Deutschland unterliegt Polen mit 25:27. Die Auswahl verlor nicht nur das Spiel, sondern auch HSV-Rechtsaußen Stefan Schröder.

Innsbruck. Die Ratlosigkeit hatte an diesem Abend viele Gesichter. Das von Manuel Späth zum Beispiel. In der 23. Minute hatte er den Ball zwischen den Fingern, endlich einmal. Späth hatte lange auf diesen Moment warten müssen, weil seine Mitspieler keinen Weg durch die polnische Deckung gefunden hatten. Und nun wandte der Göppinger also seinen Körper Richtung Tor, genau wie ein Kreisläufer es tun sollte, er sprang ab und traf. Doch als Späth zurücklaufen wollte, wurde er von den Schiedsrichtern gestoppt: zwei Minuten Zeitstrafe. Späth hatte überhört, dass die Unparteiischen zuvor auf Stürmerfoul erkannt hatten.

Man kann darüber streiten, ob die Entscheidung richtig war. Und doch sagt diese Szene viel aus über den misslungenen Start der deutschen Handballer in die Europameisterschaft in Österreich. 50 Minuten lang unterließen sie gegen den WM-Dritten das, was das moderne Angriffsspiel ausmacht: Tempogegenstöße, schnelle Kombinationen, überlegte Abschlüsse. Als sie schließlich anfingen, Handball zu spielen, war es bereits zu spät. Das Ergebnis fiel am Ende mit 25:27 (8:12) glimpflich aus.

Das gefühlte Defizit drückte sich eher in der persönlichen Bilanz von Lars Kaufmann aus, einem der vielen ratlosen Gesichter. Siebenmal traf der Göppinger, doch er benötigte dafür 18 Versuche, von denen man nur die wenigsten als vorbereitet bezeichnen kann. Kaufmann soll bei dieser EM den angeschlagenen Hamburger Pascal Hens auf der Königsposition im halblinken Rückraum ersetzen. Gestern konnte er es nicht. "Aber ohne ihn ist es noch schwieriger", sagt sein Mitspieler Michael Müller.

Der schlechte Eindruck, den man in der Vorbereitung von dieser Mannschaft gewinnen konnte, bestätigte sich auf fatale Weise. "Wir haben viel zu viele Angriffe abgeschlossen, ohne dafür zu arbeiten", klagte Bundestrainer Heiner Brand, "scheinbar waren wir mit dem Druck überfordert. Daraus müssen wir lernen."

Eine EM ist dafür die schlechteste Gelegenheit. Kein Turnier ist stärker besetzt, und selten verzeiht es mehr als eine Fehlleistung. Eine Niederlage heute gegen Slowenien (18.30 Uhr/ZDF), und diese EM wäre für den Weltmeister von 2007 sportlich schon gelaufen. "In dieser schweren Gruppe wäre es kein Wunder, wenn Deutschland am Sonnabend wieder zu Hause wäre", sagt Torhüter Johannes Bitter.

Die Hamburger Nummer eins ist eine der wenigen Ansatzpunkte, die diese Mannschaft hat, um sich selbst aus dem Leistungsloch zu ziehen. Bitter wehrte, obwohl erst vor drei Wochen am Ellbogen operiert, 39 Prozent aller Würfe ab, allemal genug für einen Sieg. Doch Bitter war der Einzige, dessen Leistung man als EM-würdig bezeichnen kann. Kapitän Michael Kraus konnte schon deshalb keine Führung ausüben, weil Brand ihn lange auf der Bank ließ und stattdessen Michael Haaß als Spielmacher aufbot. "Eine taktische Maßnahme, um die Abwehr zu stabilisieren", erklärte Brand. Holger Glandorf legte im rechten Rückraum ein eindrückliches Zeugnis seiner Formkrise ab.

"Ab jetzt", erkannte Kraus, "ist jedes Spiel ein Endspiel." Seine Mannschaft wird dabei wohl ohne Stefan Schröder auskommen müssen. Der HSV-Rechtsaußen verletzte sich kurz vor der Halbzeit beim Versuch, den Ball mit einem Hechtsprung zu erobern. Schröder wurde mit Verdacht auf Trommelfellriss ins Krankenhaus eingeliefert. "Kampfgeist wird nicht reichen", ahnte Brand, "wir müssen auch den Kopf einsetzen." Er sah dabei ziemlich ratlos aus.

Gruppe A: Russland - Ukraine 37:33, Kroatien - Norwegen 25:23. Gr. B: Dänemark - Österreich 33:29, Island - Serbien 29:29. Gr. C: Deutschland - Polen 25:27, Schweden - Slowenien 25:27. Gr. D: Spanien - Tschechien 37:25, Frankreich - Ungarn 29:29.