Song Jong Sun und Jong Pok Sim aus Nordkorea stehen unter Dopingverdacht. Beide hatten einen positiven Test in der A-Probe.

Bochum/köln. Erst aufgeflogen, dann abgeflogen: Über dem Düsseldorfer Airport ging gerade die Sonne auf, als die Geheimniskrämer aus Nordkorea das dunkelste Kapitel dieser Frauenfußball-WM auf ihre Art beendeten - durch Flucht um 6.45 Uhr mit der Maschine LX1029 nach Zürich und dann weiter nach Pjöngjang. Zurück blieben ein handfester Doping-Skandal, der leere Teambus und ein DFB-Präsident in Rage.

Theo Zwanziger schickte dem wie immer rigoros abgeschirmten Team eine Botschaft ohne jede Diplomatie hinterher. «Dieser Vorfall unterstreicht den Eindruck von einem menschenverachtenden System in Nordkorea, in dem versucht wird, Sportler mit allen Mitteln zu Erfolgen zu führen», sagte Zwanziger auf Anfrage des SID. Ungewohnt zornig wurde der DFB-Präsident, ein echter Anhänger des Frauenfußballs: «Erfolge, die für staatliche Propaganda missbraucht werden können.»

Wohlgemerkt steht die B-Probe der positiv auf ein anaboles Steroid getesteten Song Jong Sun und Jong Pok Sim noch aus. Trainer, Verband und alle Verantwortlichen der Nordkoreaner wollten erwartungsgemäß nichts zur Aufklärung beitragen, es wurde gemauert. Als die Frist zur Beantragung der B-Probe verstrichen war, was üblicherweise ein Schuldeingeständnis ist, reagierte der Weltverband FIFA: Er wird die Proben denooch öffnen lassen.

Für Zwanziger ist zumindest «positiv zu bewerten, dass die Aufklärungsmechanismen der FIFA gegen Doping offenbar funktionieren.» Es war das einzig Positive, was sich aus dem Vorfall filtern ließ. Ein Schatten ist auf das deutsche Fußballfest gefallen, und in den Sternen steht, ob der Arm der FIFA in die Tiefen der Diktatur reicht. «Heute ist ein sehr trauriger Tag», hatte Dr. Jiri Dvorak, Chefmediziner des Weltverbandes, kurz vor Mitternacht in Bochum mit finsterer Miene gesagt.

Dass 19 Damen in Leibchen mit der Aufschrift «Doping» den gesamten Kader quasi zur Kontrolle «abführen» mussten, bezeichnete er als «einmaligen Vorgang bei Weltmeisterschaften». Fast entschuldigend schob er nach: «Aber wenn es zwei positive Proben in einer Mannschaft gibt, schreiben die Regeln dieses Prozedere vor.»

Das Prozedere war ziemlich gespenstisch, denn die Damen bauten sich minutenlang vor der nordkoreanischen Reservebank auf, wo alle Spielerinnen schüchtern und beinahe ängstlich zu ihnen hinaufschauten. Nach der «Fahndung» (Dvorak) verließen die Nordkoreanerinnen das Stadion ähnlich, wie sie es zuvor an der Hand der Ballkinder betreten hatten, nur mit schamhaft gesenkten Köpfen.

Ihre Proben könnten auch wieder bei Professor Dr. Wilhelm Schänzer in der Sporthochschule Köln landen. Schänzer hatte eine «zweite Meinung» abgegeben, nachdem die Proben von der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) in Kreischa geprüft worden waren. «Ich bin nicht befugt, weitere Auskunft zu erteilen», sagte er dem SID.

Aufklärung brachte Doping-Experte Fritz Sörgel. Überspitzt formuliert: Betrug mit anabolen Steroiden der Gruppe S1b ist Doping für Arme. «Steroide werden in Industrieländern kaum noch genommen», sagte Sörgel: «Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem technischen Entwicklungsstand eines Landes und den Dopingmitteln. Anabole Steroide sind billig und recht einfach zu beschaffen.» Sie bewirken einen stärkeren Muskelaufbau und schnellere Fettverbrennung.

Im deutschen Lager sorgte der Skandal kaum für Verwunderung. «Ich bin nicht überrascht», sagte Nationaltorhüterin Nadine Angerer: «Vermutet haben wir es schon lange. So lange es aber keine Beweise gab, konnte man es nicht aussprechen.»

Glück im Unglück ist, dass der Dopingskandal sportlich keinen Einfluss auf die Endrunde hat. Sowohl Nordkorea als auch Kolumbien waren vor dem 0:0 im letzten Gruppenspiel schon gescheitert. Kolumbien hatte zuvor bereits seine Torhüterin Yineth Varon nach Hause schicken müssen - sie wurde ebenfalls positiv getestet. Die B-Probe bestätigte das Ergebnis.

Für Theo Zwanziger ist der Nordkorea-Skandal kein Grund, seinen beschwerlichen Weg, das System mit sportlichen Begegnungen aufzubrechen, zu verlassen. «Diesbezüglich sind wir durch unsere Bemühungen vor und während der Weltmeisterschaft sicher ein Stück weitergekommen. Das zeigen die humanitären Gesten der nordkoreanischen Regierung und die Einladung der US-Frauen-Nationalmannschaft nach Nordkorea, die der nordkoreanische Sportminister ausgesprochen hat», sagte Zwanziger.

Für die WM und die Glaubwürdigkeit nordkoreanischer Sportler ist es allerdings ein schwerer Schlag.(sid/abendblatt.de)