Sportgespräch mit Diskuswerfer Markus Münch und seinem Trainer Rolf Danneberg vor der Leichtathletik-EM in Barcelona.

Hamburg. Die Frage Fisch oder Fleisch ist schnell beantwortet. Diskuswerfer sind Fleischfresser. Markus Münch, 24, und sein Trainer Rolf Danneberg, 57, der Olympiasieger von 1984 in Los Angeles, bestellen Rumpsteak, 300 Gramm, mit Bratkartoffeln und Salat. "Eiweiß und Vitamine, das passt in meinen Ernährungsplan", sagt Münch, 132 Kilo schwer, 2,07 Meter groß. Bei den Leichtathletik-Europameisterschaften in Barcelona - vom 27. Juli bis 1. August - will er am kommenden Wochenende mindestens den Endkampf der besten acht erreichen.

Mit seiner persönlichen Bestweite aus diesem März von 65,37 Meter liegt der Student der Sportwissenschaften, der für die LG Wedel/Pinneberg startet, auf Platz zehn der europäischen Jahresbestenliste. Die führt der Olympiasieger von Peking, Gerd Kanter, 31, aus Estland, mit 71,45 Metern an, der Berliner Weltmeister Robert Harting, 25, ist Vierter (68,69 Meter).

Abendblatt: Herr Münch, bedauern Sie es, dass die Leichtathletik-Europameisterschaften im Sommer und nicht im Frühjahr stattfinden?

Markus Münch : Weil ich meine besten Weiten immer zu Saisonbeginn werfe? Das ist einfach zu erklären: Am Saisonanfang kann es weit gehen, beim Saisonhöhepunkt muss es weit gehen. Im Frühjahr habe ich die Lockerheit, die mir im Sommer bisher fehlt.

Rolf Danneberg : Die Ursachen haben wir noch nicht komplett ergründet. Markus machen Gräser schwer zu schaffen, er leidet unter Heuschnupfen, der scheint ihn, wenn es wärmer wird, stark zu behindern. Aber er ist auch ein junger Athlet, der erst wenige Wettkämpfe auf höchstem Niveau bestritten hat. Nervosität befällt vor einem Großereignis fast jeden. Zu meiner Zeit gab es einen Nationalmannschaftskollegen, der hat sich am Vortag stets volllaufen lassen. Das empfehle ich Markus allerdings nicht.

Sondern?

Danneberg : Sich nur auf den Ablauf des Wurfes und nicht auf irgendwelche Weiten zu konzentrieren. Dann kommen die von ganz allein.

Zuletzt, Herr Münch, waren Ihre meisten Versuche ungültig, bei den deutschen Meisterschaften in Braunschweig fünf von sechs. Sie wurden mit 59,18 Meter nur Dritter. Was passt nicht?

Münch: Wie ich meine Kraft in Technik umsetze. Diskuswerfen ist ein höchst komplexer Bewegungsablauf. Unter Stress fehlen mir noch die nötigen Automatismen, die Sicherheit.

Danneberg : Markus' Zubringerleistungen sind hervorragend. Er reißt 140 Kilo beim Gewichtheben, nur zehn weniger wie ich in meinen besten Zeiten. Seine Kraftwerte sind zum Teil besser als die eines Kanters oder Hartings. Markus bringt alle athletischen und körperlichen Voraussetzungen mit, schauen Sie sich nur seine Spannweite an, um um Medaillen zu werfen. Technisch ist das aber noch mehr Wollen als Können. Da fehlt ihm die Routine von mehr als 50 000 Würfen, die du als Weltklassewerfer brauchst.

Oder mangelt es doch eher an dem einen oder anderen Pillchen? Diskuswerfer standen ja lange unter Generalverdacht. Weltmeister Robert Harting hatte sogar die Freigabe von Doping ins Gespräch gebracht. Erwarten Sie in Barcelona einen sauberen Wettkampf?

Münch : Ich kann es nur hoffen. Bei dem einem oder anderen macht man sich schon seine Gedanken.

Danneberg : Ich würde für niemanden meine Hand ins Feuer legen.

Herr Münch, Sie haben sich in den vergangenen zwei Jahren um mehr als sechs Meter verbessert. Da haben manche auch die Stirn gerunzelt.

Münch : Das empfand ich als höchst unfair. Das Kontrollsystem in Deutschland ist nahezu perfekt. Ich muss den Kontrolleuren über jede Stunde am Tag zwischen 6 und 23 Uhr im Voraus Rechenschaft ablegen, wo ich mich aufhalten werde; zum Beispiel, dass ich mit Ihnen am Abend auf dem Schlachthof essen gehe - was ich übrigens schlicht vergessen habe.

Müssen Sie jetzt nach Hause?

Münch : Nein, nein. Treffen sie mich nicht dort an, wo ich es ihnen gemailt oder gesimst habe, oder ich kann nach dem Anruf des Kontrolleurs nicht innerhalb einer Stunde an diesem Ort sein, was ich von hier aus schaffe, erhalte ich beim ersten Mal eine Verwarnung, im Wiederholungsfall eine Sperre. Diese Einschränkungen der Persönlichkeitsrechte sind der Preis für sauberen Sport. Das akzeptiere ich. In Osteuropa oder den USA herrschen andere Verhältnisse. Da werden Kontrollen mit den Athleten schon mal abgesprochen. Chancengleichheit bestünde, wenn überall Rahmenbedingungen wie in Deutschland und Teilen Nord- und Mitteleuropas herrschten. Meine Forderung wäre: Dopingsünder sollten lebenslang gesperrt werden und nicht beim ersten Verstoß nur zwei Jahre.

Was halten Sie von Hartings Vorstoß?

Münch : Robert hat sich ja klar gegen Doping ausgesprochen. Leistungssteigernde Mittel kommen für mich allein schon wegen der ungeklärten Nebenwirkungen nicht infrage. Die gesundheitlichen Folgen des Hochleistungssports sind ohnehin schwer abzuschätzen, Doping würde die bestehenden Risiken exponentiell verstärken. Da wäre man körperlich viel schneller verschlissen. Nach dem Ende meiner Karriere möchte ich mich noch halbwegs schmerzfrei bewegen können.

Das haben Sie nicht geschafft, Herr Danneberg.

Danneberg :Meine Knie sind vom Diskuswerfen kaputt, als Berufskrankheit wurde mir das vor Gericht jedoch nicht anerkannt. Das werfe ich den Verbänden ja vor. Da wird so viel Geld zur Dopingbekämpfung ausgegeben, aber zur gesundheitlichen und Altersabsicherung der Athleten kein müder Cent. Da hört man immer nur irgendwelche Absichtserklärungen. Passiert ist bisher nichts. Für andere Profisportler zahlen die Vereine Beiträge zur Berufsgenossenschaft, die dann im Schadensfall den Sportlern eine Rente zahlt. Athleten in den olympischen Sportarten, die ohnehin kaum etwas verdienen und meistens keine Altersvorsorge treffen können, treiben ihre Disziplin auf eigenes Risiko. Das ist ungerecht.

Herr Münch, können Sie vom Diskuswerfen leben?

Münch : Ich wohne bei meinen Eltern in Hasloh, das senkt schon mal die Lebenshaltungskosten. Mein Verein zahlt mir eine Aufwandsentschädigung, was für diesen kleinen Klub einen Kraftakt darstellt. Ich erhalte zudem Geld von der Sporthilfe und Sachleistungen von zwei Sponsoren. Und manchmal gewinne ich bei Sportfesten Preisgelder. Ich will mich nicht beklagen, schließlich werfe ich Diskus aus Leidenschaft.

Haben Sie schon mal über einen Vereinswechsel nachgedacht? Der HSV lässt sich seine Leichtathleten neuerdings wieder etwas kosten.

Münch : Der HSV setzt zurzeit auf Weitspringer und Hürdenläufer. Angebote habe ich bislang nur von anderen Vereinen erhalten, zum Beispiel eines aus Wattenscheid.

Werden Sie Hamburg verlassen?

Münch : Ein Vereinswechsel in der Leichtathletik bedeutet ja nicht gleichzeitig einen Umzug. Im nächsten Jahr möchte ich mein Studium an der Universität Hamburg abschließen, so lange werde ich auf jeden Fall hier wohnen bleiben.

Ihr Weggang wäre ein Rückschlag für den Leichtathletik-Standort Hamburg. Da entsteht doch gerade etwas.

Münch: In der Tat hat sich hier in den vergangenen zwei Jahren eine leistungsstarke Gemeinschaft mit guten Trainern entwickelt. Wir kommen alle bestens miteinander aus, machen viel gemeinsam, tauschen uns fachlich aus, sind ständig über Handy oder Facebook in Kontakt. Das macht richtig Spaß.

Danneberg : Das ist kein Vergleich zu den Zeiten vor 20, 30 Jahren, als ich aktiv war. Da war ich meistens der einzige Leistungssportler, ein Exot. Die Bedingungen von heute hätte ich mir damals gewünscht. Die Leichtathletik-Trainingshalle an der Krochmannstraße ist optimal, der Kraftraum auch. Was fehlt ist ein Unterstand zum Diskuswerfen auf der Wurfwiese neben der Jahnkampfbahn, damit man auch bei schlechtem Wetter ohne Verletzungsgefahr draußen trainieren kann. Überall in Ostdeutschland gibt es so was, in Hamburg nicht. Dabei kostet so ein Unterstand in schlichter Ausführung nicht mehr als 6000 oder 7000 Euro.

Hamburg muss sparen .

Danneberg : Da hätte ich viele andere Vorschläge. Wenn die Stadt Leistungssport will, und das Bekenntnis gibt es ja von den Politikern, dann muss man konsequent sein und optimale Bedingungen herstellen. Sonst sollte man es lieber gleich bleiben lassen.