Der Diskus-Dominator will bis 2018 in den Ring steigen: „Zur Not komme ich im Rollstuhl“

Daegu. Ein massives Schlafdefizit nach dem großen Tag, aber vom Diskuswerfen noch lange nicht müde: „Um 3.20 Uhr war ich außer Gefecht, ich war einfach zu kaputt“, sagte Robert Harting am Morgen nach seiner erfolgreichen Titelverteidigung. Da beliebte der Mann mit dem goldenen Arm und dem verrosteten Knie trotz der Schmerzen schon wieder zu scherzen: „Bis 2018 müsst ihr mich schon noch ertragen. Ich hoffe, dass Berlin in dem Jahr die Europameisterschaft kriegt. Zur Not fahre ich dann eben mit dem Rollstuhl in den Ring.“

Sieben Jahre gibt er sich also noch, der Diskus-Dominator aus der deutschen Hauptstadt. Sofern der Körper des heute 26-Jährigen mitspielt, wird Harting noch viele Siegesfeiern miterleben. Der alte und neue Weltmeister war nicht der Erste und nicht der Letzte, der die Fete im Athletendorf verließ. Auf die „Sternstunden der deutschen Leichtathletik“, wie DLV-Sportdirektor Thomas Kurschilgen den Dienstagabend bezeichnete, folgte eine lange Nacht. Martina Strutz, Vizeweltmeisterin im Stabhochsprung, hielt bis vier Uhr früh durch. „Ich hab's nur bis 2.30 Uhr geschafft“, gestand die mit Bronze dekorierte Siebenkämpferin Jennifer Oeser. Dazwischen war für Harting Feierabend. „Um 3.18 Uhr war ich im Zimmer“, gab der Goldjunge minutiös zu Protokoll.

Immerhin hatte es Robert Harting überhaupt geschafft, sein Bett zu Fuß zu erreichen. Schließlich hatte der am linken Knie blessierte Berliner im Stadion vor Schmerzen kaum noch laufen können. „Im Wettkampf war alles adrenalinbehaftet. Das Knie hat sich im Nachgang bemerkbar gemacht“, berichtete Harting. Der Lazarus der Leichtathletik hofft, die chronische Entzündung „mit viel Eis und den probaten Mitteln“ wieder auf ein erträgliches Maß reduzieren zu können. Schließlich will Harting in den nächsten zwei Wochen noch an den lukrativen Sportfesten in Zürich, im Olympischen Dorf von 1936 vor den Toren Berlins, beim Istaf im Olympiastadion und womöglich in Tallinn teilnehmen. Erst danach wolle er das seit zehn Wochen schmerzende Gelenk durchleuchten und untersuchen lassen, sagte Harting, ehe er sich zu entschlackenden Wechselbädern verabschiedete.

Ein Wechselbad der Gefühle hatte Harting am Dienstag nicht erlebt. Nach seinem ersten Versuch, der mit 68,49 Metern gemessen wurde, war Gold vergeben. „Der erste Wurf war taktisch sehr wichtig. Ich habe mich 24 Stunden darauf fokussiert“, gab Harting preis. Da habe er schon gewusst, dass er kaum noch von Platz eins verdrängt werden könne. Er biss weiter auf die Zähne und legte im vierten Durchgang noch 68,97 Meter nach. Trotz heftiger Schmerzen: „Beim vierten, fünften und sechsten Versuch war es sehr schlimm“, sagte Harting, der sich außer bei seinem Trainer Werner Goldmann auch bei den DLV-Medizinmännern bedankte: „Die Ärzte und Physios des Verbandes sind Weltklasse.“ Nur dank deren Arbeit habe er „angreifen“ können.

Attackieren gehört für Robert Harting auch außerhalb des Käfigs dazu. Nicht mehr so unsäglich wie noch vor zwei Jahren bei der WM in Berlin, als er die um Aufklärung bemühten Dopingopfer anging. „Wenn der Diskus auf dem Rasen aufspringt, soll er gleich gegen eine der Brillen springen, die die Dopingopfer hier verteilt haben“, hatte er gesagt. Der Mann, der auch in der Diskussion um eine Dopingvergangenheit seines Trainers Goldmann verbal aneckte, liebt aber weiterhin klare Worte. Am Mittwoch wiederholte Harting seine Forderung, dass es wie in Polen auch in Deutschland eine Rente für Olympiasieger geben sollte. 2000 Euro stelle er sich vor, aber man solle die Äußerung „nicht auf die Höhe reduzieren, sondern auf die Sache“. Sonst, so seine Befürchtung, „verlieren wir viele Talente, die sich aufgrund der schlechten Perspektive im Sport für eine Ausbildung entscheiden.“ Für ihn habe ein Ausstieg aber nie zur Diskussion gestanden: „Ich habe immer gefühlt, dass ich es schaffe.“