Für Andrea Petkovic sind die US Open in New York ein Tanz auf der Rasierklinge. Deutschlands Nummer eins spielt mit einem Meniskuseinriss und geht mit Blick auf das Masters Ende Oktober in Istanbul volles Risiko.

New York. New York, New York! Andrea Petkovic liebt die Energie dieser Stadt. Sie saugt sie in sich auf, wenn sie aus dem Hotel tritt und durch die Straßenschluchten von Manhattan schlendert: „Es ist so lebendig und mit einem künstlerischen Flair.“ Was soll sie da in der nordafrikanischen Wüste? „Meine Eltern wollen mich am liebsten nach Timbuktu schicken, und dass ich mich dort nicht bewege“, sagte die 23-Jährige. Das ist natürlich keine Alternative, trotz der Sorgen ums verletzte Knie. Stattdessen schlug sie in der ersten Runde der US-Open die Russin Ekaterina Bitschkowa 6:2, 6:2.

Aber die Angst spielt immer mit bei der Weltranglisten-Elften. Vor zehn Tagen tat es einen Knacks in ihrem vor drei Jahren operierten rechten Knie, ein kleiner Riss im inneren Meniskus wurde diagnostiziert, wo einst das Kreuzband riss. „Wir arbeiten Tag und Nacht am Knie“, erzählt die Darmstädterin, „ich brauche noch eine Schmerztablette und einen leichten Tape-Verband.“

Gegen die Russin war eine Behinderung nicht zu sehen, Petkovic dominierte das Spiel, sie wurde von der 216. der Welt kaum bewegt und gefordert. Die Sorge aber bleibt, wie es wohl weitergeht. Die Chinesin Zheng Jie ist am Donnerstag die nächste Gegnerin. „Dass etwas passieren kann, ist mir bewusst“, sagt Petkovic, „ich versuche, mich an die Grenze zu tasten.“

Ihr Umfeld ist unterdessen in zwei Lager gespalten. Trainer Petar Popovic will, dass sie spielt. Mami und Papi wollen das nicht - Stichwort Timbuktu. Auch Fed-Cup-Chefin Barbara Rittner rät zum Aufhören: „Unser Mannschaftsarzt ist Kniespezialist und der Meinung, dass da doch was passieren kann.“ Die amerikanischen Sportärzte vor Ort meinen jedoch, es könne nichts Schlimmeres passieren. Und auf die hört Petkovic.

„Ich habe mir vorgenommen, dass ich sofort aufhöre, wenn das Knie dick wird“, verspricht die beste deutsche Tennisspielerin. Auch an ihrem spielfreien Mittwoch kurierte sie ihr Problemgelenk: „Ich mache täglich eine Stunde Übungen für Stabilität und Prävention, damit ich mich nicht durch eine Fehlbelastung anderswo verletze.“

Warum aber nimmt eine hochintelligente Leistungssportlerin dieses Risiko auf sich? Petkovic will unbedingt in eine weitere lebendige Weltmetropole reisen: „Es wäre ein Riesenerfolg, in Istanbul dabei zu sein. Das ist einer der Gründe, warum ich spiele.“ Dort wird Ende Oktober das WTA-Finale der besten acht Spielerinnen ausgetragen, das Damen-Masters, sozusagen. In der Quali-Wertung dafür liegt sie auf Rang neun, knapp hinter der Italienerin Francesca Schiavone.

Nach ihrem erfolgreichen Auftakt fiel selbst das schon traditionelle Siegertänzchen ziemlich euphorisch aus. „Durch die Verletzung sehe ich manche Dinge anders, ich habe mich schon lange nicht mehr so über einen Erstrunden-Sieg gefreut“, erklärte die Hessin und behauptet zugleich: „Ich wäre nach einer Niederlage nicht enttäuscht.“ Aber natürlich gilt insbesondere für New-York-Fan Petkovic: Wer es hier schafft, der schafft es überall.