Der Weltmeistertrainer arbeitet beim neuen Hamburger Profiboxstall. Bei Universum musste er gehen, weil er nicht mehr finanzierbar war.

Hamburg. Magomed Schaburow mag Sprichworte. Er nutzt sie gern, um philosophische Antworten auf Fragen zu finden, die er nicht direkt beantworten möchte, oder auch, um eine Situation besser beschreiben zu können. Wenn es also eine Redewendung gibt, die auf die vergangenen Monate im Leben des 40 Jahre alten Boxtrainers passt, dann wohl die, dass jedem Ende auch immer ein neuer Anfang innewohnt, denn das hat Schaburow gerade am eigenen Leib erlebt.

Nach rund acht Jahren war seine Zusammenarbeit mit dem Hamburger Profistall Universum Ende Januar beendet worden. Der gebürtige Tadschike, der seit 1993 deutscher Staatsbürger ist, war für das kriselnde Unternehmen von Klaus-Peter Kohl nicht mehr finanzierbar. Für Schaburow bedeutete dies, sich neu orientieren zu müssen. Viele Monate zerbrach er sich den Kopf über seine Zukunft, er setzte sich unter einen Leistungsdruck, den er am Ende kaum noch kontrollieren konnte. „Ich war fixiert auf den Erfolg und habe niemanden mehr an mich herangelassen, aus Angst, man könnte mir eine Schwäche nachsagen. Das hat mich zu einem negativen Menschen gemacht“, sagt er.

Die Pforte zum Ausweg öffnete sich in einem Moment, als er das Gefühl hatte, nichts mehr geben zu können. Der frühere Weltergewichts-Europameister Oktay Urkal, den er 1993 im Nationalteam kennen gelernt hatte, offerierte ihm einen Posten als Assistenztrainer beim neuen Hamburger Profistall EC Boxpromotion des türkischen Geschäftsmanns Erol Ceylan, 38, der am 9. April in der Sporthalle Hamburg seinen vierten Kampfabend ausrichtet. Urkal ist dort Geschäftsführer und Cheftrainer in Personalunion, und weil Ceylan, der sein Geld mit Logistik verdient, jüngst einige namhafte Profis wie den russischen Cruisergewichtler Alexander Alekseev von Universum oder den türkischen Schwergewichtler Cengiz Koc (ehemals Sauerland) unter Vertrag genommen hat, braucht Urkal Hilfe im Training. Die bekommt er seit zwei Monaten von Schaburow.

„Magomed ist ein Segen für uns. Es ist eine Ehre, mit so einem Mann zu arbeiten. Er ist ein großartiger Trainer, den ich schon bewundert habe, als er noch bei Universum war“, sagt Urkal. Der 41-Jährige vertraut Schaburow und seinem zweiten Assistenten, Ex-Arena-Coach Bülent Baser, durchaus die komplette Trainingsarbeit an, wenn er mit Ceylan auf Geschäftsreisen durch Deutschland oder Südeuropa tourt. „Es war nicht leicht, Magomeds Vertrauen zu gewinnen. Aber als er gespürt hat, dass ich in der Not für ihn da bin, war alles klar. Jetzt verstehen wir uns bombastisch und haben zusammen einen riesigen Spaß“, sagt Urkal.

Schaburow gibt zu, dass er in seiner neuen Position den Spaß an der Arbeit zurückgewonnen hat. Er macht Universum keinerlei Vorwürfe, im Gegenteil, er hofft das Beste für Kohl und sein Team, „ich habe dort viel gelernt und Universum viel zu verdanken.“ Aber die Atmosphäre bei EC sei angenehmer, weil Ceylans Credo lautet, seine Boxer als ganze Menschen wahrnehmen zu wollen. „Hier dürfen die Jungs auch mal verlieren, ohne gleich Angst haben zu müssen, dass die Karriere dann vorbei ist“, sagt Schaburow. Natürlich verlange man, dass jeder Sportler seine Leistung abruft und sich loyal dem Team gegenüber verhält. „Aber Niederlagen werden akzeptiert, wenn der andere besser war, weil alle Kämpfe, die Erol macht, auf Augenhöhe stattfinden.“ So etwas helfe, um unbelasteter zu trainieren und in den Ring zu steigen. „Und deshalb ist die Laune bei allen viel besser“, sagt Urkal.

Das Geld, das bei Universum oder anderen großen Promotern verdient wird, hat EC nicht zur Verfügung. Die Sportler wüssten das – und akzeptierten es, weil sie sich trotzdem ernst genommen fühlten. „Wer Leidenschaft für den Sport hat und das Boxen liebt, der setzt sich auch in schlechten Zeiten durch. Und darum geht es“, sagt Schaburow. Um finanziell über die Runden zu kommen, hat er sich weitere Standbeine aufgebaut. Er arbeitet noch mit seinen ehemaligen Universum-Schützlingen Ruslan Chagaev (Schwergewicht), Dimitri Sartison (WBA-Weltmeister im Supermittelgewicht) und Susi Kentikian (Dreifach-Weltmeisterin im Fliegengewicht). Vor allem aber ist er als Landestrainer beim Hamburger Amateurbox-Verband (HABV) für die Ausbildung der Talente zuständig.

„Das ist eine Aufgabe, die mir sehr viel Spaß macht, denn die Jugend ist unser Kapital“, sagt Schaburow, den mit HABV-Präsident Jimmy Jamal Abboud ein inniges Verhältnis verbindet. „Jimmy arbeitet sehr hart, um das olympische Boxen in Hamburg nach vorn zu bringen“, sagt er. Im Gegenzug möchte Schaburow kurzfristig ein schlagkräftiges Hamburger Team für die deutschen Meisterschaften Anfang Dezember in der Sporthalle Alsterdorf aufbauen. Mittelfristig hofft er auf internationale Medaillen für Hamburger Kämpfer. Urkal traut seinem neuen Kompagnon diese Erfolge durchaus zu. „Seit Magomed hier ist, ist die Entwicklung sehr positiv. Früher kamen fünf, sechs Jungs zum Training. Magomed hat regelmäßig mehr als 20 Teilnehmer in seiner Gruppe.“

Genau dieser Geist sei es, der ihn die Zukunft wieder positiv betrachten lässt, sagt Schaburow. „Hier haben alle verstanden, dass wir voneinander profitieren können. Wir wollen als Vorbilder für gelungene Integration vorangehen.“ Er selbst wolle niemandem etwas wegnehmen, sondern habe sein Brot mitgebracht, um es zu teilen. Außerdem habe er eins gelernt: „Ich plane nicht mehr länger als drei Tage im Voraus. Auch das nimmt mir Druck. Aus Schaden wird man klug.“ Das ist auch ein passendes Sprichwort.