Für die Richter des Internationalen Sportgerichtshofes stand die Doping-Schuld Ullrichs außer Frage. Ergebnisse seit 2005 annuliert.

Lausanne. Das Kapitel Jan Ullrich ist geschlossen. Der Internationale Sportgerichtshof Cas hat den deutschen Tour de France-Sieger von 1997 des Dopings schuldig gesprochen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Ullrich gegen die Anti-Doping-Regeln verstoßen hat. Ullrich ist bislang der einzige Deutsche, der die große Frankreich-Rundfahrt gewinnen konnte. Er wurde nun am Donnerstag zu einer zweijährigen Sperre rückwirkend vom 22. August 2011 verurteilt. Das höchste Sportgericht in Lausanne annullierte zudem sämtliche Ergebnisse Ullrichs seit dem 1. Mai 2005. Somit verliert Ullrich auch seinen dritten Platz bei der Tour 2005.

Wie die Richter am Donnerstag in Lausanne mitteilten, sei eine Verstrickung Ullrichs in die Doping-Affäre um den spanischen Mediziner Eufemiano Fuentes bewiesen. Einen Antrag des Rad-Weltverbands UCI, Ullrich lebenslang von allen Aktivitäten im Radsport auszuschließen, wies der CAS ab, sperrte den früheren Telekom-Star aber für zwei Jahre. Der einzige deutsche Tour-de-France-Sieger (1997) sei kein Wiederholungstäter, meinte das Gericht. Der heute 38-Jährige hat Doping bislang stets bestritten und seine aktive Karriere bereits im Februar 2007 beendet.

Der erste Dopingvergehen des gebürtigen Rostockers im Jahr 2002 sei durch eine Einnahme von Amphetaminen außerhalb der Wettkampfzeit zu erklären. Eine Verstoß sei hier aber nur gegeben, wenn dies während der Wettkampfzeit geschehe, schrieb der CAS in der Urteilsbegründung.

Nach Ansicht des CAS ist eine Zusammenarbeit Ullrichs mit Fuentes spätestens zum 1. Mai 2005 bewiesen. Ullrich verliert durch den Schiedsspruch seinen dritten Platz bei der Tour de France 2005, dazu den Gesamtsieg bei der Tour de Suisse 2006 und Etappensiege bei Tour de Suisse 2005 und der Deutschland-Tour im selben Jahr. Die Frankreich-Rundfahrt hatte Ullrich 1997 gewonnen. Für die Zukunftspläne des 38-Jährigen, der seine Laufbahn im Februar 2007 beendet hatte, ist das Urteil nicht von Bedeutung. Der CAS hatte den Schiedsspruch zuvor dreimal hinausgeschoben.

Der Heidelberger Dopingexperte und Ullrich-Intimfeind Werner Franke spart nicht mit Kritik an dem Urteil. „Ich lache mich kaputt über die CAS-Richter und den Sport, der sich mit Dopingsündern verbündet. Das Urteil war seit Jahren überfällig und ist viel zu weich für all das Zeug. Jan Ullrich ist über 20-mal alleine zum Blutdoping zu Fuentes gefahren“, sagte der 71-Jährige und attackierte Ullrich zugleich scharf. „Wegen der ungeheuerlichen Lügen dieses Herrn Ullrich habe ich viereinhalb Jahre prozessiert. Aber der gemeine Germane toleriert ja Lügen sehr gerne. Ich hätte mir zumindest eine Entschuldigung von Ullrich erwartet“, sagte Franke noch vor einer Stellungnahme der früheren Rad-Idols.

Mit dem Urteil ist nach mehr als fünf Jahren der Fall des einstigen deutschen Radstars beendet. Seine Verwicklung in die als Operacion Puerto bekannt gewordene Affäre war einen Tag vor dem Start der Tour de France 2006 aufgedeckt worden. Der CAS hatte den Schiedsspruch in den letzten Monaten dreimal hinausgeschoben.

Zuvor hatte der CAS einem Einspruch des Radsportweltverbandes UCI gegen den Schweizer Radverband und das Schweizer Olympische Komitee Swiss Olympic Ende November 2011 stattgegeben. Swiss Olympic hatte die Ermittlungen gegen Ullrich 2009 mit der Begründung eigestellt, keine „Disziplinargewalt“ zu haben. Der CAS hatte allerdings befunden, dass Swiss Olympic auch nach dem Karriereende für Ullrich, der zuletzt eine Schweizer Rennlizenz besaß, zuständig sei.

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Anders als Alberto Contador fühlte sich Ullrich durch die CAS-Entscheidung nicht ins Unglück gestürzt. Im Gegenteil: Der 38-Jährige wertete das Urteil im Vorfeld als überfällige Gelegenheit für einen Schlussstrich unter seine wechselvolle Profikarriere. Spätestens bis Freitag will sich Ullrich zum CAS-Verdikt äußern. „Die Anwälte prüfen das Urteil“, sagte Ullrich-Manager Falk Nier am Donnerstag der Nachrichtenagentur dpa. An seiner persönlichen Vergangenheitsbewältigung hat Ullrich mit Hilfe seiner Berater lange feilen können – das Urteil der Kammer in Lausanne war ähnlich wie im Fall Contador immer wieder verschoben worden.

Der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) zeigte sich in einer Reaktion „froh“, dass das Verfahren nach jahrelangen Verhandlungen endlich sein Ende gefunden hat. „Wir konzentrieren unsere Kräfte nun voll auf die Zukunft des deutschen Radsports und die Vorbereitungen auf die Olympischen Spiele“, sagte Vizepräsident Udo Sprenger.

Ullrich, der nach seinem Tour-Sieg 1997 zum Darling der deutschen Fans und Medien aufstieg, lebt seit Jahren in Scherzingen auf der Schweizer Seite des Bodensees und hielt bis 2006 die Schweizer Profilizenz.

Nachdem er 2010 an einem Burnout-Leiden erkrankt war, tastete sich der Olympiasieger von Sydney unter Leitung eines neuen Managements im Vorjahr vorsichtig zurück in die Öffentlichkeit. Im Sommer zeigte er sich als Hobbyfahrer beim Ötztal-Marathon wieder im alten Metier - und wurde von den eingefleischten Fans bejubelt. Zuletzt wagte sich der frühere „Sportler des Jahres“ beim Ball des Sports in Wiesbaden auch wieder auf das große Parkett.

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Einen Tag vor dem Urteil wirkte der Familienvater auf einem PR-Termin in Bielefeld so gelöst und locker, wie man ihn aus aktiven Zeiten nicht kannte. Bei der Präsentation hatte der Firmen-Geschäftsführer Eduard Dörrenberg die Lacher auf seiner Seite: Der Werbespruch des neuen Ullrich-Partnerunternehmens Alpecin („Doping für die Haare“) stünde in keinem Zusammenhang mit dessen Engagement, ließ er wissen.

„Für mich ist das ein Glückstag. Egal, wie es ausgeht: Ich hoffe auf ein faires Urteil“ , hatte Ullrich in Bielefeld erklärt. Dort hatte er am Mittwoch angekündigt, nach dem Urteil „noch einmal Stellung zu nehmen und dann hak’ ich das Thema ein für alle mal ab.“

Dass er in der Vergangenheit nicht immer alles richtig gemacht hat, weiß Ullrich selbst. „Mit Fehler meine ich, dass ich vielleicht früher hätte etwas sagen müssen“, unterstrich er bei dem PR-Termin. „Das wird sich alles aufklären.“ Er hätte sechs Jahre auf das Urteil warten müssen. „Ich habe sehr viel leiden müssen, bis hin zum Burnout. Das ist eine langwierige Geschichte, die mit dem Urteil für mich abgeschlossen ist. Der Urteilsspruch wird nichts an meiner Zukunft ändern“, hatte er am Mittwoch gesagt.

Mit Material von sid und dpa