Wien. Als Thierry Omeyer begann nachzudenken, war es bereits zu spät, um die eigene Leistung noch in sinnvolle Worte zu fassen. Er sei einfach nur stolz darauf, Teil dieser Mannschaft zu sein, bekannte der Torhüter des THW Kiel nach dem EM-Finale. Für alles Weitere, dafür, dass Frankreichs Handballer soeben dank eines 25:21-(12:12)-Sieges gegen Kroatien eine historische Tat vollbracht hatten und er der gefeierte Mann war, für all das fiel Omeyer nur noch das Wort ein, das Sportler immer benutzen, wenn sie eigentlich sprachlos sind: "Wahnsinn!"

Es wird wohl noch lange dauern, bis den Hauptdarstellern die Dimension ihrer Leistung bewusst wird. Denn der gestrige war ein Sieg für die Ewigkeit. Frankreich hat nun nach dem Olympiasieg 2008 und dem WM-Triumph 2009 alle drei großen Titel inne. Das ist zuvor noch nie einer Mannschaft gelungen. Und wie schon im Vorjahr in Zagreb haben sie sich beim gestrigen Finale in Wien auch gegen eine klare kroatische Übermacht unter den Zuschauern behauptet.

"Die Ära der Unbesiegbaren", jubelte die Sportzeitung "L'Equipe". Die beiden bis zum Finale ungeschlagenen Mannschaften boten ein Endspiel mit allen Attraktionen des Handballs: Die Torhüter Omeyer und Mirko Alilovic glänzten mit tollen Paraden, die Spielmacher Nikola Karabatic (Frankreich) und Ivano Balic (Kroatien) zauberten mit raffinierten Anspielen, und auch die Abwehrreihen blieben sich nichts schuldig.

Zunächst bestimmte Kroatien die Partie unter der nicht immer souveränen Leitung der deutschen Schiedsrichter Bernd und Reiner Methe aus Vellmar. Beim 4:2 (10.) führte der WM-Zweite (mit den Hamburgern Igor Vori, Domagoj Duvnjak und Blazenko Lackovic) erstmals mit zwei Toren. Diesen Rückstand machte der Weltmeister beim 6:6 (15.) wieder wett, ehe die Kroaten sich beim 12:9 (28.) gar auf drei Tore absetzen konnten. Allerdings glichen die Franzosen bis zu Pause wieder aus.

Nach Wiederanpfiff drehte der Olympiasieger und Weltmeister auf, enteilte entscheidend auf 17:13 (38.), musste aber trotzdem bis zum Ende zittern. HSV-Kapitän Guillaume Gille sorgte schließlich eineinhalb Minuten vor Schluss mit seinem Tor zum 25:20 für die Entscheidung.

Zuvor hatte sich Island mit Bronze die zweite Medaille bei einem großen Turnier nach Silber bei den Olympischen Spielen 2008 gewonnen. Die Nordeuropäer setzten sich im Spiel um Platz drei gegen Polen mit 29:26 (18:10) durch. "Das ist ein neues Kapitel in der Handballgeschichte Islands", sagte Trainer Gudmundur Gudmundsson. Polen, für das HSV-Profi Krzysztof Lijewski dreimal und sein Bruder Marcin einmal trafen, blieb die erste EM-Medaille verwehrt.

Die Isländer hatten am Sonnabend ihr Halbfinale gegen Frankreich mit 28:36 (14:16) verloren, die Polen gegen Kroatien mit 21:24 (10:9) den Kürzeren gezogen. Der entthronte Titelverteidiger Dänemark sicherte sich durch ein 34:27 (18:13) gegen Spanien Platz fünf. Die deutsche Mannschaft war als enttäuschender Zehnter bereits vor dem Finalwochenende abgereist.

Als wertvollster Spieler des Turniers wurde der Tscheche Filip Jicha vom THW Kiel ins All-Star-Team gewählt, dem mit HSV-Kreisläufer Vori, Slawomir Szmal (Polen) und Olafur Stefansson drei weitere Bundesliga-Spieler angehören.