Der “Tatort“ wagt sich an eines der letzten großen Tabus: Homosexualität in der Bundesliga. Gedreht wurde die Folge bei Hannover 96.

Als vor einem Jahr die Affäre um Schiedsrichter Manfred Amerell und Bundesliga-Referee Michael Kempter öffentlich wurde, da kochte sie plötzlich wieder auf, die Diskussion um Homosexualität im Profifußball. Wochenlang lieferten sich die Beteiligten eine Schlammschlacht in den Medien. Bei Kerner wurden schlüpfrige SMS vorgelesen, bei Plasberg Massenoutings vorausgesagt. Passiert ist seitdem jedoch nichts. Ein Outing in der Liga blieb aus.

Und nun kommt er: der "Tatort" zum großen Tabuthema des deutschen Fußballs. Am Sonntag ermittelt Maria Furtwängler als Kommissarin Charlotte Lindholm in der Bundesliga. DFB-Präsident Theo Zwanziger selbst war mit der Idee zum Thema Homophobie im Profifußball an FC-Bayern-Fan Furtwängler herangetreten.

Der "Tatort: Mord in der ersten Liga" beginnt mit dem Tod eines Profikickers, der erschlagen am Ufer des Maschsees in Hannover liegt. Der Spieler, so wird vermutet, führte ein Doppelleben, war homosexuell. Kommissarin Lindholm ermittelt in aufgeheizten Fan-Foren, in der Hooligan-Szene und bei geldgeilen Spielerberatern.

Einmal mehr beweist die Krimireihe, die sich gerne an Tabubrüchen bedient, ihren Mut zu heiklen Themen. Es ist nicht das erste Mal, dass im Fußball-Umfeld gedreht wurde. Werder Bremen öffnete vor zwei Jahren die Stadion-Tür für Sabine Postel, Schimanski ermittelte vor Jahren beim MSV Duisburg. Jedoch: "Ich glaube nicht, dass ein 'Tatort' jemals so nah dran war an der Fußballwelt", so Regisseur Nils Willbrandt. Sein Film, so sagt er, "soll einen Einblick in das Gefühlsleben eines homosexuellen Fußballers geben". Dem VfL Wolfsburg, mit dem der NDR ursprünglich drehen wollte, waren diese Einblicke zu pikant. Bei Hannover 96 war das anders. Präsident Martin Kind ist stolz auf die Zusammenarbeit. "Dieser 'Tatort' gehört einfach nach Hannover", so Kind. Für den Zeitpunkt der Dreharbeiten, genau ein Jahr nach dem Tod von Nationalspieler Robert Enke, gab es anfangs auch Kritik. "Mit Enke", versichert NDR-Fernsehspielchef Christian Granderath, habe dieser "Tatort" jedoch "überhaupt nichts zu tun".

In erster Linie wollen die Macher die Zuschauer sensibilisieren. "Wir alle sind ja nicht frei von Vorurteilen", so Maria Furtwängler. Dass es keine schwulen Profis in der Bundesliga gibt, hält sie für unwahrscheinlich.

Tatsächlich müssten rein statistisch fünf bis zehn Kicker der Bundesliga homosexuell sein. Es gibt sie - nur trauen sie sich nicht an die Öffentlichkeit. Grimme-Preisträger Harald Göckeritz kennt diese Spieler. Er hat das Drehbuch zu "Mord in der ersten Liga" geschrieben. Namen nennt er nicht. Er weiß um die Angst der Profis - vor den Fans, vor abspringenden Sponsoren. Er kann es verstehen, dass Spieler ihre Neigung nicht publik machen wollen.

Mag das Thema noch so mutig sein, verrennt sich die gut gemeinte Umsetzung am Ende doch in Klischees. Da hört der schwule Freund Marianne Rosenberg, auch auf Hannover-69-Wortspiele wird nicht verzichtet. Die amourösen Bande, die zwischen Lindholm und dem Undercover-Journalisten Jan Liebermann (Benjamin Sadler) geknüpft werden, wirken recht gewollt und lenken vom Wesentlichen ab.

Immerhin: Der "Tatort" aus Niedersachsen zeigt, wie das Outing eines Bundesliga-Spielers aussehen könnte. "Ich kann und will dem Druck nicht mehr standhalten, ein Doppelleben führen zu müssen", sagt der homosexuelle Fußballprofi Ben Nenbrook, überzeugend gespielt von Luk Pfaff, auf einer Pressekonferenz am Ende des Films. Danach läuft er wieder auf dem Feld auf. Die Reaktionen werden ausgespart. Wie es für den Spieler nach dem Outing weitergeht, bleibt offen. Ein Denkanstoß für Zuschauer und Fans.

Tatort: Mord in der ersten Liga So 20.15 ARD