Vor der Rückkehr nach Schalke dominieren Freude und Neugier Manuel Neuers Gefühlswelt – trotzdem „froh, wenn Situation einmal erlebt“

Gelsenkirchen/München. Am Sonntagnachmittag wird Manuel Neuer nichts anderes machen als viele andere Fans in der Arena auf Schalke. „Wenn ich es schaffe, werde ich die Stadionzeitschrift lesen, das ist so ein kleines Ritual von mir“, sagte der 25-Jährige vor dem wohl emotionalsten Spiel seiner Karriere. Der altbewährte Usus wird am Sonntag (17.30 Uhr) aber vor allem ein Ablenkungsmanöver sein von den gemischten Gefühlen, die der Nationaltorhüter bei der ersten Rückkehr mit Bayern München zu seiner „großen Liebe“ Schalke 04 hat. „Von meiner Seite aus schwingt da nichts Negatives mit. Ich freue mich auf das besondere Spiel“, sagte Neuer zwar am Freitag in München, die Anspannung vor den Reaktionen der rund 62.000 Fans kann er aber nicht ganz verbergen.

Denn dass der Empfang auf Schalke nicht annähernd so freundlich ausfallen wird wie zuletzt beim 6:2 mit der deutschen Nationalmannschaft gegen Österreich, ist dem ehemaligen Edelfan durchaus bewusst. „Das wird anders zugehen, lauter, weil das Stadion nicht weiß, sondern blau-weiß ist“. Diverse Ideen für die Demonstration der offenen Ablehnung gegen das einstige Vereins-Idol kursieren seit Wochen durch die Fan-Foren im Internet. Sprechchöre und Plakate sind geplant, auf die noch ausstehende offizielle Verabschiedung von Neuer wird aus gutem Grund verzichtet.

„Das wird nicht das erste Pfeifkonzert meiner Karriere. Es wird wichtig, den Fokus auf dem Ball zu halten und nicht auf den Rängen“, sagte Neuer, auch wenn er die Reaktionen mit Blick auf seine Vereinsverdienste nicht nachvollziehen kann. „Ich würde mich nicht auspfeifen“. Damit, dass sich im Ärger über den Vereinswechsel zum Erzfeind in Fan-Kreisen kaum jemand an Erfolge wie den Pokalsieg 2010 zurück erinnert, muss der gebürtige Gelsenkirchner aber nun leben: „Ich weiß, dass dieses Spiel zweimal im Jahr stattfinden wird. Und ich bin froh, dass es jetzt ist. Dann habe ich die Situation einmal erlebt.“

In der Vergangenheit zumindest hat Neuer oft gezeigt, dass er Extremsituationen gewachsen ist. Von tausenden „Koan Neuer“-Plakaten in der Münchner Arena hat er sich ebenso wenig beeindrucken lassen wie von der Auferlegung eines ominösen Verhaltenskodexes. In München ist er rund drei Monate nach seiner 18 Millionen Euro teuren Verpflichtung akzeptiert, feiert nach Spielen sogar in der Südkurve.

Zum ersten Duell mit seinem Jugendverein reist Neuer zudem mit viel Rückenwind: Beim 2:0 zum Auftakt der Champions-League-Gruppenphase gegen den FC Villarreal feierte er mit der Mannschaft von Trainer Jupp Heynckes den siebten Pflichtspiel-Sieg in Folge. Seit 658 Minuten ist Neuer, in Münchner Medien schon als „best bezahlter Arbeitsloser der Nation“ betitelt, ohne Gegentreffer. „Die Null soll weiter stehen, ich will persönlich ein gutes Spiel machen“, gab er sich vor, und appellierte vor den heißen „Wiesn“-Wochen auch an die Mannschaft: „Wir dürfen nicht aufhören, hungrig zu sein.“

Ruhe wird am Sonntagnachmittag zumindest auf einem kleinen Teil der Arena-Blöcke herrschen. „Seitdem Manuel bei uns im Tor steht, sind wir auf der Tribüne ganz entspannt. Denn wir wissen, welche Qualität da im Tor steht“, sagte Bayerns Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge dem Sportportal „sport1.de“ und gab Neuer den Titel als „Königsstransfer“ mit auf die schwere Reise. Die möglichen Ausfälle von Arjen Robben und Mario Gomez wiegen angesichts des starken Rückhalts nur halb so schwer – und Neuer fühlt sich trotz mangelnder Beschäftigung wohl in seiner neuen Rolle: „Ich laufe ja nicht in Rot auf. Und ich finde, das weiße Bayern-Trikot steht mir sehr gut“, sagte er und lachte. Von Herzen, aber ein bisschen unsicher.