Zum 27. Mal treffen Novak Djokovic und Roger Federer aufeinander. Im Schatten kämpfen Andy Murray und Jo-Wilfried Tsonga um das zweite Finalticket.

London. Ein vorweggenommenes Finale? Roger Federer schüttelt energisch den Kopf: „Murray gegen Tsonga ist doch auch ein klasse Match.“ Diese Meinung teilt der sechsmalige Wimbledonsieger mit einer ganzen Nation. Das wichtigste Tennisturnier der Welt im All England Club bereitet sich auf zwei traumhafte Halbfinals vor. Federer trifft im Duell der Giganten auf Titelverteidiger Novak Djokovic. Auf Andy Murray lasten gegen Jo-Wilfried Tsonga die britischen Erwartungen, den Wimbledon-Fluch nach 74 Jahren endlich zu brechen.

+++ Mayer und Kohlschreiber scheitern im Viertelfinale +++

Die Top-Favoriten auf den Titel des Rasenkönigs sind allerdings Federer und Djokovic, und so vermutet auch die Tageszeitung The Times, dass das 27. Aufeinandertreffen des Schweizers mit dem Serben „zur Mutter und zum Vater aller Halbfinals“ werden könnte. Bisher gewann der 30-jährige Federer 14 Mal, sein fünf Jahre jüngerer Kontrahent behielt zwölfmal die Oberhand.

Auf Rasen ist es jedoch ihr erstes Match. Daher wird es „interessant“, betonen beide und werden nicht müde, die Stärken des jeweils anderen zu loben. „Bei seinen Fähigkeiten ist das Spiel nicht vorbei, bis der Schiedsrichter den Endstand verkündet“, sagt Federer: „Er ist ein kompletter Spieler und scheint hier sehr glücklich zu sein.“

Djokovic, seit einem Jahr die Nummer eins der Tennis-Welt und auf dem Weg in sein fünftes Grand-Slam-Finale in Serie, erwidert: „Er hat so viele Variationen in seinem Spiel. Er öffnet den Platz, hält den Ball flach, kann sehr aggressiv spielen und gut verteidigen. Rasen passt am besten zu seinem Spiel.“ Das war es dann mit dem Austausch der Nettigkeiten.

In Top-Form sind mittlerweile beide. Federer brachte im Viertelfinale Michail Juschni zur Verzweifelung. Der Russe flehte in die Royal Box, wo Andre Agassi und Steffi Graf Platz genommen hatten: „Bitte Mr. Agassi. Helfen sie mir.“ Doch selbst mit den besten Tipps des Ex-Champions hätte Juschni an diesem Tag keine Chance gegen den gnadenlos guten Federer gehabt.

Genausowenig wie der Bayreuther Florian Mayer in seinem Viertelfinale gegen Djokovic. „Er hat gezeigt, dass er derzeit der beste Spieler der Welt ist“, sagte Mayer nach der Dreisatzniederlage: „Er rennt so schnell über den Platz und verteidigt unglaublich. Für jeden Punkt hat er mich hart arbeiten lassen.“

Sechs der letzten sieben Duelle gingen an Djokovic. Im Halbfinale der French Open von Paris ließ er Federer keinen Satzgewinn. Doch den Grand-Slam-Rekordchampion motiviert ein großes Ziel: Mit seinem siebten Wimbledontitel würde er nicht nur in den Geschichtsbüchern des All England Clubs zu Pete Sampras aufschließen. Erstmals seit zwei Jahren wäre Federer dann auch wieder die Nummer eins der Welt. Es wäre seine 286. Woche auf dem Thron - so lange hat bislang nur Sampras an der Spitze ausgeharrt.

Andy Murray wird dagegen angetrieben von einer anderen Zahl, die jeder Brite vorbeten kann. 1938 hat das bis heute letzte Wimbledonfinale mit britischer Beteiligung auf dem heiligen Rasen stattgefunden. Seitdem scheiterten alle Versuche, die erfolgreichen Jahrzehnte der Tennis-Nation aufleben zu lassen. Tim Henman versagten viermal im Halbfinale die Nerven, Murray verpasste den finalen Schritt mittlerweile dreimal in Serie.

Der Weg ist frei, denn Rafael Nadal, der Murray in den vergangenen zwei Jahren bezwungen hatte, ist längst ausgeschieden. Die letzten vier Duelle mit Kohlschreiber-Bezwinger Tsonga gewann alle der Schotte. Er ist bereit, Geschichte zu schreiben. Nochmal die Times: „Es ist eine Chance, eine wirkliche Chance. Aber denkt daran: Eine Chance bedeutet gar nichts, bevor sie nicht genutzt wurde.“