Der HSV-Weitspringer wurde vor einem halben Jahr von einer Verletzung gestoppt. Anfang Juli will er in Eugene (USA) sein Comeback geben.

Hamburg. Das mit Christian Reif hat Sebastian Bayer gestern früh eher zufällig erfahren. 8,27 Meter weit war der Ludwigshafener am Sonntag in Hengelo gesprungen. "Das freut mich tierisch, Konkurrenz belebt das Geschäft", sagt Bayer. Er weiß jetzt, dass er nicht allein wäre bei den Leichtathletik-Europameisterschaften Ende Juli in Barcelona. Ansonsten aber beschäftige er sich nicht weiter mit dem, was die Kollegen so machen, außer bei seiner Freundin Carolin Nytra natürlich, der Hürdensprinterin. Er habe schließlich seine eigenen Sorgen, und die kreisen um keine geringere Frage als die, ob die Saison für ihn eine verlorene wird.

Seit einem halben Jahr hat Bayer keinen Sprung mehr gemacht. Seinerzeit waren erneut Beschwerden am Grundgelenk des zweiten linken Zehs aufgetreten. Die Verletzung hatte ihn schon bei den Weltmeisterschaften im August in Berlin behindert, wo er nach seinem Europarekordsprung auf 8,71 Meter bei der Hallen-EM als große Goldhoffnung angetreten und dann in der Qualifikation hängen geblieben war. Bayer wurde danach operiert, "offenbar erfolgreich", wie es hieß. Zwei Knorpelsplitter wurden entfernt. Die Schmerzen am Sprungfuß aber waren immer noch da. Warum, habe ihm niemand beantworten können. "Und ich kann da ja nicht reingucken."

Inzwischen startet Bayer, 23, für den Hamburger SV, oder besser: Er würde es nur zu gern tun. Frühestens am 3. Juli, so ist der Plan, wird er beim Diamond-League-Meeting in Eugene (USA) seinen ersten Wettkampfsprung machen, aus verkürztem Anlauf. Vielleicht wird er aber auch erst Mitte Juli bei den deutschen Meisterschaften in Braunschweig einsteigen. Zur Not würde er es auch bei einem einzigen Satz bewenden lassen und sich die übrigen für Barcelona aufsparen. Als Qualifikation sind zwar zwei Wettkämpfe über acht Meter gefordert, doch sollten nicht drei deutsche Athleten dieses Kriterium erfüllen, wäre schon ein Versuch auf die internationale Normweite von 7,90 Metern ausreichend.

Sebastian Bayer mag solche Rechenspiele eigentlich nicht. Er hofft, dass ihn der gute Eindruck der letzten Trainingswochen nicht täuscht: "Im Moment habe ich keine Beschwerden, wenn nichts dazwischenkommt, sieht es gut aus." Aber natürlich hat er sich bislang nicht voll belastet. An seinem Wohnsitz in Bremen hat er Gewichte gestemmt, im portugiesischen Monte Gordo ist er in einem Spezialschuh Treppen hochgerannt. "Das war schon beeindruckend", erzählt der Hamburger Bundestrainer Uwe Florczak. Aber ein Sprint mit Spikes sei eine ganz andere Welt - vom Springen nicht zu reden.

Schritt für Schritt tastet sich Bayer nun wieder an sein Metier heran, immer in Abstimmung mit den Trainern und Physiotherapeuten, die er mehrmals die Woche aufsucht. Ende Juni will er den ersten Trainingssprung riskieren. Er sagt: "Die nächsten zwei, drei Wochen werden entscheidend. Das ist ein Tanz auf Messers Schneide, aber ich glaube, dass die Zeit für mich spielt."

Würde nur das Talent entscheiden, dann gäbe es wohl niemanden, der ihm in Barcelona gefährlich werden könnte. Bayer gilt als Instinktspringer, der nur wenige Versuche braucht, um in Tritt zu kommen. Und die Kraftwerte sind, bedingt auch durch das eingeschränkte Training, so gut wie noch nie. "Wenn es danach ginge, würde ich Rekord springen. Das ist gut zu wissen", sagt Bayer, "aber zu einem guten Sprung gehört auch anderes dazu."

Sein eigener Körper könnte in Barcelona der schwerste Gegner werden. Bei der WM in Berlin hat er versucht, ihn mit Schmerzmitteln zu besiegen, was er rückblickend bereut. Sein Körper ist schließlich auch das Kapital, von dem der Hauptgefreite der Bundeswehr spätestens seit seinem Rekordsprung und dem Wechsel nach Hamburg gut leben kann.

Sebastian Bayer ist nicht bereit, es für einen Europameistertitel aufs Spiel zu setzen: "Die EM ist ein Highlight", sagt er, "aber mein Hauptaugenmerk liegt auf den Olympischen Spielen 2012 in London." Spätestens dann sollte er endlich wieder unbeschwert springen können.