Zvonimir Serdarusic war einst der Erfolgstrainer in Kiel, jetzt will er sich mit Slowenien allein auf die Europameisterschaft konzentrieren.

Innsbruck. Als die unvermeidliche Frage kommt, zieht Zvonimir Serdarusic die Augenbrauen hoch, und man könnte denken, die Falten, die sich in sechs Jahrzehnten tief in seine Stirn gegraben haben, seien noch ein bisschen tiefer. Er wolle sich jetzt allein auf diese Europameisterschaft konzentrieren, knurrt er schließlich, und dass ihn alles andere nicht interessiere. Nicht, wie man ihn in Deutschland wahrnehme, wo sein Name untrennbar mit dem größten Skandal der Handballgeschichte verbunden ist. Und auch nicht, wie er, der einstige Erfolgstrainer des THW Kiel, dieses für ihn schwierigste letzte Jahr verarbeitet hat.

Serdarusic (59), Kroate mit deutschem Pass, will an diesem Montagabend im Hotel "Grauer Bär" nur über das reden, was er "meine große Liebe" nennt und derentwegen er einst als 18-Jährige von zu Hause ausgebüxt sei: den Handball. Die EM in Österreich ist sein erstes großes Turnier als Nationaltrainer der Slowenen. Heute Abend (18.30 Uhr/ZDF) trifft er in der Vorrunde auf die deutsche Mannschaft. In der Qualifikation gab es das Duell bereits zweimal, beide Male gewann Deutschland. Aber der Trainer der Slowenen hieß damals noch nicht Serdarusic. "Mit ihm wird unser Handball einen Aufschwung erleben", sagt der frühere Bundesligaprofi Roman Pungartnik, der jetzt als Sportdirektor für den slowenischen Verband arbeitet. "Alle wissen, was es heißt, bei ihm zu trainieren."

Auf den ersten Blick fällt es schwer, sich vorzustellen, wie ein Mann, der in Deutschland den Handball in eine schwere Krise gestürzt hat, in Slowenien für Aufbruchstimmung sorgen soll. Die Kieler Staatsanwaltschaft ermittelt seit Monaten wegen Beihilfe zur Untreue gegen Serdarusic. Noch immer steht der Vorwurf unwidersprochen im Raum, der THW Kiel habe sich den Champions-League-Sieg 2007 durch Schiedsrichterbestechung erkauft. Die Rolle des Trainers dabei wirft viele Fragen auf, die man sich in Slowenien offenbar einfach nicht stellt. "Die Sache hat uns nicht interessiert", gibt Pungartnik (38) zu. "Ich kenne ihn, ich weiß, was er kann. Ich glaube ihm."

In Kiel war Serdarusic einst Pungartniks Lehrmeister. Seine Erfolge - in eineinhalb Jahrzehnten beim THW gewann er 25 bedeutende Titel - überstrahlen in der Wahrnehmung der Slowenen bei Weitem die Schatten der Manipulationsaffäre. "Ich hatte noch nie einen Trainer, der so viel vom Handball versteht", schwärmt Renato Vugrinec (34). Vor drei Jahren hatte der Weltklasse-Linkshänder seine Nationalmannschaftskarriere nach Querelen mit dem Verband beendet. Serdarusic und Pungartnik überzeugten ihn und andere Alt-Internationale zurückzukehren. Die personellen Ressourcen seien nun einmal begrenzt in einem Land, das kaum mehr Einwohner als Hamburg hat. "Jetzt sind wir mit dem Besten hier, was es im slowenischen Handball gibt", sagt Pungartnik. Keiner ist verletzt, keiner hat abgesagt. Was fehle, sei Zeit.

Nur drei Wochen blieben Serdarusic, um die Mannschaft auf die EM vorzubereiten, "für einen Vereinstrainer wäre das viel zu wenig". Er habe sich im Training auf das Wesentliche beschränkt, um erst mal einen Schritt voranzukommen. Serdarusic sagt: "Normalerweise würden wir unter den besten acht, wenn nicht sechs Mannschaften Europas stehen." So aber sei der Plan ein langfristiger: Bei den Olympischen Spielen in London 2012 wollen die Slowenen um die Medaillen mitspielen.

Die Medien in der Heimat würden das schon für diese EM erwarten, berichtet Serdarusic. Sie sehnen sich nach Erfolgen wie 2004, als die Nationalmannschaft bei der EM im eigenen Land Silber gewann und RK Celje die Champions League gewann. Serdarusic übernimmt nach der EM auch diesen Vorzeigeklub. Er hätte damit gern noch bis zum Sommer gewartet, um sein Rückenleiden auszukurieren. Oft habe er es ohne Schmerztabletten kaum in die Halle geschafft. "Aber dann kommen die Tage, an denen man nichts tut. Dann wird es mir langweilig." Und dann konnte er eben doch nicht Nein sagen, als das Angebot aus Celje kam. Zumal viele ehemalige Legionäre den Weg in die slowenische Liga zurückgefunden haben.

Jetzt gehe es ihm zum ersten Mal seit Langem wieder ganz gut, berichtet Serdarusic. Er habe seit zehn Tagen keine Tablette mehr gebraucht. Und die Arbeit fülle ihn aus. Die Pause im vergangenen Jahr sei fürchterlich gewesen. "Ich hoffe, so was passiert mir nie wieder." Das hätte auch eine Antwort auf die unvermeidliche Frage sein können.