Nach dem Olympia-Nominierungsstreit konzentrieren sich die Hamburgerinnen Kathrin Kadelbach und Friederike Belcher aufs Segeln.

Strande. So richtig fühlte sich das Training gestern für Kathrin Kadelbach und Friederike Belcher nicht wie Training an. Die Sonne tauchte die Bucht vor dem Kieler Olympiazentrum in warmes Licht, von Nordosten wehte eine angenehme Brise, kurzum: Es war einer dieser herrlichen Tage, an denen es auf der Welt unmöglich etwas Schöneres geben kann, als Wassersportler zu sein. Zumal es gestern lediglich darum ging, sich für Foto- und Videoaufnahmen des BMW-Yachtsportteams in Szene zu setzen. Und weit und breit keine Trillerpfeife zu hören war.

Ihr Ton ist seit Januar zum festen Begleiter der beiden Hamburger 470er-Seglerinnen geworden. Die Pfeife gehört Ruslana Taran. Die 41 Jahre alte Ukrainerin, dreifache olympische Medaillengewinnerin, will Kadelbach, 28, und Belcher, 30, als neue Trainerin für die Spiele in London fit machen. Nicht immer bleibt es bei Pfiffen. "Auf dem Wasser kommt es teilweise zu Geschrei bis hin zu Tränen", berichtet Belcher. "Es fühlt sich manchmal richtig fies an."

Das Ergebnis aber kann sich sehen lassen. Beim Weltcup Anfang April vor Mallorca traf das Team des Norddeutschen Regatta Vereins inmitten der Weltelite als Dritter im Ziel ein. Auch bei der WM vergangene Woche in Barcelona konnte man sich konstant im Vorderfeld platzieren. Dass am Endeetwas die Puste ausging und nicht mehr als Platz zwölf heraussprang, beunruhigt Kadelbach nicht weiter: "Das war aufs harte Training zurückzuführen." Anstatt millimeterweise am Boot zu trimmen, gehe es Taran um die elementaren Dinge: das Gefühl für die Eigenschaften der Jolle, taktische Grundregeln, um die psychologische Herangehensweise an eine Regatta. "Wir sind dem Ziel, bei Olympia vorn mitzusegeln, ein deutliches Stück näher gekommen", sagt Kadelbach. Die mitunter raue Gangart der Trainerin nehme sie dafür gern in Kauf.

+++ Seglerstreit hat nur Verlierer +++

Was sind auch schon ein paar grelle Pfiffe, verglichen mit den Misstönen und Anfeindungen, denen sie und Belcher zuletzt an Land ausgesetzt waren? Monatelang hatten sie sich für ihre Olympiaqualifikation rechtfertigen müssen, in den Medien, in Seglerkreisen, sogar vor Gericht. Tina Lutz und Susann Beucke hatten die Nominierung des Deutschen Segler-Verbandes angefochten, weil sie im entscheidenden Ausscheidungsrennen, der WM aller olympischen Bootsklassen im Dezember in Perth (Australien), von Kadelbach/Belcher taktisch ausgebremst worden waren. Ende April schließlich hatte das Landgericht Hamburg dieNominierung bestätigt. Inzwischen haben sich die Wogen geglättet. "Der Streit ist beigelegt", sagt Kadelbach.

+++ Willkommensfeier für das Olympiateam in Hamburg +++

Lutz/Beucke verzichteten auf eine Berufung vor dem Oberlandesgericht. Man habe sich ausgesprochen, berichtet Belcher, mehr noch: Sie und Kadelbach hätten ihre bayerischen Widersacherinnen gebeten, sie bei der Vorbereitung auf die Spiele als Sparringspartner im Training zu unterstützen. Dazu wird es dann doch nicht kommen. Lutz und Beucke haben sich entschieden, im Hinblick auf die Spiele in Rio 2016 in die neue olympische Skiffklasse 49er FX umzusteigen.

Und so werden Kadelbach/Belcher beim Weltcup im olympischen Revier vor Weymouth im Juni allein das deutsche 470er-Segel hochhalten. Das Bootsmaterial, hergestellt in der Hamburger Werft von Belchers Vater, wird bereits Anfang kommender Woche nach Südengland gebracht und verbleibt dort bis zur olympischen Regatta. Auf die Kieler Woche (16. bis 20. Juni) verzichten die beiden Hamburgerinnen.

Sie wollen sich lieber bei einer Trainingsregatta mit reduziertem Teilnehmerfeld Ende Juni noch besser mit den Bedingungen in Weymouth vertraut machen. An ihnen sind schon manche Könner verzweifelt. Der Hamburger Ullrich Libor, Gewinner zweier Olympiamedaillen im Flying Dutchman, erinnert sich nur ungern an die WM 1974: "Es war enorm schwierig. Die Strömungsverhältnisse und die drehenden Winde in Weymouth sind extrem."

Kathrin Kadelbach sieht das nicht als Nachteil: "Wir sind ein Allroundteam, uns kommen wechselnde Bedingungen sogar entgegen." Eines scheint festzustehen: Größere Turbulenzen als in den vergangenen Monaten drohen ihr und Belcher selbst in Weymouth nicht.