Der Verband will den NBA-Star unbedingt einbinden – in der neuen Nationalmannschaft könnte Heiko Schaffartzik eine wichtige Rolle spielen

Vilnius. Wie lange er nach der Europameisterschaft freibekommt, weiß Heiko Schaffartzik nicht. Es habe sich noch niemand von seinen Klub Alba Berlin bei ihm gemeldet, sagte der Spielmacher der deutschen Basketball-Nationalmannschaft bei seiner Ankunft auf dem Berliner Flughafen Tegel. Fast acht Wochen war der 27-Jährige mit dem Team unterwegs. Trainingslager auf Gran Canaria, Testspiele, EM-Turnier in Litauen. „Es würde uns allen guttun, wenn wir jetzt ein paar Tage ausspannen könnten“, sagte Schaffartzik.

Der Aufbauspieler rückte bei der EM ins Blickfeld eines größeren Publikums. In Basketballkreisen ist er schon seit der Europameisterschaft in Polen vor zwei Jahren ein anerkannter und etablierter Spieler. Jetzt, nachdem Dirk Nowitzki angekündigt hat, eine längere Pause von der Nationalmannschaft machen zu wollen, könnte Schaffartzik so etwas wie das neue Gesicht der Post-Nowitzki-Mannschaft werden.

Der 27-Jährige war neben dem Flügelspieler Robin Benzing im deutschen Team der auffälligste deutsche Spieler bei der EM. Die beiden haben sich nicht hinter den breiten Schultern der beiden NBA-Profis Nowitzki (Dallas Mavericks) und Chris Kaman (Los Angeles Clippers) versteckt. Sie haben nicht nur davon geredet, sie haben tatsächlich Verantwortung übernommen, haben sich getraut zu werfen - auch in den entscheidenden Momenten.

„Heiko und auch Robin haben einen Schritt in Richtung europäisches Topniveau gemacht“, sagte Dirk Bauermann, der sich nun ausschließlich seinem Amt als Bundesligatrainer beim FC Bayern widmen wird. Er hätte gerne weiter gemacht mit der jungen Mannschaft, die er gecastet, geformt und geführt hat. Doch die Regularien der Basketball-Bundesliga BBL verbieten ein solches Doppelengagement. Der Deutsche Basketball Bund (DBB) um den Präsidenten Ingo Weiss sucht deshalb nach einem geeigneten Nachfolger. „Ich denke, dass die richtigen Entscheidungen getroffen werden, damit es auf einem hohen Niveau weitergehen kann“, sagte Bauermann.

Denn der 53 Jahre alte Basketballlehrer, der seit 2003 die Geschicke der Nationalmannschaft lenkte, hat Strukturen geschaffen, die es dem DBB wieder ermöglichen, auch mit den Jugendmannschaften an Europas Spitze mitzumischen. Der fünfte Platz der U-20-Mannschaft zuletzt dokumentiert diese Entwicklung. Bauermann spricht in diesem Zusammenhang gar von einem „Mentalitätswechsel“. Ihm ist es gelungen, dass im Verband der Schwerpunkt auf die Nachwuchs- und Trainerausbildung gelegt wurde. Er hat es geschafft, dass sowohl Spieler als auch Trainer gefördert und gefordert werden. Es ist wohl das größte Vermächtnis, das Bauermann hinterlassen hat.

Auch DBB-Präsident Weiss spricht davon, dass wir „viele Rohdiamanten“ haben, wie er es ausdrückt. „Und wir haben die Zeit, aus ihnen etwas zu machen.“ Es sind Spieler wie Schaffartzik, Benzing, der Center Tibor Pleiß, Flügelspieler Philipp Schwethelm und auch Elias Harris, der bei der EM verletzt fehlte, die im Hinblick auf die deutsche EM-Bewerbung 2015 eine Perspektive bieten, um die sie sogar Dirk Nowitzki beneidet. „Die EM 2015 im eigenen Land wäre eine Riesenchance“, sagte der 33 Jahre alte Würzburger. „In meiner Karriere hatte ich diese Chance leider nicht.“

37 Jahre alt wäre Nowitzki bei diesem Turnier. Er hat sich die Möglichkeit offen gehalten, dort noch einmal ein Teil der Mannschaft zu sein. „Wir haben ein paar echt interessante junge Leute hochgezogen in den vergangenen Jahren“, sagte der NBA-Profi. Man merkt, diese Perspektive reizt ihn.

Doch auch wenn er sich nicht mehr das Nationaltrikot überstreifen sollte, „wird es eine Nach-Nowitzki-Zeit geben, die auch mit Nowitzki sein kann“, wie es Weiss ausdrückt. Der DBB-Chef möchte Deutschlands Vorzeigebasketballer unbedingt in die Verbandsarbeit einbinden. Er soll die jungen Spieler weiter inspirieren, motivieren. Kaman wird das nicht tun, er hat seine Teilnahme immer mit der von Nowitzki verknüpft.

„Ich glaube schon, dass ich dem Basketball erhalten bleibe“, sagte der Würzburger. Im Sommer sei er ja oft in Deutschland, weil er seine Eltern besuche, Freunde treffe. Ein solcher Freund ist auch Holger Geschwindner. Er ist der Mentor von Nowitzki, sein Privatrainer, der mit unorthodoxen Methoden den NBA-Profi nicht nur als Basketballer geschärft hat, sondern auch als Mensch. „Wir brauchen Querdenker wie ihn“, sagte auch Ingo Weiss. Vielleicht wird das Erfolgsmodell Nowitzki-Geschwindner schon bald beim DBB eine wichtige Funktion haben.