Training am Freitag hatte sich Vettel im ersten Abschnitt auf trockener Piste mit Platz zwölf zufriedengegeben. Am Nachmittag, als es wieder einmal regnete, beeindruckte er mit der drittschnellsten Zeit hinter Pastor Maldonado (Venezuela) im Williams und Nico Rosberg (Wiesbaden) im Mercedes-Silberpfeil. "Es war sehr rutschig und schwer einzuschätzen", beschrieb Vettel die Anforderungen. "Man musste sich langsam ans Limit herantasten." Er hätte sich gern "mehr Runden im Trockenen" gewünscht. Denn Red Bull hatte für den deutschen Grand Prix eine technische Innovation im Gepäck, die das Auto weiter verbessern sollte. "Wir haben uns für Hockenheim etwas Neues ausgedacht."

Bester deutscher Fahrer im Trockenen war Altmeister Michael Schumacher, der sich im Mercedes hinter dem McLaren-Duo Jenson Button und Lewis Hamilton und Ferrari-Chefpilot Alonso einreihte. Auf feuchter Strecke war Regenmeister Schumacher dann aber zu schnell. Viereinhalb Minuten vor Ende des Trainings verlor er die Kontrolle über seinen Silberpfeil und schlug heftig in die Barriere ein. "Ich war ganz einfach nicht voll konzentriert", gab Schumacher seinen Fehler zu. Ich war am Funk und habe am Auto noch etwas verstellt. Da bin ich dann auf die weiße Linie gekommen." Auf nassem Untergrund ein fataler Fehler. Der Unfall wird seine Mechaniker einige Überstunden kosten. "Kein Drama", meinte Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug. "Wir werden das Auto bis zum Qualifying wieder hinbekommen."

Sebastian Vettel hatte Verständnis für das Missgeschick: "Es ist sehr glatt. Und wenn man eine blöde Stelle erwischt, kann es auch mal ganz leicht neben die Strecke gehen."