Laut Medienberichten stehen nun auch die Bewerbungen von Spanien/Portugal (2018) und Katar (2022) unter Manipulationsverdacht.

Zürich. Fifa-Boss Joseph Blatter gibt im beschämenden Bestechungsskandal den entschlossenen Aufklärer, doch die Zweifel an einer sauberen WM-Vergabe sind größer denn je. Zum Auftakt des Selbstreinigungsprozesses im Fußball-Weltverband wurden nicht nur zwei Spitzen-Funktionäre suspendiert, auch zwei Kandidaten für die Weltmeisterschaften 2018 und 2022 sind ins Visier der Fifa-Aufräumer gerückt. Nach Medienberichten sollen die Bewerbungen von Spanien/Portugal (für 2018) und Katar (für 2022) unter Verdacht stehen. Die Fifa-Ethikkommission untersucht „angebliche Absprachen zwischen Mitgliedsverbänden und ihren Bewerbungskomitees“ im Rahmen des Bewerbungsverfahrens für die Weltmeisterschaften in acht bzw. zwölf Jahren. Dass es sich um die beiden Kandidaten handelt, wollte der Vorsitzende der Ethikkommission, Claudio Sulser, nicht bestätigen.

Fifa suspendiert verdächtige Exekutivmitglieder

Jetzt ist Blatter in den kommenden Tagen, Wochen und Monaten als Kämpfer gefragt: gegen das verheerende Image der Fifa, für die „ordentliche“ Vergabe der WM 2018 und 2022 und natürlich für seine Wiederwahl. Im Juni 2011 will der 74 Jahre alte Schweizer erneut zum Chef des Verbandes gewählt werden und hat deshalb in selten dagewesenem Tempo und alternativloser Härte die Aufarbeitung der Affäre in seinem Haus eingeleitet.

„Unsere Gesellschaft ist voller Teufel und solche Teufel findest du eben auch im Fußball“, sagte Blatter am Mittwoch in der Fifa-Zentrale in Zürich. Sechs „Teufel“ hat er ausgemacht in seinen Reihen: die Exekutivkomitee-Mitglieder Amos Adamu aus Nigeria und Reynald Temarii aus Tahiti wurden suspendiert, weil sie bereit gewesen sein sollen, ihre Stimmen bei der Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 und 2022 zu verkaufen.

Zudem wurden die Funktionäre Slim Aloulou (Tunesien), Amadou Diakite (Mali), Ahongalu Fusimalohi (Tonga) und Ismael Bhamjee (Botsuana) vorläufig von allen „fußballbezogenen Aktivitäten“ ausgeschlossen. Dem Quartett wirft die Fifa Verstöße gegen die Fifa-Statuten sowie den Ethik- und den Disziplinarcode des Verbandes vor - alles im Zusammenhang mit den Entscheidungen über die WM-Vergabe.

Eine „dunkle Wolke“ hänge über dem schmucken „Home of Fifa“ auf dem Zürichberg, schrieb am Donnerstag die englische Tageszeitung „The Times“. Drei Tage nach den explosiven Enthüllungen der „Sunday Times“, deren Reporter sich in Gesprächen mit Adamu und Temarii als amerikanische Geschäftsleute ausgegeben hatten, die die WM in die USA holen wollten, hatten Blatter und die Ethikkommission der Fifa keine andere Wahl als die Suspendierung der beiden Top-Funktionäre.

Das Vertrauen in die Fifa sei erschüttert – „wieder einmal eben“, schrieb der „Tages-Anzeiger“ aus Zürich. Die „Neue Zürcher Zeitung (NZZ)“ formulierte: „Die Fifa und ihr Präsident stehen wieder einmal unter Verdacht“. Wieder einmal war die Lieblingsvokabel der Kommentatoren am Tag nach dem Auftakt der Aufräumarbeiten.

Wie das Internationale Olympische Komitee (IOC) wird auch der Fußball-Weltverband nicht zum ersten Mal von Korruptionsvorwürfen erschüttert, in deren Mittelpunkt nicht selten Blatter selbst stand. Und so wie das IOC vor den Olympischen Winterspielen in Salt Lake City 2002 den Bestechungsskandal in den eigenen Reihen aufarbeitete, will nun auch die Fifa ausmisten. Eine externe Untersuchung sei nicht nötig, sagte Sulser.

„Die Untersuchungen sind auf jeden Fall die richtigen Maßnahmen. Das deutet auf Entschlossenheit hin, etwas aufzuklären“, sagte IOC- Vizepräsident Thomas Bach. Viel Zeit bleibt nicht mehr. Die Suspendierung der beiden „Regierungsmitglieder“ gilt zunächst für 30 Tage und kann für weitere 20 Tage verlängert werden. Bei einer weiteren Sitzung der Ethik-Kommission zwischen dem 15. und 17. November soll erneut beraten werden. Dann fällt die Entscheidung, ob Adamu und Temarii bei der Vergabe der WM-Turniere mitstimmen dürfen. An dem Termin 2. Dezember soll vorerst festgehalten werden.

Für 2018 konkurrieren Belgien/Niederlande, England, Russland und Spanien/Portugal. Für 2022 treten die außereuropäischen Kandidaten USA, Katar, Südkorea, Japan und Australien an.

Blatter stehen stürmische Wochen bevor – doch um seinen Posten muss er nicht fürchten. „Das wird ihm nicht gefährlich. Das wird seine Position eher stärken, weil er sofort die richtigen Schritte eingeleitet hat“, sagte IOC-Vize Bach in Acapulco. Die „NZZ“ schrieb: „Blatters Integrität steht im laufenden Prozess nicht zur Debatte - was allerdings nicht heißt, dass sie über alle Zweifel erhaben ist.“