Einen Monat vor Beginn der Winterspiele: Welche Athleten können Medaillen aus dem olympischen Feuer holen?

Hamburg. Wenn es nach Thomas Bach ginge, dann "könnte es schon morgen losgehen: Alles in Vancouver wirkt gut vorbereitet", sagt der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Genau einen Monat vor der Eröffnung der Winterspiele ist die kanadische Gastgeberstadt startklar. Für die deutsche Delegation gilt das nur eingeschränkt: Einige der Medaillenkandidaten suchen noch nach ihrer Form.

In Turin 2006 waren es die Biathleten und Bobfahrer, die die Medaillen aus dem olympischen Feuer holten. Welche Heldengeschichten werden in Vancouver geschrieben, welche neu aufgelegt? 44 Athleten hat der DOSB bereits benannt. Insgesamt 150 werden es nach der letzten Nominierungsrunde am 22. Januar sein. Das Abendblatt hat die Form überprüft und die Medaillenchancen ausgelotet.

Biathlon: Für Michael Greis, mit drei Goldmedaillen 2006 der König der Skijäger, könnte es zumindest in der Staffel erneut zu einer Medaille reichen, wenn auch wohl nicht zur goldenen. Die haben diesmal nur die Frauen mit Kati Wilhelm, Magdalena Neuner, Andrea Henkel und Simone Hauswald im Fadenkreuz.

Bob: Im Hochgeschwindigkeitskanal von Whistler ist für Thomas Florschütz und Karl Angerer, aktuell Zweiter und Dritter im Weltcup, etwas drin. Im großen Schlitten rast André Lange unbeirrt seinem dritten Olympiasieg in Folge entgegen. Nach Anlaufschwierigkeiten mit neuem Gerät vertraut der Thüringer nun wieder auf Material der Berliner Edelschmiede FES - mit Erfolg. Bei den Frauen melden die im Weltcup führende Titelverteidigerin Sandra Kiriasis und die bereits viermal siegreiche Cathleen Martini Medaillenansprüche an.

Curling: Die Frauen um Skip Andrea Schöpp sind nach 1998 und 2002 zum dritten Mal qualifiziert - und nehmen sich als amtierender Europameister berechtigterweise mehr vor, als nur dabei zu sein. Für die von Andreas Kapp angeführten Männer gab es zuletzt bei der WM 2007 eine (silberne) Medaille. Das olympische Motto der Curler könnte lauten: Alles kann, nichts muss.

Eishockey: Den Nachweis ihrer Zweitklassigkeit erbrachten die deutschen Männer bei der WM 2009 in der Schweiz, die sie auf einem Abstiegsplatz beendeten. Nur als Gastgeber der WM 2010 dürfen sie in der A-Gruppe verbleiben. Die deutschen Frauen haben erstmals seit 1998 die Olympia-Qualifikation verpasst.

Eiskunstlauf: Zweimal waren sie Weltmeister - in Vancouver trachtet das Traumpaar Aljona Savchenko/Robin Szolkowy nach der olympischen Krone. Doch die Goldmission der Weltranglistenersten wurde in der Vorbereitung durchkreuzt: Savchenko erkrankte an einem grippalen Infekt. Wie weit er die gebürtige Ukrainerin zurückgeworfen hat, wird sich bei der EM nächste Woche in Tallinn zeigen. Für alle anderen gilt das olympische Motto.

Eisschnelllauf: Sechs Medaillen will der deutsche Verband aus dem Olympic Oval schürfen, und wie immer sollen es die Frauen richten. Weltrekordlerin Jenny Wolf ist über 500 Meter Topfavoritin, auf den längeren Strecken hegen Daniela Anschütz-Thoms und Stephanie Beckert Ansprüche, auch Anni Friesinger-Postma kommt nach Knieproblemen allmählich in Fahrt. Für die Vorstellung der deutschen Männer im Olympiawinter fand Frauen-Bundestrainer Markus Eicher nur ein Wort: "katastrophal".

Nordische Kombination: Tino Edelmann und Björn Kircheisen haben in dieser Saison bereits gewonnen, auch Eric Frenzel ist für eine Medaille gut. Olympiasieger Georg Hettich und Exweltmeister Ronny Ackermann kämpfen dagegen noch um die Qualifikation.

Rodeln: Wer auf einen Sieg der Rodlerinnen wettet, sollte keine hohe Gewinnquote erwarten. Tatjana Hüfner, Natalie Geisenberger und Anke Wischnewski belegen im Weltcup die Plätze eins bis drei. Doch Vorsicht: Bei der WM 2009 drang die US-Amerikanerin Erin Hamlin unversehens in die deutsche Domäne ein. Bei den Männern hoffen der zweimalige Weltmeister David Möller und der aktuelle Titelträger Felix Loch, im Weltcup auf Platz drei und vier, aufs Podium. Für die traditionelle deutsche Doppelsitzer-Medaille kommen gleich zwei Gespanne infrage: André Florschütz/Torsten Wustlich als Weltcupführende sowie die Altmeister Patric Leitner/Alexander Resch, die zum Auftakt zweimal siegreich waren.

Shorttrack: Gut, dass es kommende Woche in Dresden eine Europameisterschaft gibt. So haben die deutschen Shorttracker Gelegenheit, Selbstbewusstsein für den Weg nach Vancouver zu tanken. Im Weltmaßstab nämlich sehen sie wie alle Europäer auf der Kurzbahn nur die Kufen der führenden Nationen Kanada, Südkorea, China und USA. Für eine Überraschung könnte allenfalls Robert Seifert sorgen, nachdem er beim abschließenden Weltcup in Marquette (USA) im November das B-Finale über 500 Meter gewann und Fünfter wurde.

Skeleton: Zwei echte Hoffnungsläufe aus deutscher Sicht. Kerstin Szymkowiak feierte in dieser Weltcupsaison schon zwei Saisonsiege, Weltmeisterin Marion Trott stand dreimal auf dem Podium. Anja Huber gewann den Saisonauftakt in Park City, verletzte sich dann am Sprunggelenk. Zuletzt kam aber auch sie wieder in Tritt. Bei den Männern konnten Frank Rommel und Michi Halilovic bereits gewinnen, Nachwuchsfahrer Sandro Stielicke fuhr als dreimaliger Zweiter nur knapp am Sieg vorbei.

Ski alpin: Weltmeisterin Kathrin Hölzl ist im Riesenslalom für eine Medaille gesetzt. Maria Riesch ist von der Abfahrt bis zum Slalom fast alles zuzutrauen, wenn sie rechtzeitig aus ihrem kleinen Formtal findet. Schwester Susanne setzt auf den Slalom. Bei den Männern hat sich einzig Felix Neureuther qualifiziert, Medaillenchancen hat er kaum.

Ski-Freestyle: Simon Stickl greift mit der Empfehlung eines Weltcupsiegs in der neuen Disziplin Skicross an.

Skilanglauf: Ein Ergebnis wie in Turin (vier Medaillen) erscheint fast außer Reichweite. Bei den Männern darf man vor allem auf Axel Teichmann hoffen, bei den Frauen nur auf die Staffel.

Skispringen: Martin Schmitt chronisch erschöpft, die anderen flügellahm - von den deutschen Adlern sind in Kanada keine großen Sprünge zu erwarten. Allenfalls im Teamwettbewerb könnte es zu einer Medaille reichen - wenn sich Schmitt rechtzeitig erholt.

Snowboard: 2006 gewann Amelie Kober sensationell Silber im Parallelriesenslalom. Vier Jahre später wäre selbst Gold für die Weltcupführende keine Überraschung. Bei den Männern lässt die Saison wenig Gutes erwarten.