Nicht nur in maritimen Bildern untermauerte Fifa-Präsident Joseph S. Blatter seinen Kampfgeist in der Krise um den Fußball-Weltverband.

Zürich. In einer kämpferischen Rede auf dem Fifa-Kongress in Zürich hat Präsident Joseph S. Blatter radikale Reformen für den kriselnden Fußball-Weltverband angekündigt, Probleme eingeräumt und Selbstkritik geübt. Die Nachrichtenagentur dpa dokumentiert einige Schlaglichter der Grundsatzansprache des 75-Jährigen vom Mittwoch:

"Wir haben Schläge eingesteckt und ich persönlich einige Ohrfeigen, die Verwarnung hat gut getan. Wir haben Fehler begangen und werden die Lektionen aus diesen Fehlern ziehen.“

"Ich bin ein Kapitän in turbulenten Zeiten. Unser Schiff ist in Schieflage geraten, vielleicht hat es sogar etwas Wasser. Wir müssen alles daran setzen, dass wir auf Kurs bleiben und der Präsident ist dafür bereit.“

"Ich möchte, dass in Zukunft die Organisation der WM vom Kongress der Fifa beschlossen wird.“

"Es geht jetzt darum, radikale Schritte zu unternehmen und nicht nur kleine kosmetische Verbesserungen. Wir müssen etwas tun, denn mehr denn je müssen wir feststellen, dass wir in einer unwürdigen Lage sind.“

"Wir haben die beste Transparenz aller Sportinstitutionen, was die Finanzen angeht. Der Fußball ist transparent, unser Spiel ist transparent. Aber wie steht es mit der Transparenz unseres Managements, unserer Regierung, der Entscheidungen, die wir treffen?“

"Die Ethikkommission hat von der Null-Toleranz gesprochen. Aber reicht es, darüber zu sprechen? Nein, es müssen Taten folgen. Es muss ein für allemal Schluss sein mit diesen hässlichen Kritiken, der Ruf von uns allen steht auf dem Spiel.“

"Die Vergabe der WM am 2. Dezember 2010 hat eine Welle an Anschuldigungen, Kritiken, Vermutungen ausgelöst und diese ganze Flut, diese Wellen sind noch nicht verebbt.“

"Ich möchte ja Herr der Lage sein und diese Verantwortung wahrnehmen können. Und ich werde auf der Höhe sein und das Schiff wieder auf den richtigen Kurs bringen und in den Hafen einlaufen lassen. Ich stehe zu Ihrer Verfügung und gemeinsam können wir es schaffen, die Fifa wieder zur Glaubwürdigkeit zurückzuführen.“

Weniger kämpferisch hatte sich Blatter im Vorfeld des Fifa-Kongresses gegeben, als er von der Ethikkommission "freigesprochen“ wurde und die Exekutivkomitee-Mitglieder Mohamed bin Hammam und Jack Warner suspendiert wurden:

"Ich bedauere, was in den letzten Tagen und Wochen geschehen ist. Das Image der Fifa hat sehr darunter gelitten, zum Leidwesen der Fifa selbst und aller Fußballfans.“ (Blatter am Sonntagabend)

"Krise? Was ist eine Krise?“ (Blatter am Montagabend in seiner Pressekonferenz, die er am Ende wutentbrannt abbrach)

"Unsere Fifa-Pyramide schwankt, es ist Gefahr im Anzug.“ (Blatter am Dienstag bei der Eröffnung des Fifa-Kongresses)

+++ Der Fifa-Kongress im Liveticker +++

Die skandalträchtige Wahl zum Präsidenten des Fußball-Weltverbandes findet wie geplant statt. Der Antrag des Englischen Verbandes (FA), die Abstimmung wegen der Korruptionsvorwürfe gegen hochrangige Fifa-Funktionäre zu verschieben, wurde von den Delegierten auf dem Kongress in Zürich abgelehnt. Der FA-Antrag erhielt 17 Ja-Stimmen, 172 Delegierte votierten dagegen. Damit steht Amtsinhaber Joseph Blatter vor der Wiederwahl. Verfolgen Sie hier das aktuelle Geschehen im Liveticker:

12.50 Uhr: Alles zur Rede von Joseph Blatter vor dem Kongress: Blatters Reformrede: Kongress soll WM vergeben

12.03 Uhr: Der Fußball-Weltverband wird immer reicher: Im WM-Jahr 2010 verzeichnete die Fifa einen Gewinn von 202 Millionen US-Dollar. Einnahmen in Höhe von 1,291 Milliarden standen 1,089 Milliarden an Ausgaben gegenüber. Alleine aus den TV-Rechten generierte der Weltverband in 2010 718 Millionen US-Dollar. Zudem hat die Fifa noch Rücklagen von 1,28 Milliarden US-Dollar.

11.40 Uhr: Präsident Joseph Blatter setzt im Fall seiner Wiederwahl bei der Reform des kriselnden Fußball-Weltverbandes auch auf die Hilfe der brasilianischen Fußball-Legende Pelé. Der 75 Jahre alte Schweizer habe am Dienstagabend mit dem dreimaligen Weltmeister telefoniert, hieß es am Mittwoch vonseiten der Fifa. Pelé habe Blatter seine „enge Zusammenarbeit“ vor allem bei der Vorbereitung der WM 2014 in Brasilien zugesichert.

11.32 Uhr: Mit einem revolutionären Vorschlag hat Fifa-Präsident Joseph Blatter die Delegierten auf dem Kongress des Fußball-Weltverbandes überrascht. „Ich möchte, dass in Zukunft die Organisation der WM vom Kongress der Fifa beschlossen wird“, sagte der 75 Jahre alte Schweizer am Mittwoch in seiner mit Spannung erwarteten Rede vor den Vertretern der 208 Mitgliedsverbände. Bislang wurden die Weltmeisterschaften vom 24-köpfigen Exekutivkomitee vergeben, was immer wieder zu Korruptionsvorwürfen führt. „Es geht jetzt darum, radikale Schritte zu unternehmen und nicht nur kleine kosmetische Verbesserungen“, sagte Blatter.

11.20 Uhr: Dem suspendierten Mohamed Bin Hammam wurde der Zutritt zum Kongress verwehrt. Der Katarer, der ursprünglich bei der Präsidentschaftswahl gegen Amtsinhaber Joseph S. Blatter antreten wollte, konnte bislang keinen Einspruch gegen seine Suspendierung einlegen. Bereits vor der Suspendierung hatte Bin Hammam seine Kandidatur zurückgezogen. „Ich bin sehr traurig darüber, was in den letzten Tagen passiert ist. Ich werde nie akzeptieren, wie ein Name und mein Ruf beschädigt wurden. Ich werde um mein Recht kämpfen“, sagte der 62-Jährige und fügte hinzu: „Ich wurde bestraft, bevor ich schuldig gesprochen bin. Das geht nicht.“ Das Ethik-Komitee der Fifahatte Bin Hammam und Jack Warner, Präsident der Concacaf-Konföderation (Nord- und Mittelamerika und Karibik), am Sonntag wegen Verstößen gegen den Fifa-Ethikcode suspendiert, Blatter dagegen von allen Vorwürfen freigesprochen. Bin Hammam und Warner wird vorgeworfen, Stimmen von Mitgliedern der karibischen Fußball-Union CFU gekauft zu haben.

10.50 Uhr: Die Wahl des Fifa-Präsidenten findet statt. Ein Antrag des Englischen Fußballverbandes (FA) auf Wahlverschiebung scheiterte am Vormittag. 172 der 206 Stimmberechtigten votierten auf dem Fifa-Kongress in Zürich gegen den Antrag. Der amtierende Präsident Blatter ist der einzige Kandidat. FA-Präsident David Bernstein hatte den Antrag damit begründet, dass eine Wahl mit einem Kandidaten wie ein Rennen mit nur einem Pferd sei. „Wir sollten die Wahl verschieben, damit wir einen zusätzlichen Kandidaten finden können. Nur so erhält die Fifa ihre Glaubwürdigkeit zurück“, sagte er. Rückhalt erhielt Blatter unter anderem von den Vertretern aus Haiti, Kongo, Benin, Zypern und den Fidschi-Inseln, die sich mit teils flammenden Appellen für eine Wahl aussprachen.

9.00 Uhr: DFB-Präsident Theo Zwanziger fordert indes eine Überprüfung der skandalumwitterten Vergabe der Fußball-WM 2022 an Katar, bleibt aber auch bei seiner Unterstützung für Fifa-Präsident Joseph S. Blatter. „Ich muss nach dem, was ich höre und lese, davon ausgehen, dass es einen beachtlichen Grad an Verdächtigungen gibt, den man nicht einfach wegschieben kann“, sagte Zwanziger wenige Stunden vor der Wahl des Fifa-Präsidenten im Interview mit dem "ZDF-Morgenmagazin".

Er müsse davon ausgehen, „dass man unter diesem Gesichtspunkt die Vergabe der WM noch einmal überprüfen muss. Wie das zu geschehen hat, dazu will ich mich erst äußern, wenn ich mehr über den Sachverhalt weiß. Ich komme von außerhalb und war nicht Mitglied der Exekutive.“ Mehrere Mitglieder der Fifa-Exekutive, die über die Vergabe der WM-Endrunde an das Emirat entschieden haben, stehen unter Korruptionsverdacht. (sid/dpa)

Die Chronologie der Fifa-Bestechungsaffäre