Michael Stich, Turnierdirektor am Rothenbaum, über die Wahl der neuen Verbandsspitze und deren Auswirkung auf Hamburg.

Hamburg. An manchen Tagen in den vergangenen Wochen hat sich Michael Stich in alte Zeiten zurückversetzt gefühlt. Zeiten, in denen er noch nicht Wimbledonsieger war, sondern ein kleiner, unbedeutender Tennisspieler. Aus der Perspektive eines einfachen Mitglieds hat er beobachtet, wie sich im Deutschen Tennis Bund (DTB) die Machtkämpfe zuspitzten bis zur Wahl des neuen Präsidenten Karl-Georg Altenburg, der am vorvergangenen Sonntag in Berlin den seit 1999 amtierenden Georg von Waldenfels ablöste.

Spätestens als der Landesverband Bayern Stich zwei Wochen vor der Wahl als Gegenkandidaten für Altenburg ins Gespräch brachte, hätte der gebürtige Elmshorner seine Beobachterposition verlassen können. Er habe jedoch zu keinem Zeitpunkt mit dem Gedanken gespielt, Verbandsboss zu werden. "Ich bin von mehreren Landespräsidenten angesprochen worden. Aber wenn ich es gewollt hätte, dann wäre ich doch angetreten", sagt er.

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Weil er es nicht wollte, verweigerte er bis gestern jeglichen Kommentar zu der Thematik. Doch seit sich die neue Führungstroika mit Altenburg, Exprofi Carl-Uwe Steeb und dem hauptamtlichen Geschäftsführer Stephan Brune in der vergangenen Woche im Abendblatt positioniert hat, ist Stich bereit, über die Auswirkungen der Wahl auf das Turnier am Rothenbaum, dessen Direktor er seit 2009 ist, zu sprechen. Zum Gespräch in die Osteria Due an der Badestraße ist auch Detlef Hammer, Geschäftsführer der das Turnier ausrichtenden Agentur HSE, gekommen.

Stich hat sich gewundert, dass der neue Präsident die DTB-Mitglieder vor der Wahl über sein Konzept im Unklaren gelassen hatte, und darüber, dass Altenburg in der vergangenen Woche verbreitete, vor der Wahl mit Stich gesprochen zu haben und auch in Zukunft dessen Expertise einholen zu wollen. "Ich hatte mit ihm ein kurzes Gespräch, und das war im Juli während des Turniers am Rothenbaum. Über sein Konzept habe ich, wie die meisten Mitglieder auch, nichts gewusst", sagt er, "und es ist auch nicht meine Aufgabe, dem DTB als Berater zu dienen."

Als Direktor des wichtigsten deutschen Tennisturniers hat der 43-Jährige ebenso Einblick in die Führungszirkel der mächtigen 18 Landesverbände wie in die DTB-Strukturen. Dennoch kann er bislang kein Konzept erkennen, mit dem das neue Präsidium seine Ziele - die Basis durch mehr Integration und Kooperation mit Schulen zu verbreitern, den Spitzensport mehr zu fördern und Tennis im Allgemeinen beliebter zu machen - umsetzen will.

Dass Altenburg mit nur 77 der 111 möglichen Stimmen gewählt wurde, empfindet Stich als hohe Bürde, "Geschlossenheit hätte dem Verband für so einen Neuanfang gutgetan", sagt er. Es sei nur fair, der neuen Führung Zeit und die Chance zu lassen, ihr Konzept mit Leben zu erfüllen, dennoch erwartet Stich vor allem in der Causa Rothenbaum kurzfristig ein klärendes Gespräch, zumal Altenburg den Eindruck vermittelt hatte, dem Turnier wieder mehr Beachtung schenken zu wollen, als dies in den vergangenen Jahren der Fall war, in denen der mit 1,8 Millionen Mitgliedern drittgrößte deutsche Sportverband die finanzielle Unterstützung komplett eingestellt hatte.

"Wir sind gesprächsbereit und sehr gespannt darauf, welche Pläne der DTB für den Rothenbaum hat", sagt Detlef Hammer, "wir denken aber, dass es eine Menge wichtigerer Baustellen gibt." Die Turnierlizenz, die bis 2013 definitiv gesichert ist, gehört zwar noch dem Verband, die Ausrichtung und alle damit verbundenen Kosten stemmt jedoch die HSE, die für das Nutzungsrecht der Anlage an der Hallerstraße Miete an den DTB zahlt, allein. Auch die Verhandlungen mit der Herrentennis-Organisation ATP, die mit dem DTB seit Jahren in einem Rechtsstreit liegt, hat Stich in Alleinregie geführt. Ein ins Gespräch gebrachter Umzug der DTB-Zentrale von Hamburg nach Frankfurt am Main würde, so Hammer, die Ausrichtung des Turniers nicht berühren, "sofern sich alle Parteien an ihre vertraglichen Pflichten halten". Eine Einmischung der Verbandsspitze würde Stich und Hammer deshalb befremden.

Auch sie haben wichtigere Baustellen zu beackern. Vor allem die fehlende finanzielle Unterstützung der Stadt ist Stich weiter ein Dorn im Auge. Mit der Gründung der Interessengemeinschaft Hamburger Sportsommer, in der sich die Veranstalter der fünf Großevents Marathon, Triathlon, Cyclassics, Spring- und Dressurderby sowie Rothenbaum zusammengeschlossen haben, ist ein Gremium entstanden, das die Zuwendungen, die aus verschiedenen Behörden (Sport, Wirtschaft) sowie der Hamburg Marketing GmbH kommen sollen, in einem Topf sammeln und gemeinsam verwalten will.

"Wir wollen keine Fördergelder mehr, sondern für Leistung auch Gegenleistung in Form von Werbewirksamkeit erbringen", sagt Hammer, der in der vergangenen Woche "ein gutes Gespräch" mit Sportstaatsrat Karl Schwinke führte. Wichtig sei, sagt Stich, von der Stadt "endlich verlässliche Ansagen zu bekommen, damit wir Planungssicherheit haben". Das schließe auch die Überlegungen des Senats ein, künftig vor allem Breiten- und Trendsportevents fördern zu wollen. "Ich unterstütze neue Ansätze gern, aber zunächst sollte man die bestehenden Großveranstaltungen, die funktionieren, sichern", sagt Stich, "wir wollen das Turnier auf jeden Fall noch viele Jahre machen." Auch wenn die alten Zeiten wohl nie mehr zurückkommen werden.