Die deutschen Tennisherren um Mayer, Petzschner und Co. wollen mit Hilfe von Teamgeist das Daviscup-Viertelfinale gegen Frankreich gewinnen.

Stuttgart. In seiner aktiven Karriere als Tennisprofi hat Patrik Kühnen zwischen 1985 und 1996 vor allem eins gelernt: Dass es notwendig ist, Misserfolge so schnell wie möglich hinter sich zu lassen, weil der nächste Aufschlag schnell kommt und volle Konzentration erfordert. Diese Eigenschaft hat der 45 Jahre alte Saarländer in seine neue Laufbahn hinübergerettet, und in diesen Tagen hat der Teamchef der deutschen Daviscup-Mannschaft davon durchaus profitiert.

Nach den bitteren Pleiten seiner Spieler bei den Grand-Slam-Turnieren in Paris und Wimbledon, wo keiner die dritte Runde erreichen konnte, war Kühnen ratlos in die Heimat zurückgereist. Doch nun, da von heute bis Sonntag in Stuttgart das Viertelfinale gegen Frankreich ansteht, hat er das Vertrauen in seine Spieler zurückgewonnen. "Wir gehen sicherlich nicht als Favorit in die Partie, aber für mich wäre es keine Überraschung, wenn wir das Halbfinale erreichen würden", sagt er.

In vielen Einzelgesprächen habe er die Überzeugung gewonnen, dass seine Profis die Misserfolge der vergangenen Wochen tatsächlich abgehakt haben, auch weil die Spitzenspieler Philipp Kohlschreiber (Augsburg) und Philipp Petzschner (Bayreuth) in Wimbledon verletzt angetreten waren. Die Hilfe eines Mentaltrainers hat er nicht hinzugezogen. "Ich habe so viel Erfahrung, dass ich weiß, worauf es ankommt", sagt Kühnen, der vor allem die Erinnerungen an den 3:2-Erstrundensieg in Kroatien aufgefrischt hat. "Dort haben wir gezeigt, zu was wir fähig sind, wenn wir als Team auftreten", sagt er.

+++ Kommentar: Zusammenhalt kommt weiter +++

Tatsächlich scheint die Equipe das Ziel verinnerlicht zu haben, die begehrteste Mannschaftstrophäe ihres Sports endlich wieder nach Deutschland zu holen. "Der Daviscup", sagt Kühnen, "ist für die Jungs so etwas wie ein Jungbrunnen. Man spürt, dass es allen sehr viel Freude macht, hier im Team Abstand vom Alltag gewinnen zu können." Nach dem Abschluss der Rasensaison sei die Umstellung zurück auf Sand schnell gegangen. "Geholfen hat, dass die Jungs am Wochenende für ihre Bundesligateams auf Sand Spielpraxis gesammelt haben", sagt Kühnen.

Vor allem aber setzt der Kapitän auf den Heimvorteil, der seine Mannschaft beflügeln soll. "Bei den drei bisherigen deutschen Turnieren in dieser Saison haben wir hervorragend abgeschnitten. Das sollte uns allen Rückenwind geben. Jeder kann frei aufspielen, das ist eine Riesenchance, dem Tennis wieder einen Schub zu geben", sagt er. Ende April in München war Florian Mayer erst im Finale am Russen Nikolai Dawidenko gescheitert. Mitte Mai triumphierten die Spieler, die nun Frankreich bezwingen sollen, beim World Team Cup in Düsseldorf, und Anfang Juni gewann Kohlschreiber das Finale von Halle (Westfalen) gegen Petzschner. Dass diese Turniere allesamt zweitklassig besetzt waren, will Kühnen nicht als Leistungsschmälerung betrachten.

Dass es gegen die Franzosen dennoch einer außergewöhnlichen Leistung bedarf, um das erste Daviscup-Halbfinale auf deutschem Boden seit 1994 zu erreichen, weiß Kühnen. Zum Auftakt (heute 12 Uhr/DSF) trifft die deutsche Nummer eins Florian Mayer (Bayreuth/Nr. 20 der Welt) auf Richard Gasquet (Nr. 11), anschließend muss Kohlschreiber (Nr. 42) gegen Frankreichs Topspieler Gael Monfils (Nr. 7) ran. Im Doppel am Sonnabend (13 Uhr/DSF) stehen Petzschner und Christopher Kas (Trostberg) Jo-Wilfried Tsonga und Michael Llodra gegenüber. Wimbledon-Halbfinalist Tsonga gilt zudem als Alternative für die Abschlusseinzel am Sonntag (12 Uhr).