Lange dominierte der Rekordweltmeister, dann das Eigentor von Melo. Sneijder drehte die Partie. Die Niederlande steht im Halbfinale.

Port Elizabeth. Adeus „Seleção“ - der Rekordweltmeister hat ausgespielt: Die Niederländer haben Brasiliens Traum vom sechsten Titel platzen lassen und können nun erstmals selbst den WM-Thron besteigen. Im Viertelfinal-Schlager von Port Elizabeth drehte das Oranje-Team am Freitag ein schon verlorengeglaubtes Spiel und zog durch das 2:1 (0:1) gegen am Ende nur noch zehn Brasilianer zum vierten Mal ins WM-Halbfinale ein. Dort trifft der zweimalige Vize-Weltmeister am kommenden Dienstag in Kapstadt im Kampf um den Einzug ins Endspiel auf den Sieger der Partie Uruguay - Ghana.

Dribbelkünstler Robinho hatte die Südamerikaner vor 40 186 Zuschauern im Nelson-Mandela-Bay-Stadion bereits in der 10. Minute mit seinem zweiten Turniertor in Führung gebracht, doch nach dem Seitenwechsel kippte die Partie. Felipe Melo, der Wesley Sneijders hohe Hereingabe ins eigene Netz verlängerte (53.), und Sneijder (68.) selbst per Kopfball sorgten für den zweiten Viertelfinal-K.o. der Brasilianer nacheinander. Die zweite WM-Niederlage gegen Holland nach 1974 vor Augen verlor Felipe Melo die Nerven und sah nach einem bösen Tritt gegen Arjen Robben in der 73. Minute die Rote Karte.

Der erste echte WM-Knaller stand eine Stunde lang im Zeichen des fünfmaligen Weltmeisters, der erstmals in Südafrika sein Potenzial ausschöpfte und den ambitionierten „Oranjes“ die Grenzen aufzeigte. Carlos Dungas Mischung aus Künstlern und Kämpfern spielte nach vorne endlich den ersehnten Samba-Fußball und machte hinten mit Lucio und Juan den Laden dicht. Doch nach dem Patzer von Schlussmann Julio Cesar vor dem Ausgleich war es mit der Sicherheit vorbei - die „Seleção“ brach in der Folge zusammen wie ein Kartenhaus.

Plötzlich bestimmten die Niederländer das Geschehen. Robben, der sich in seinem 50. Länderspiel lange Zeit in zahlreichen Zweikämpfen aufgerieben hatte, belebte die Offensive und Sneijder „explodierte“ förmlich. Bondscoach Bert van Marwijk hatte kurzfristig auf Innenverteidiger Joris Mathijsen verzichten müssen, der nach dem Warmmachen über Kniebeschwerden klagte. Für den Hamburger rückte Andre Ooijer ins Team.

Erstmals im Turnier setzte die „Seleção“ von Beginn an auf Offensive und verwöhnte die Fans mit schwungvoll vorgetragenen Angriffen. Nach einem wunderschönen Pass von Felipe Melo in die Schnittstelle der „Oranje“-Abwehr hatte Robinho freie Bahn zum Tor und überwand Maarten Stekelenburg aus zwölf Metern zur frühen Führung. Dabei stimmte die Zuordnung bei den Niederländern überhaupt nicht, denn Robben musste hinter dem Torschützen herlaufen und beschwerte sich anschließend zurecht bei seinen Teamkollegen.

Den schnellen Ausgleich verhinderte Brasiliens Keeper Julio Cesar, der den Schuss von Dirk Kuyt (11.) aus spitzem Winkel zur Ecke lenkte. Doch das gefälligere Spiel bot weiter Dungas Elf, auch wenn Superstar Kaka zunächst nur selten in die Aktionen eingebunden wurde. Der Ex-Leverkusener Juan verpasste in der 25. Minute knapp das 2:0, als er Dani Alves' Hereingabe aus sechs Metern über den Kasten jagte.

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Sechs Minuten später folgte Kakas erster großer Auftritt: Nach Robinhos Dribbling und Hackentrick von Luis Fabiano zog der 28- Jährige aus 16 Metern einfach ab, Stekelenburg holte den platzierten Schuss mit den Fingerspitzen aus dem Winkel. Dann verpasste Verteidiger Maicon (45.) mit einem Schuss ans Außennetz das eigentlich verdiente zweite Tor für die „Seleção“.

Mit mehr Power kamen die Holländer zum zweiten Durchgang aus den Kabinen, doch zum Ausgleich benötigten sie Glück und die Mithilfe von Julio Cesar. Der Schlussmann von Champions League-Sieger Inter Mailand verschätzte sich bei der weiten Flanke von Sneijder, Felipe Melo gab dem hohen Ball den letzten Tick und lenkte ihn mit dem Kopf ins eigene Netz. Und die Schockwirkung bei den Brasilianern hielt an. Als Kuyt den Eckball von Robben per Kopf verlängerte, stand Sneijder goldrichtig und beförderte das Spielgerät zum 2:1 in die Maschen. Das mögliche 3:1 verpasste Robben (84.).

Die Statistik

Niederlande: 1 Stekelenburg - 2 van der Wiel, 3 Heitinga, 13 Ooijer, 5 van Bronckhorst - 6 van Bommel, 8 de Jong - 11 Robben, 10 Sneijder, 7 Kuyt - 9 van Persie (ab 85. Huntelaar). - Trainer: van Marwijk

Brasilien: 1 Julio Cesar - 2 Maicon, 3 Lucio, 4 Juan, 6 Michel Bastos (ab 62. Bastos) - 13 Dani Alves, 8 Gilberto Silva, 5 Felipe Melo - 10 Kaka - 9 Luis Fabiano (ab 77. Luis Fabiano), 11 Robinho. - Trainer: Dunga

Schiedsrichter: Yuichi Nishimura (Japan)

Tore: 0:1 Robinho (10.), 1:1 Melo (53./Eigentor), 2:1 Sneijder (68.)

Zuschauer: 42.000 in Port Elizabeth

Beste Spieler: van Bommel, Kuyt, Sneijder - Dani Alves, Kaka

Rote Karte: Felipe Melo (Brasilien) nach einer Tätlichkeit (73. )

Gelbe Karten: Heitinga, van der Wiel (2), de Jong (2), Ooijer - Michel Bastos

Schüsse: 10:15

Ballbesitz : 51%:49%