17 Jahre nach Bernhard Langers zweitem Masters-Sieg gewinnt wieder ein Deutscher eins der vier wichtigsten Golfturniere.

Hamburg. Am viertletzten Loch musste Martin Kaymer dann doch einen Blick aufs Leaderboard werfen. Er hatte es eigentlich vermeiden wollen, um sich nicht verrückt zu machen, aber als er nun seinen Namen ganz oben aufblinken sah, sagte er seinem Caddie: "Egal, was noch passiert, ich führe erstmals bei einem Major-Turnier. Und es fühlt sich ziemlich cool an." Diese Gemütslage trifft in etwa die Wahrnehmung, die Deutschland von seinem derzeit besten Golfprofi bisher hatte. Aber natürlich war Kaymer, 25, überhaupt nicht cool auf seiner Schlussrunde bei der 92. US PGA Championship in Kohler, Wisconsin. Er war, wie er später zugab, sogar ziemlich nervös, was ihm keiner verdenken kann. Die Kunst im Golf besteht ja gerade darin, den Adrenalin-Ausstoß gewissermaßen in die richtigen Bahnen zu lenken. Und am Sonntag beherrschte diese Kunst keiner so wie Kaymer.

Am dritten Extraloch genügte dem gebürtigen Düsseldorfer, der inzwischen einen Großteil des Jahres in Arizona lebt, sogar ein Bogey zu seinem ersten ganz großen Titel. Bubba Watson, sein US-Kontrahent im Stechen, hatte den Ball erst ins Wasser und dann aus dem Bunker gegen die Lochstange geschlagen. Dustin Johnson hatte zuvor seine Chancen mit zwei Strafschlägen an der letzten Bahn verspielt: Der Amerikaner hatte beim Ansprechen des Balles den Schläger regelwidrig im Sand eines Bunkers abgesetzt, den er irrtümlich für einen Trampelpfad hielt.

Kaymer fand Johnsons Missgeschick "sehr traurig", aber sollte er sich deshalb für seinen Coup entschuldigen? Von einer Sensation zu sprechen wäre in dem Zusammenhang übertrieben. Im Grunde genommen hat die Golfwelt ja auf diesen Erfolg gewartet, seit Kaymer 2006 auf der drittklassigen deutschen EPD-Tour mit einer spektakulären 59er-Runde aufhorchen ließ. Derartiges war selbst Bernhard Langer, dem bis dato einzigen deutschen Sieger eines der vier Major-Turniere, nicht gelungen.

Nach 288 Schlägen hatte Kaymer am Sonntag auch den letzten Vergleich mit dem 52-jährigen Golfpionier bestanden, dem er trotz seiner Masters-Siege 1985 und 1993 ohnehin nie nachgeeifert hat: "Klar, bei dem, was Langer erreicht hat, ist er natürlich ein Vorbild. Aber mein großes Idol bleibt Ernie Els. Wie er den Schläger schwingt - ich liebe diesen Typen." Der Südafrikaner Els hat in Kohler den 18. Platz belegt, er befand sich damit in prominenter Gesellschaft mit dem Weltranglistenersten Tiger Woods (28.) und Phil Mickelson (12.), dem es abermals misslang, Woods vom Thron zu stoßen.

Nicht einmal vier Jahre hat Kaymer seit dem Aufstieg in die höchste Spielklasse für seinen ersten Major-Titel benötigt, den vor ihm erst ein Europäer, der Ire Padraig Harrington 2008, gewinnen konnte. Er hat ihm 1,35 Millionen Dollar Prämie und Platz fünf der Weltrangliste eingebracht. Für den Ryder-Cup im Oktober in Newport (USA), den zweijährlich stattfindenden Vergleich der besten Golfer Europas und Amerikas, ist Kaymer sicher qualifiziert, während Woods auf eine Wildcard hoffen muss. In der Saisonrangliste der Europatour hat Kaymer dank mehr als zwei Millionen Euro Preisgeld sogar die Führung übernommen.

"Für Golf-Deutschland, vor allem für die jungen Spielerinnen und Spieler ist das unbeschreiblich", jubelte Hans Joachim Nothelfer, Präsident des Deutschen Golf-Verbandes: "Es ist sehr wichtig, ein Vorbild zu haben. In Martin Kaymer finden sie es." Für den Sport mit dem kleinen weißen Ball könnte Kaymer eine ähnliche Wirkung entfalten wie einst Boris Becker für das Tennis oder Michael Schumacher für die Formel 1. Und natürlich beflügle so ein Erfolg auch die deutschen Ryder-Cup-Ambitionen für 2018, wie Langers Bruder Erwin als Geschäftsführer der Bewerbungsgesellschaft bestätigen konnte. Das ist reichlich Verantwortung für einen, der die jüngste Generation Golf vertritt - seit Woods' Sieg beim Masters 1997 war kein Major-Gewinner jünger.

Kaymers Name ist auf der mächtigen Wanamaker Trophy jetzt neben den ganz Großen der Szene eingraviert. "Wow, das ist echt cool, mich jetzt neben so Legenden wie Jack Nicklaus oder Arnold Palmer zu sehen." Sie alle zeichnete aus, was Bernhard Langer gestern in seiner Glückwunschbotschaft würdigte: "Er hat vier Tage lang die Kraft gehabt, alles zu bündeln, um sich auch noch im Stechen durchzusetzen." Eine solche Situation gemeistert zu haben, da war sich auch Martin Kaymer sicher, werde ihn wappnen bis zum Ende seiner Karriere, das in weiter Ferne liegen dürfte. Das nächste Turnier aber kann warten. Kaymer verabschiedete sich mit Freundin Alison Micheletti in einen dreiwöchigen Karibikurlaub.