In dem ARD-Film wurde das Thema Homosexualität im Fußball mit der DFB-Auswahl in Verbindung gebracht. Bierhoff: “Schade und ärgerlich“.

Mainz. Als vor einem Jahr die Affäre um Schiedsrichter Manfred Amerell und Bundesliga-Referee Michael Kempter öffentlich wurde, da kochte sie plötzlich wieder auf, die Diskussion um Homosexualität im Profifußball. Wochenlang lieferten sich die Beteiligten eine Schlammschlacht in den Medien. Bei Kerner wurden schlüpfrige SMS vorgelesen, bei Plasberg Massenoutings vorausgesagt. Passiert ist seitdem jedoch nichts. Ein Outing in der Liga blieb aus.

Und nun kam er: der "Tatort" zum großen Tabuthema des deutschen Fußballs. Am Sonntag ermittelte Maria Furtwängler als Kommissarin Charlotte Lindholm in der Bundesliga. DFB-Präsident Theo Zwanziger selbst war mit der Idee zum Thema Homophobie im Profifußball an FC-Bayern-Fan Furtwängler herangetreten.

Die Umsetzung des Themas hat allerdings für Unmut in Kreisen des deutschen Fußball-Bundes gesorgt. „Ich finde es schade und ärgerlich, dass die Prominenz der Nationalelf missbraucht wird, um irgendein Thema zu entwickeln oder einen Scherz zu machen“, sagte Manager Oliver Bierhoff der „Bild“-Zeitung (Freitag). Zwanziger verteidigte das Drehbuch zwar als wie normale "praktizierte Überzeichnung", man müsse aber auch bei so einem schwierigen Thema "sensibel bleiben und nicht durch unwahre und unnötige Randbemerkungen von den eigentlichen Aufgaben ablenken“, so der Verbandschef.

Der "Tatort: Mord in der ersten Liga" begannt mit dem Tod eines Profikickers, der erschlagen am Ufer des Maschsees in Hannover liegt. Der Spieler, so wird vermutet, führte ein Doppelleben, war homosexuell. Kommissarin Lindholm ermittelte in aufgeheizten Fan-Foren, in der Hooligan-Szene und bei geldgeilen Spielerberatern. In das Drehbuch des Tatorts war auch eine Verbindung zur DFB-Auswahl eingebaut worden. Der sich in dem Film später als schwuler Fußballer outende Hauptdarsteller sagte: „Wissen Sie, die halbe Nationalmannschaft ist angeblich schwul, einschließlich Trainerstab. Das ist doch schon so eine Art Volkssport, das zu verbreiten.“ Bierhoff wertete diese Anspielung als „einen Angriff auf meine Familie – die Familie der Nationalmannschaft“. Bierhoff kündigte grundsätzliche Überlegungen an, „wie wir mit solchen Dingen umgehen. Dass wir nicht wehrlos sind gegen Gerüchte und falsche Unterstellungen aller Art“. Gerade auch die Nationalmannschaft habe sich geschlossen und offen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gestellt, betonte Zwanziger. „Es ist mir völlig egal, welche sexuelle Orientierung einer unserer Nationalspieler oder Nationalspielerinnen hat.“

Die Krimireihe bewies einmal mehr ihren Mut zu heiklen Themen. Es ist nicht das erste Mal, dass im Fußball-Umfeld gedreht wurde. Werder Bremen öffnete vor zwei Jahren die Stadion-Tür für Sabine Postel, Schimanski ermittelte vor Jahren beim MSV Duisburg. Jedoch: "Ich glaube nicht, dass ein 'Tatort' jemals so nah dran war an der Fußballwelt", so Regisseur Nils Willbrandt. Sein Film, so sagt er, "soll einen Einblick in das Gefühlsleben eines homosexuellen Fußballers geben". Dem VfL Wolfsburg, mit dem der NDR ursprünglich drehen wollte, waren diese Einblicke zu pikant. Bei Hannover 96 war das anders. Präsident Martin Kind ist stolz auf die Zusammenarbeit. "Dieser 'Tatort' gehört einfach nach Hannover", so Kind. Für den Zeitpunkt der Dreharbeiten, genau ein Jahr nach dem Tod von Nationalspieler Robert Enke, gab es anfangs auch Kritik. "Mit Enke", versichert NDR-Fernsehspielchef Christian Granderath, habe dieser "Tatort" jedoch "überhaupt nichts zu tun".

In erster Linie wollen die Macher die Zuschauer sensibilisieren. "Wir alle sind ja nicht frei von Vorurteilen", so Maria Furtwängler. Dass es keine schwulen Profis in der Bundesliga gibt, hält sie für unwahrscheinlich. Tatsächlich müssten rein statistisch fünf bis zehn Kicker der Bundesliga homosexuell sein. Es gibt sie - nur trauen sie sich nicht an die Öffentlichkeit. Grimme-Preisträger Harald Göckeritz kennt diese Spieler. Er hat das Drehbuch zu "Mord in der ersten Liga" geschrieben. Namen nennt er nicht. Er weiß um die Angst der Profis - vor den Fans, vor abspringenden Sponsoren. Er kann es verstehen, dass Spieler ihre Neigung nicht publik machen wollen. (dpa/abendblatt.de)