Christian Blunck und Moritz Fürste über ihre Olympiaerfahrungen, Zielvorgaben des Verbandes und das Aufbewahren ihrer Goldmedaillen.

Hamburg. Sie kennen sich seit fast 20 Jahren. Christian "Büdi" Blunck, 44, hatte 1992 in Barcelona mit den deutschen Herren Olympiagold gewonnen, als der damals acht Jahre alte Moritz Fürste, heute 27, als Schüler in eines der Feriencamps kam, in denen Blunck als Trainer arbeitete. Seitdem haben sich die Wege der Hamburger Hockeyidole immer wieder gekreuzt, zuletzt in der Bundesliga, wo Fürste für den Uhlenhorster HC spielt und Blunck den Harvestehuder THC trainiert. Für das Abendblatt trafen sich die beiden auf neutralem Terrain am Landesleistungszentrum Turmweg.

Hamburger Abendblatt: Herr Blunck, Herr Fürste, Sie haben beide bei Ihren ersten Olympischen Spielen Gold gewonnen. Was ist das prägendste Erlebnis, das Sie von diesem Triumph mitgenommen haben?

Moritz Fürste: Das Leben im olympischen Dorf ist so besonders, so etwas erlebt man nirgendwo sonst. In der ersten Woche in Peking war ich mehr Tourist als Sportler, ich habe alles fotografiert und war gefesselt davon, dass ich in der Mensa mit Sportlern in einer Schlange stand, die ich sonst am Fernseher bewundere. Diese Eindrücke bleiben ewig, sie sind prägender als die Erinnerungen an die sportlichen Ereignisse.

Christian Blunck: Jedem Olympiateilnehmer geht es so, auch für mich lief 1992 in Barcelona 14 Tage lang ein Film ab, der unwirklich erschien. Man ist in einem ständigen Gefühlshoch, man hat nur gute Laune und zieht daraus eine enorme Energie. Die Kunst liegt dann darin, trotzdem den nötigen Fokus für die Wettkämpfe zu bekommen.

Fürste: Das stimmt, man darf sich nicht zu sehr ablenken lassen. Das war 2008 anfangs auch für uns ein Problem. Morgens beim Einlaufen habe ich oft nur daran gedacht, dass ich abends wieder Roger Federer fotografieren kann, und das ging vielen so. Wir haben etwas gebraucht, um zu realisieren, dass wir ja auch noch ein sportliches Ziel hatten. Erst wenn es gelingt, Olympia wie ein normales Turnier zu betrachten, hat man eine Chance, Gold zu holen.

+++ Hamburgs Sport hat aufgeholt +++

Das sportliche Ziel, das der DeutscheHockey-Bund vorgegeben hat, ist beachtlich: Die beiden Hockeyteams sollen zwei Medaillen holen, eine davon in Gold. Ist das Ansporn oder Druck?

Fürste: Ich glaube, von dieser Zielvereinbarung wissen bei uns nicht alle Spieler. Im Team haben wir noch keine geschlossen, und ich bin auch ein Gegner derartiger Absprachen. Wer in der Weltspitze mitmischt, will jedes Spiel gewinnen. Aber wenn man im Halbfinale nach großem Spiel unglücklich scheitert, war es dann eine schlechte Leistung? Andersherum: Wenn die Damen Gold holen, sollen wir uns dann mit Bronze zufriedengeben, wenn Gold drin wäre, weil die Zielvereinbarung nur Bronze verlangt? Um Ihre Frage zu beantworten: Es ist weder Druck noch Ansporn, denn es ändert nichts an unserem Vorhaben, alles geben zu wollen.

Blunck: Der Verband geht einem beisolchen Turnieren grundsätzlich auf die Nerven, weil die Funktionäre meist nicht mal gebacken kriegen, dass Spieler anderes Material benutzen dürfen als jenes, das der Ausrüster vorschreibt, wenn sie mit dem gestellten Schläger nicht klarkommen. Uns hat damals auch nicht interessiert, was von außen erzählt wurde. Wir wussten, was wir wollten. Nur das hat gezählt.

+++ Ein Tag mit Fürste +++

Deutsche Hockeyteams gehören immer zum Favoritenkreis. Das olympische Motto "Dabei sein ist alles" gilt für deutsche Hockeyspieler nicht, oder?

Fürste: Sportlich gesehen ist das sicherlich so, aber das gilt für viele andere Athleten auch, denn natürlich will jeder, der dabei ist, auch gewinnen. Aber ich glaube dennoch, dass das Motto seine Gültigkeit hat, denn es ist nicht nur auf den Sport gemünzt, sondern vor allem auf das Erlebnis Olympia. Und da finde ich es sehr schade, dass in vielen Ländern nur noch auf die Sportarten gesetzt wird, die auch Medaillenchancen haben. Mir tun die vielen Sportler leid, die deshalb auf das Erlebnis Olympia verzichten müssen. Für viele wäre es nämlich wie ein Goldmedaillengewinn, wenn sie überhaupt in einem olympischen Finale dabei sein dürften.

Bei den Mannschaftssportarten ist Deutschland in London nur im Hockey und im Männervolleyball vertreten. Ist das für Ihren Sport nicht die Chance, aus der Nische in den Fokus der Öffentlichkeit zu gelangen?

Blunck: Ich finde es sehr schade, dass sich nicht mehr deutsche Teams qualifiziert haben, denn damit fehlt doch etwas. Hockey ist durch die Erfolge bei Olympia immer im Fokus, da macht ein Interview mehr keinen Unterschied.

Fürste: Das sehe ich absolut genauso, zumal Teams immer für die besondere Stimmung sorgen, weil sie meist die gesamte Dauer des Turniers vor Ort sind und nicht wie Einzelsportler nur für einen Wettkampf. Ich werde am meisten unsere Handballer vermissen.

+++ Mission Gold +++

Herr Blunck, Moritz Fürste erlebt in London seine zweiten Spiele. Sie haben nach dem Sieg 1992 vier Jahre später in Atlanta Platz vier belegt. Erlebt man die zweiten Spiele anders als die ersten? Und können Sie ihm einen Rat geben, auf was er besonders achten sollte?

Blunck: Auf jeden Fall habe ich meine zweiten Spiele viel bewusster erlebt, weil ich vorher wusste, was mich erwartet. Worauf man achten muss, ist, dass es nach einem großen Triumph immer ein paar Spieler gibt, denen das Feuer fehlt, noch einmal alles zu geben. Die Bereitschaft, erneut von vorn anzufangen und sich für den Erfolg zu quälen, die haben nicht alle. "Mo" ist da allerdings nicht gefährdet, er hat in jedem Spiel den absoluten Siegeswillen. Aber mein Rat an ihn wäre, dass er darauf achtet, dass alle mitziehen. Dann ist sicherlich wieder Gold möglich.

Fürste: Ich glaube, dass wir das Glück haben, dass von denjenigen, die 2008 Gold gewonnen haben, alle dabeigeblieben sind, die den Hunger haben, es noch einmal zu schaffen. Dazu haben wir neue Spieler dabei, die darauf brennen, ihr erstes Gold zu holen. Aber der Tipp ist wichtig, ich werde darauf achten. Persönlich glaube ich auch, dass ich die Spiele bewusster erleben werde, ich werde nicht mehr so von den Eindrücken erschlagen werden, zumal die Spiele in London stattfinden und nicht in einer anderen Welt wie Peking.

Was erwarten Sie denn von London?

Blunck: Ich habe als Zuschauer die Spiele 2000 in Sydney erlebt. Das war mit Abstand die beste Atmosphäre, die man sich vorstellen kann, weil die Australier die verrückteste Sportnation der Welt sind. Ich denke, dass die Briten ihnen kaum nachstehen. Deshalb erwarte ich großartige Spiele, die alle genießen werden. Sofern sie nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen müssen ...

Fürste: ... das wird wirklich das größte Problem, ich erwarte massive Verkehrsprobleme. Wir waren im Mai bei einem Testwettkampf im Olympic Park, der im Süden der Stadt liegt und acht Sportstätten vereint. Der war höchstens zu 30 Prozent ausgelastet, und trotzdem herrschte rundherum ein heilloses Chaos. Ich habe meinen Verwandten und Bekannten geraten, dass sie mindestens vier Stunden vor Spielbeginn anreisen sollen.

Blunck: Das ist ein guter Tipp. Ich habe auch Karten für einige Spiele und werde versuchen, pünktlich anzureisen. Ich bin auch schon sehr gespannt, wie die Briten das lösen werden. Im Schlangestehen sind sie ja sehr geübt.

Wie hoch war damals Ihre Prämie und was haben Sie damit gemacht?

Blunck: 1992 erhielt jeder Olympiasieger von der Stiftung Deutsche Sporthilfe 12 000 Mark, das wären heute rund 6140 Euro, wenn ich mich recht erinnere. Ich habe das Geld in einem sechsmonatigen Urlaub im Land unseres Finalgegners Australien verprasst. Das fand ich irgendwie fair.

Fürste: Vor vier Jahren bekam jeder Goldgewinner 15 000 Euro. Ich halte es wie Büdi, ich bin ein schlechter Sparer und habe das Geld auch ausgegeben, aber für nichts Besonderes.

Wo bewahren Sie Ihre Goldmedaille auf?

Blunck: Im Moment liegt die wohl bei einem meiner Patenkinder. Ich hatte sie schon mal verloren, das ist etwa acht Jahre her. Damals hatte ich eine Freundin, von der ich mich bald wieder trennte. Drei Jahre später rief sie mich an, sie hätte auf dem Dachboden eine Tüte mit alten Sachen von mir gefunden, und da war auch meine Goldmedaille drin. Zu meiner Ehrenrettung muss ich aber sagen, dass das Ding wirklich hässlich ist.

Fürste: Meine Medaille hängt nach wie vor in meinem Zimmer. Aber Büdi hat seine ja auch schon 16 Jahre länger als ich meine. Bei meinem ersten Umzug wird es auch bei mir schwierig ...