Der HSV-Torhüter leitet das Comeback ein. Das Team von Heiner Brand holt sieben Tore Rückstand auf. Morgen reicht ein Punkt gegen Schweden.

Innsbruck. Als Holger Glandorf seinen Mut zusammenrauft, läuft die zehnte Minute in der Innsbrucker Olympiahalle. Die deutschen Handballer liegen gegen Slowenien im zweiten Vorrundenspiel der Europameisterschaft mit 0:4 zurück, obwohl Johannes Bitter, der vortreffliche Hamburger Schlussmann, seinen 2,04 Meter großen Körper dreimal in höchster Not zwischen Ball und Tor gebracht hat. Und nun nimmt sich also Glandorf einen Wurf und legt den ganzen Groll hinein, der sich in seinen schmalen Körper hineingefressen hat, und wuchtet den Ball ins Tor, endlich. Groll über eine Leistung, die deshalb denkwürdig ist, weil sie bis auf die Bitters jeder Qualität entbehrt. Die Abwehr - nicht existent. Der Angriff - schiere Verzweiflung. "B-Jugend-Pässe" wird Bitter seinen Mannschaftskollegen später attestieren.

Nun wird man nicht behaupten können, dass Deutschland beim 25:27 gegen Polen einen guten Start ins Turnier erwischt hatte. "Aber dass es noch schlechter geht, damit war nicht zur rechnen", sagte Bundestrainer Heiner Brand, "so kann man nicht Handball spielen." Der entscheidende Unterschied zum Auftaktspiel war, dass seine Mannschaft am Ende, trotz bis zu sieben Toren Rückstand, beim 34:34 (11:16) gegen die Mannschaft von Zvonimir Serdarusic wenigstens einen Punkt mitnehmen konnte. "Damit können wir zufrieden sein", sagte Bitter. Denn das Ergebnis erhält zumindest die Chance aufrecht, im abschließenden Gruppenspiel gegen Schweden morgen (18.15 Uhr/ARD) in die Hauptrunde einzuziehen. Ein Unentschieden reicht dafür. Mehr kann, mehr darf man von dieser Mannschaft nicht erwarten.

Was mit ihr möglich ist, hat Brand gestern versucht. Er ließ den slowenischen Spielmacher Uros Zorman in Manndeckung nehmen, er stellte zwei Kreisläufer auf und beförderte Rückraumschütze Lars Kaufmann phasenweise zum Spielmacher. Aber letztlich hat seine Mannschaft am Ende nur das ausgespielt, was sie im Übermaß hat: Kraft, Kampfgeist, Athletik. "Wir haben das Herz in die Hand genommen", sagte Michael Kraus. Sie haben damit in den letzten zehn Minuten einen Fünftorerückstand wettgemacht und all das, was ihnen die Slowenen an handballerischen Tugenden voraushaben.

"Wir hatten gegen Ende mehrfach die Chance, das Spiel zu entscheiden", haderte Kiels früherer Meistertrainer Serdarusic, "aber Bitter wäre nicht Bitter, wenn er in diesen Situationen nicht freie Bälle halten würde." Der HSV-Mann ist einer der wenigen Pfeiler, auf denen Brand seine Mannschaft in Österreich aufbauen kann. Kapitän Kraus hat die Fähigkeit dazu, aber nicht die Form, für Glandorf gilt das Gleiche. Gestern war es Christoph Theuerkauf, der in die Bresche sprang. Siebenmal traf der Magdeburger Kreisläufer bei acht Versuchen. Und auch Michael Müller schöpfte seine Möglichkeiten im rechten Rückraum als fünffacher Torschütze weitgehend aus. "Sie waren eine Belebung für unser Spiel", lobte Brand.

Oft konnte man nach dem Spiel den Satz hören, dass man auf der Leistung der zweiten Halbzeit aufbauen könne. "Aber es spricht für uns, dass wir uns dann nicht einfach den Hintern haben versohlen lassen, sondern zurückgekommen sind", findet der Hamburger Linksaußen Torsten Jansen, zweifellos einer der Guten in diesem schlechten Spiel der Deutschen.

So richtig das ist, so offen bleibt die Frage, warum die Leistung der ersten Halbzeit mit schauderhaft noch freundlich umschrieben wäre. "So kleine Wunder gibt es nicht oft", mahnte Brand, "wir werden uns steigern müssen." Dem ist nichts hinzuzufügen.