Der Golfprofi aus Mettmann ist erst der zweite Deutsche, der nun die Weltrangliste anführt. Und der 26-Jährige steht erst am Anfang seiner Karriere.

Marana/Hamburg. Es war ein unspektakulärer Zweimeterputt, mit dem sich Martin Kaymer unsterblich machte. Er benötigte ihn, um das Loch 18 des Wüstenplatzes von Marana (US-Bundesstaat Arizona) mit dem Amerikaner Bubba Watson zu teilen und so mit einem Lochgewinn Vorsprung ("1 auf") zu gewinnen. Kaymer zog damit nicht nur in das Finale der World Matchplay Championship ein, der Sieg über den amerikanischen Longhitter bei der inoffiziellen Weltmeisterschaft beförderte den 26-Jährigen auch auf Platz eins der Weltrangliste. Das Finale der Matchplay Championship in Marana/Arizona gegen den Engländer Luke Donald verlor er allerdings mit 3 und 2. Kaymer spielte am Sonntag mit drei Bogeys und nur zwei Birdies seine schwächste Runde in Marana und zollte anschließend dem Sieger ein großes Lob: „So wie Luke spielt, ist selbst eine ordentliche Leistung nicht gut genug. Ich habe alles versucht, aber ich war einfach nicht so konstant wie zu Beginn des Turniers.“

Das Kunststück, Nummer eins der Weltrangliste zu sein, war zuvor erst einem deutschen Spieler gelungen. Bernhard Langer hatte bei der Einführung der Weltrangliste 1986 als erster Spieler der Golfelite vorgestanden und war drei Wochen lang an der Spitze geblieben. Damals war Kaymer gerade 15 Monate alt. "Erst der zweite Deutsche nach Bernhard zu sein, der mein Vorbild war, als ich aufwuchs, ist ein ganz besonderes Gefühl. Das ist Wahnsinn. Kaum zu glauben, nun Sportgeschichte geschrieben zu haben", sagte Kaymer nach seinem Triumph. Langer hatte schon vorher prognostiziert: "Martin wird einmal die Nummer eins."

Zu diesem Zeitpunkt lag ein harter Tag hinter dem Rheinländer und seinen Kollegen. Wegen schlechter Wetterprognosen waren Viertel- und Halbfinale an einem Tag ausgetragen worden. Kaymer hatte am Vormittag den Spanier Miguel Angel Jimenez "1 auf" bezwungen, und vor dem Halbfinale war klar: Gewinnt er auch diese Begegnung, wird er Lee Westwood als Nummer eins ablösen, der bereits in Runde zwei ausgeschieden war.

Gegen Bubba Watson war die Partie unter den bizarren Kakteen in Arizona lange ausgeglichen. Als Kaymer am 16. Loch aber "2 auf" in Führung ging, war das die Vorentscheidung. Sein Gegner verkürzte auf der nächsten Bahn zwar noch einmal, aber das geteilte Loch 18 brachte die Entscheidung. Kaymers Reaktion war verhalten wie immer: keine Luftsprünge, stattdessen eine kurze Siegerfaust und Händeschütteln mit Watson. "Das ist ein ganz besonderer Tag für mich und meine Familie. Ohne sie hätte ich es niemals an die Spitze der Weltrangliste geschafft, daher widme ich ihr diesen Erfolg", sagte Kaymer anschließend stolz. Im Finale traf er in der Nacht zum Montag (bei Redaktionsschluss noch nicht beendet) auf den Engländer Luke Donald, den wohl besten Spieler der Welt im Eins-gegen-eins-Spiel Matchplay.

Auch Kaymers Vater Horst fieberte, wie schon in der Nacht zuvor, im heimischen Mettmann vor dem Fernseher mit. Kurz nachdem sein Sohn den Sprung an die Spitze der Weltrangliste geschafft hatte, telefonierten die beiden: "Er war zufrieden, aber überhaupt nicht euphorisiert. Er hat erzählt, dass er jetzt noch ins Fitnessstudio und danach etwas essen geht. Und dann früh zu Bett. Sein Bruder fliegt am Montag rüber in die USA, da werden sie sicher feiern gehen", sagte Horst Kaymer gestern dem Abendblatt.

Schon vor zwei Wochen, als Martin Kaymer in Abu Dhabi den Laureus Award als bester Nachwuchssportler erhalten hatte, war die Nummer eins für ihn zum Greifen nah, allerdings hatte er die ersten Chancen ausgelassen, den Golfthron zu erklimmen. Doch es war nur aufgeschoben. "Ich versuche, so viele Turniere wie möglich zu gewinnen. Dann werde ich hoffentlich automatisch irgendwann die Nummer eins. Dass das auf lange Sicht mein Ziel ist, ist doch klar. Aber ich bin erst 26 Jahre alt und hoffe, noch häufiger die Chance dafür zu bekommen", sagte er damals der "Welt am Sonntag" in einem Interview. Nun hat er es geschafft.

"Ich habe es zwar für möglich gehalten, eines Tages einmal Erster zu sein. Doch so früh in meiner Karriere habe ich es nicht erwartet. Deshalb freut mich mein Erfolg umso mehr", sagte Kaymer, der erst Ende 2005 ins Profilager gewechselt war. Branchenkenner wundert der nächste Karrieresprung des Golfstars allerdings wenig. Kaymer gewann im Jahr 2010 sein erstes Majorturnier, die PGA-Championship, stand im siegreichen europäischen Ryder-Cup-Team und führte die Geldrangliste Europas an. Bei seinem ersten Start in diesem Jahr gewann er gleich das Turnier in Abu Dhabi und krönte nun seinen märchenhaften Aufstieg mit dem Sprung auf Platz eins der Weltrangliste. Mehr als zehn Millionen Euro hat er mit seinem Sport bereits verdient.

Doch was kommt nun? Gehen Deutschlands Vorzeigegolfer jetzt die Ziele aus? Wohl kaum. Dem Rheinländer wird es nicht langen, die Weltrangliste kurzzeitig anzuführen. Er will sich jene Dominanz erarbeiten, die große Golfer auszeichnet. "Ich trainiere wirklich sehr gerne, und wenn du etwas mit viel Liebe und Leidenschaft betreibst, dann macht es dir auch Spaß. Je mehr Energie du aufbringst, desto mehr bekommst du letztendlich zurück", sagt Kaymer. Langfristig liebäugelt er mit der Aufnahme in die Hall of Fame, der Ruhmeshalle des Golfsports, in der auch das Bild von Bernhard Langer hängt.

Kurzfristig sind die Ziele des Weltranglistenersten etwas bescheidener. Er hat sie seinem Vater Horst verraten, kurz nach seinem Halbfinalsieg: "Martin hat bei unserem Telefonat spontan gesagt: 'Weißt du was? Ich habe dreimal hintereinander beim US-Masters den Cut verpasst. Diesmal versuche ich, es besser zu machen.'"