Nach jahrelangen Gerüchten hat es Alberto Contador erwischt. Danach bestätigte der Weltverband auch die positive A-Probe von Mosquera.

Geelong/Madrid. Der Radsport hat durch den Dopingfall Alberto Contador und die positive A-Probe von Ezequiel Mosquera die letzten Reste an Glaubwürdigkeit verloren. Dazu kann sich sein Dachverband UCI einmal mehr nur schwer gegen den Vorwurf wehren, gemeinsame Sache mit den Topstars zu machen. Die positiven Befunde von Superstar Contador und dem Vuelta-Zweiten Mosquera haben die Problembranche zurück in den Dopingsumpf gestürzt. Kurz nach der Contador-Sperre wegen Clenbuterol-Dopings bestätigte die UCI die positive A-Probe Mosqueras, der auf der 18. Vuelta-Etappe mit HES erwischt wurde, was die Zahl der roten, Sauerstoff transportierenden Blutkörperchen steigert.

„Es ist ein klarer Fall von Lebensmittelverunreinigung“, erklärte Contador am Donnerstag auf einer Pressekonferenz im Madrider Vorort Pinto, „ich bin traurig und enttäuscht, aber ich halte den Kopf oben.“ Verseuchtes Fleisch und unsaubere Lebensmittel seien die einzige Möglichkeit für das Clenbuterol in seinem Körper. Der spanische Tour-de-France-Sieger wurde bei einer Kontrolle während der Frankreich-Rundfahrt 2010 positiv auf die verbotene Substanz getestet und vom Weltverband UCI vorläufig gesperrt. Sollte Contador seinen Tourtitel verlieren, wäre er nach dem US-Amerikaner Floyd Landis 2006 bereits der zweite Tour-Champion, dem der Triumph nachträglich aberkannt wird.

Bei einem „längeren Gespräch“ mit der UCI am 26. August – zwei Tage nachdem er vom Doping-Vorwurf erfahren hatte – habe der Verband laut Contador bereits von Lebensmittelverunreinigung gesprochen und ihm damit die Verteidigungslinie vorgegeben. „Danach war ich ständig in Kontakt mit der UCI“, offenbarte er. Kritiker werfen der UCI vor, auch bei der Causa Lance Armstrong stets zum Verdächtigten gehalten zu haben. Ominöse Geldspenden an den Verband durch Armstrong konnten selbst durch UCI-Chef Pat McQuaid nicht schlüssig erklärt werden.

Contador hat seine Saison bereits beendet und präsentierte in einem Hemd in unschuldigem Weiß seine Verteidigungsstrategie. Andere Teilnehmer der Tour hätten das verseuchte Fleisch ebenfalls gegessen, seien aber nicht zu einem Dopingtest zitiert worden. Die bei ihm festgestellte Clenbuterol-Dosis sei extrem niedrig gewesen. Daher sei es ausgeschlossen, dass es sich um Doping handele, beteuerte er.

Die Urinprobe, die zum positiven Resultat führte, wurde am 21. Juli, dem zweiten Ruhetag der diesjährigen Tour, entnommen, bestätigte die UCI am Rande der WM in Geelong/Australien. Das Dopinglabor in Köln habe „eine sehr geringe Konzentration“ des Clenbuterols, nur 50 Picogramm (0,00000000005 Gramm pro Milliliter), gefunden.

Die UCI erklärte weiter, der Fall verlange wissenschaftliche Untersuchungen, bevor Schlussfolgerungen gezogen werden könnten. Das würde Zeit brauchen. Laut ARD wusste die UCI seit zwei Monaten von dem Vorfall und sprach von weiteren Verdachtsmomenten gegen Contador, die auf Blutdoping hinweisen könnten. Wilhelm Schänzer, Leiter des Kölner Doping-Labors, wollte sich am Donnerstag dazu nicht äußern. Contador, dessen Name 2006 schon auf der Kundenliste des mutmaßlichen Doping-Arztes Eufemiano Fuentes stand, dann aber plötzlich wieder verschwand, droht eine zweijährige Sperre.

Selbst die geringste Clenbuterol-Konzentration würde für Sanktionen ausreichen, stellte unterdessen David Howman, Generaldirektor der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA), klar. „Das ist keine Substanz, bei der es einen Grenzwert gibt“, sagte Howman. „Clenbuterol wird seit mehr als 20 bis 30 Jahren verwendet. Niemand hat jemals gesagt, man kann es unbeabsichtigt zu sich nehmen.“

Der spektakuläre Fall des derzeit erfolgreichsten Profis macht sämtliche UCI-Versuche, mit intensivierten Testmaßnahmen und Millionen-Ausgaben das Skandalimage loszuwerden, mit einem Schlag zunichte. Nach der vermeintlich dopingfreien Tour 2009 und dem Giro 2010 ohne Doping-Schlagzeilen hält bereits das aufsehenerregende Ermittlungsverfahren in den USA gegen den siebenmaligen Tour-Sieger Armstrong den Radsport in Atem.

In der vergangenen Woche hatte sogar IOC-Präsident Jacques Rogge den Radsport als einen internationalen Verband gelobt, der „das meiste“ im Anti-Doping-Kampf leiste. Radsport habe einen festen Platz bei Olympia, betonte der belgische Chef des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). „Wenn es stimmt, sind es tatsächlich enttäuschende Nachrichten. Aber es zeigt auch, dass das UCI- Testprogramm funktioniert“, sagte Rogge am Donnerstag.

Der frisch gekürte Zeitfahr-Weltmeister Fabian Cancellara nannte den Fall Contador „vorerst nur Polemik und Gerüchte“ Der Schweizer, der David Millar und Tony Martin („ein trauriger Tag für den Radsport“) in Geelong auf die Plätze verwies, riet zum „Abwarten, was sich wirklich herausstellt.“ Der Schotte Millar, der wegen EPO-Dopings selbst zwei Jahre gesperrt war, prophezeite: „Contador hat große Chancen, ein Urteil zu bekommen im Zweifel für den Angeklagten, weil die positive Analyse schwer nachvollziehbar ist.“ Contador sei im Gelben Trikot jeden Tag getestet worden „und nur einmal positiv“.

Der Spanier, der Kritik einstecken musste, weil er die Tour mit jenen 39 Sekunden Vorsprung gewann, die er Andy Schleck bei einem Defekt in den Pyrenäen abgenommen hatte, verließ im August das Team Astana – und unterschrieb beim Saxo Bank-Sun Guard-Team. „Scheiß unglücklich“, kommentierte sein neuer Teamchef Bjarne Riis, der selbst zugegeben hatte, bei seinem Toursieg 1996 gedopt gewesen zu sein. Jetzt könnte der Däne, der für 2011 alles auf Contador setzte, ohne Topfahrer dastehen.