Die englische Volleyballerin Rachel Bragg bereitet sich beim Hamburger Bundesligisten VT Aurubis auf die olympischen Spiele in London vor.

Hamburg. Dass es richtig sein kann, bei wichtigen Entscheidungen auf sein Bauchgefühl zu vertrauen, das hat Rachel Bragg in diesem Sommer erfahren. Als sie in ihrem Frankreich-Urlaub hörte, dass ein Bundesligateam aus Hamburg Interesse an ihren Diensten hatte, da genügte der englischen Volleyball-Nationalspielerin ein 20-minütiges Telefonat mit Trainer Jean-Pierre Staelens, um den nächsten Schritt auf der Karriereleiter zu vollziehen. "Ich habe die Bundesliga seit Jahren verfolgt und wusste von meiner Auswahlkollegin Lynne Beattie, die in der vergangenen Saison bei Aurubis gespielt hat, dass das ein toller Klub ist. Ich musste nicht lange überlegen, um das Angebot anzunehmen", sagt die 26-Jährige.

Seit Mitte August trainiert die 1,85 Meter große Außenangreiferin mit ihren neuen Teamkolleginnen vom VT Aurubis, das am 16. Oktober in Münster in die Saison 2011/12 startet. Und schon jetzt hat sie das Gefühl, die perfekte Wahl getroffen zu haben, um sich optimal auf das größte Ereignis ihrer sportlichen Laufbahn vorbereiten zu können. Im kommenden Sommer finden in London die Olympischen Sommerspiele statt, und weil nicht vielen Sportlern das Erlebnis von Heimspielen im Zeichen der fünf Ringe vergönnt ist, ist die Vorbereitung darauf seit Monaten schon das alles überlagernde Thema.

Das Nationale Olympische Komitee Großbritanniens hat die Zielvorgaben in Sportarten mit Aussicht auf Medaillen sehr hochgehängt und befeuert die Auswahlteams, die an mehreren nationalen Leistungszentren zusammengezogen wurden, mit Millionen aus staatlichen Lotteriegeldern. Das Problem der britischen Volleyballerinnen ist aber, dass sie chancenlos ins Medaillenrennen gehen und überhaupt nur dank der Gastgeberrolle startberechtigt sind. Für diese Sportarten gibt es entsprechend wenig Fördermittel, so dass die Volleyballerinnen mehr oder minder auf Eigeninitiative angewiesen sind.

"Wir haben das ganze Frühjahr damit zugebracht, Geld für ein ordentliches Trainingslager einzusammeln", sagt die 78-malige Nationalspielerin Bragg. Jede Spielerin aus dem erweiterten Kader musste sich eine Partnerschule im Land suchen, deren Schüler mit Spendensammelaktionen finanzielle Hilfe leisten sollten. So war immerhin im Sommer ein Camp in Peru und Argentinien mit Testspielen gegen die Südamerikanerinnen möglich. Der Plan, mit der kompletten Nationalmannschaft in der slowenischen Topliga anzutreten, scheiterte jedoch an mangelnden Finanzmitteln. Deshalb ist jede Spielerin angehalten, auf dem höchstmöglichen Niveau Klubvolleyball zu spielen, um sich für das ehrgeizige Ziel in Form zu bringen, das sich das Team selbst gesteckt hat: das Erreichen des olympischen Viertelfinales.

Bragg, Tochter eines britischen Sportlehrers und einer Sozialarbeiterin aus Jamaika, hat sich also entschieden, beim VT Aurubis anzugreifen. In einer fremden Stadt auf sich allein gestellt zu sein, das bereitet der studierten Sportlehrerin keinerlei Probleme. Sie kennt es nicht anders, seit sie mit 16 aus Birmingham in die Volleyballakademie nach Loughborough zog. In der vergangenen Saison spielte sie in Frankreich für Entente Toulon. In Neuwiedenthal, unweit der Trainingsstätte ihres Klubs, teilt sie sich eine Wohnung mit ihrer derzeit verletzten Mitspielerin Karine Muijlwijk und deren Partner. Ihr Verlobter, ein früherer Mountainbike-Profi, lebt in York und ist das eine, was ihr zum vollendeten Glück derzeit fehlt.

Das andere sind Kenntnisse der deutschen Sprache. Bis Weihnachten haben die Neuzugänge eine Schonfrist, bis dahin werden die Ansprachen des niederländischen Trainers, der perfekt Deutsch spricht, übersetzt, anschließend müssen alle in der Lage sein, ihn im Original zu verstehen. Rachel Bragg glaubt, dass sie das ebenso hinbekommt wie das Erreichen des Halbfinales mit dem Verein und des olympischen Viertelfinales im Sommer 2012. Sie hat da so ein Bauchgefühl...