Der Mecklenburger gewann das 82. deutsche Springderby im Stechen gegen Torben Köhlbrandt. Carsten-Otto Nagel verzichtete auf Start.

Hamburg. Es ist schon erstaunlich, wie leise 22 000 Menschen sein können. Mucksmäuschenstill. Die Spannung lag beim Stechen um den Sieg beim 82. Deutschen Springderby in Klein Flottbek am Sonntag förmlich in der Luft. André Thieme oder Torben Köhlbrandt, Mecklenburg-Vorpommern oder Schleswig-Holstein? Das war die zu klärende Frage für den Showdown am Sonntag vor vollen Rängen im Derbypark.

Als sich die Spannung schließlich in lautstarkem Jubel entlud, war es der Mecklenburger Thieme, der kurz darauf vor lauter Freude seine Reitkappe von sich warf. Vier Sekunden war der 36-Jährige aus Plau am See in der finalen Ausscheidung schneller gewesen als sein von Fehmarn stammender Rivale. Während bei allen großen Prüfungen in den vergangenen vier Tagen die irische, englische oder schwedische Nationalhymne erklangen, waren im entscheidenden Moment einheimische Töne dran.

Thieme gewann nach 2007 und 2008 zum dritten Mal das Derby, zum dritten Mal auch mit dem gleichen Pferd. "Nacorde ist einfach ein Spezialist", freute sich der um 35 000 Euro reichere Seriensieger, der seinem 16 Jahre alten Wallach beim Verlassen des Platzes liebevoll den Rücken getätschelt hatte.

Eigentlich hätte Thieme schon nach dem regulären Umlauf als Sieger dastehen können. Nur weil eine Stange fiel, obwohl sie Nacorde gar nicht direkt berührt hatte, stand bei ihm wie beim 32-jährigen Köhlbrandt vor dem Stechen ein Fehler zu Buche. Am Ende gab es trotzdem verdientes Lob von den Experten. "Der beste Reiter hat gewonnen, und er saß auf dem besten Pferd", sagte Achaz von Buchwaldt, Derbysieger von 1982.

Lokalmatador und Vorjahressieger Carsten-Otto Nagel aus Wedel hatte dagegen auf seinen Start verzichten müssen. Wegen einer Sehnenverletzung seines Pferdes Lex Lugar sagte der 48-jährige Reiter ab. "Ich bin schon reichlich geknickt", erkläre Nagel. "Wir haben alles versucht, aber das Risiko war einfach zu groß." Sonnabend früh war die Malaise diagnostiziert worden, doch schlugen die Behandlungen nicht an. Der 48-Jährige hatte nach einer verpatzten ersten in der zweiten Qualifikation den sechsten Rang belegt und galt als Top-Favorit auf den Gewinn des Blauen Bandes.

Wie Nagel gar nicht erst dabei war auch Ludger Beerbaum, Derbysieger von 2003. Der viermalige Olympiasieger war mit Coupe de Coeur in der zweiten Qualifikation am Wall gescheitert, doch darauf wollte er es zunächst nicht beruhen lassen. "Wir nehmen teil. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt", sagte Beerbaum und erwies sich als Schlitzohr. Deutschlands Topreiter versuchte es am Sonnabend beim Speed-Derby, bei dem das Heruntergehen an der steilsten Stelle des Walles gar nicht vorgesehen ist, einfach noch mal. Ohne Erfolg. Coupe de Coeur ließ sich nicht überlisten, und Beerbaum hatte dann doch ein Einsehen.

Mit einem großen Erfolg konnte der 47-Jährige die Heimreise nach Riesenbeck dennoch antreten. Bei der hoch dotierten Deutschland-Etappe der Global Champions Tour am Sonnabend sicherte er sich im Stechen den zweiten Platz und 57 000 Euro Preisgeld. Beerbaum musste nur Rolf-Göran Bengtsson den Vortritt lassen - dem Mann aus "Breitenburg in Südschweden", wie ihn Stadionsprecher Christian Graf Plettenberg ankündigte. Der Skandinavier Bengtsson lebt und arbeitet auf dem Hof des deutschen Verbandspräsidenten Breido Graf zu Rantzau bei Itzehoe und wertete seinen Triumph beim Großen Preis von Hamburg als Heimsieg. 95 000 Euro waren für ihn der Lohn.

Glücklich über Platz drei und immer noch stolze 38 000 Euro zeigte sich die wie immer von den Zuschauern stürmisch gefeierte Lokalmatadorin Janne-Friederike Meyer aus Schenefeld. Die 30-Jährige hatte sich schon nach ihrem Null-Fehler-Ritt im ersten Umlauf riesig gefreut. Kurz nach dem letzten Hindernis riss sie die Arme in die Luft und ritt einfach freihändig weiter. Nach einem weiteren fehlerfreien Durchgang ging ihrem Wallach Cellagon Lambrasco im Stechen dann ein wenig die Kraft aus. "Ich bin trotzdem unheimlich zufrieden", sagte Meyer. Nach schlechten Erfahrungen mit den besonderen Hindernissen war die gebürtige Hamburgerin dann am Sonntag beim Derby nicht am Start, sie verfolgte das Geschehen aus dem VIP-Zelt.

Während sich Sportchef Paul Schockemöhle später am Bratwurststand neben dem Einritt eine Thüringer für drei Euro gönnte, zog Turnierboss Volker Wulff eine erste Bilanz: "Alles hat wunderbar gepasst." Insgesamt 75 000 Besucher bescherten einen neuen Rekord. In den kommenden Tagen will sich Wulff mit seinem Team zusammensetzen, Bilanz ziehen und Feinjustierungen für 2012 in die Wege leiten.

So soll es künftig verbesserte Live-Bilder im Dressurstadion und eine optimierte Wegeführung auf dem Freigelände geben. Zu verbessern ist gleichfalls das Verhältnis zum Rathaus: Innensenator Michael Neumann verließ die Anlage vorzeitig, sodass er vom Derby nichts sah. Damit bleibt sich die Politik in Hamburg parteiübergreifend treu: Wenn das Blaue Band in Klein Flottbek vergeben wird, ist der Bürgermeister nur in Ausnahmefällen vor Ort. Obwohl das Spring- und Dressurderby international gute Werbung für die Hansestadt macht.

Auch das Vieraugengespräch zwischen dem für den Sport zuständigen Innensenator Neumann und Volker Wulff kam nicht zustande. Am Montag soll eine neue Verabredung getroffen werden.