Die Saison hat gerade begonnen, da scheint sie für Michael Ballack schon fast beendet. Der einstige Star drückt auch im Verein nur die Bank.

Leverkusen. Mit nur sechs anderen Feldspielern arbeitete Michael Ballack am Montag auf dem Trainingsplatz hinter dem Leverkusener Stadion. Eine ungewohnte Situation für den 34-Jährigen, der es gewohnt war in einer Länderspielwoche mit der Nationalelf unterwegs zu sein. Mit Reservisten und aufstrebenden Junioren zu arbeiten, hat der 98-malige Nationalspieler praktisch nie kennengelernt.

Aber bei Bayer Leverkusen, wo nach dem Pokal-Aus in Dresden (3:4 n.V.) mit 0:2 in Mainz auch der Bundesliga-Start missriet, ist für Michael Ballack in diesen Tagen alles anders. Nicht nur bei der deutschen Nationalmannschaft ist der Sachse ins Aus gelaufen, auch bei der Werkself spielt er kaum mehr mit. Ballacks Karriere halten viele Fußballexperten schon für beendet. Selbst sein einstiger Bewunderer Franz Beckenbauer, sprach am Sonntag von Ballacks Abgang aus der Fußballwelt. Der "Kaiser" erklärte den Spielstil des ehemaligen Bayern-Spielers für "nicht mehr zeitgemäß", zudem verlangte Beckenbauer "ein würdiges Ende" für Ballacks Karriere.

Das wollte dem Mittelfeldspieler auch Bundestrainer Joachim Löw bereiten. Obwohl er dem Sachsen bereits im Juni, nach langem Zögern die Zukunft in der Nationalmannschaft nahm, war Löw bereit, ihm am Mittwoch im Mercedes-Benz-Stadion angemessen zu verabschieden. Doch der Mittelfeldspieler lehnte das Angebot mit harschen Worten ab, er bezichtigte Löw sogar, die Unwahrheit zu verbreiten und sich nicht an im März getroffene Absprachen zu halten. Bis zu dieser Entscheidung, die Abschiedsofferte zurückzuweisen, war er offiziell Kapitän der DFB-Auswahl. Nun steht er auf dem Abstellgleis, beim DFB von Löw ausrangiert, in Leverkusen vom neuen Bayer-Trainer Robin Dutt.

Dieser hat inzwischen auch entschieden, dass Ballack keinen Stammplatz mehr verdient hat, zumindest aktuell. Beim 3:4 bei der Pokal-Blamage in Dresden kam Ballack nach einer Stunde als Einwechselspieler in die Partie. Die 3:0-Führung ging verloren, die einst häufig gezeigte Fähigkeit, eine in Schwierigkeiten geratene Mannschaft zu führen, entwickelte er nicht.

„Er hatte eine Teilschuld wie die anderen auf dem Platz auch“, sagte Dutt und ließ Ballack am Sonntag in Mainz 90 Minuten auf der Ersatzbank sitzen, wie es auch sein Vorgänger Jupp Heynckes seit dem Frühjahr häufiger praktiziert hatte.

Dennoch erhält der einst größte Star des deutschen Fußballs bei Dutt durchaus Sonderrechte, denn auch der Bayer-Trainer weiß, dass Ballack in der öffentlichen Wahrnehmung nicht irgendwer ist. „Was seine Person, seine Vita betrifft, genießt er selbstverständlich eine Ausnahmestellung. Es ist klar, dass ich mich mit seiner öffentlichen Position mehr auseinandersetzen muss“, sagte Dutt.

Daher entzieht sich Dutt auch nicht auch keinen Fragen hinsichtlich Ballack. So haben sie bei Bayer das Szenario x-mal durchgespielt, wie atmosphärische Störungen entgegenzutreten sind, wenn seine Degradierung zur Aushilfskraft wieder mehr Schlagzeilen verursacht als die sportlichen Erfolge.

Glücklich sind die Leverkusener mit Ballack nie geworden, seitdem er nach der WM 2010 vom FC Chelsea zu Bayer zurückkehrte. „Status quo ist, dass es mit ihm bis heute keine Probleme gab“, sagte Dutt vorige Woche. Mit jeder Nichtberücksichtigung aber wächst sicherlich die Gefahr, dass Ballack der Kragen platzen könnte. Wie hart er zur Sache gehen kann, weiß Löw.

Dutt sprach völlig offen an, dass Ballack nicht mehr die Fitness besitzt, um Anspruch auf einen Stammplatz zu erheben. „Er ist fit, aber natürlich nicht wie jeder andere Spieler. Michael ist 34 Jahre alt und keine 18“, erklärte der Bayer-Trainer. Dass Ballack wegen seines Alters und nicht wegen des Nachholbedarfs nach den Verletzungen nicht die Idealwerte besitzt, hat sich vorher noch keiner getraut zu sagen. „Seine persönlichen Leistungsfaktoren sind alle auf einem guten Niveau. Er ist verletzungsfrei, kann das komplette Trainingsprogramm mitmachen. Seine Ausdauerfaktoren sind für seinen Bereich top“, fügte Dutt an.

Ausdauer gut, aber die Schnelligkeit lässt zu wünschen übrig. Und sie ist die entscheidende Größe im modernen Fußball. Dass er ein großer Kämpfer ist oder zumindest war, darf er nur selten zeigen. In Leverkusen werden die ersten Vermutungen laut, dass Ballack vor dem Ende der Saison das Weite suchen könnte – vielleicht in irgendein arabisches Fußball-Rentnerparadies. (dapd)