Der NBA-Profi der Dallas Mavericks über einen schwarzen Sommer, Weihnachten in Texas, seinen Nachbarn George W. Bush und seine Zukunft.

Dallas. Mit Dirk Nowitzki zu sprechen bedeutet zunächst mal eins: warten. Warten auf den Basketballsuperstar vor dem Spiel der Dallas Mavericks gegen die Phoenix Suns, warten nach dem Spiel in der Umkleidekabine und auch warten nach dem Training am darauffolgenden Tag. Doch Geduld wird auch in Texas belohnt: Nowitzki erscheint schließlich gut gelaunt zum offiziellen Termin, wirkt entspannt und scheint auch den stürmischen Sommer, als seine damalige Freundin Crystal Taylor von FBI-Mitarbeitern in seiner Villa verhaftet wurde und wegen Diebstahls und Betrugs nun fünf Jahre hinter Gittern verbringen wird, vergessen zu haben.

Abendblatt : Herr Nowitzki, ein turbulentes Jahr liegt hinter Ihnen. Haben Sie den Rummel um Ihre Person und Ihre ehemalige Verlobte, die mittlerweile im Gefängnis sitzt, vollständig überwunden?

Dirk Nowitzki: Im Sommer musste ich zunächst mal aus Dallas weg. Für mich war es wichtig, Abstand zu gewinnen. Jeden Tag kamen neue Sachen ans Tageslicht. Als wir in den Play-offs ausgeschieden sind, bin ich schnell zurück nach Deutschland geflogen und habe dort meine Familie eingepackt, um für zwei Wochen nach Griechenland zu fahren. Wir haben vor allem geredet. Alle hatten natürlich viele Fragen. Sie waren ja nicht da, als das alles passiert ist. Diese Zeit war extrem wichtig für mich. Sie hat mich auf andere Gedanken gebracht.

Abendblatt : Wie gehen Sie heute mit der Enttäuschung um?

Nowitzki: Am Anfang dachte ich, das werde ich nie los und muss jede Minute meines Lebens an diese Beziehung denken. Aber nach dem Griechenland-Urlaub ging es mir schon besser. Jetzt schaue ich nur nach vorne. Ich freue mich auch auf neue Abenteuer außerhalb des Spielfelds. Mein Traum wird immer eine eigene Familie bleiben. Dieser Traum ist jetzt vielleicht ein bisschen ins Hintertreffen geraten. Aber dass er für immer zerstört ist, glaube ich auf keinen Fall.

Abendblatt: Wie feiern Sie in diesem Jahr Weihnachten?

Nowitzki: Meine Eltern kommen für fast zwei Wochen zu Besuch. Seit meinem zweiten oder dritten Jahr in der Liga machen wir das schon so, und es ist immer eine richtig schöne Zeit für mich. Weil auch meine Schwester mit ihren zwei Kindern vorbeischaut, ist "Full House" angesagt. Und zum Glück haben wir mit den Mavericks spielfrei. Letztes Jahr war das anders. Da haben wir am 25. Dezember auswärts gespielt und mussten schon am Nachmittag des 24. Dezember nach Portland fliegen.

Abendblatt: Haben Sie schon das Haus geschmückt und Geschenke gekauft?

Nowitzki: Einen Christbaum habe ich noch nicht im Haus, aber das kommt sicherlich noch. Meine Mutter wird kochen und wohl auch die meisten Geschenke besorgen. Ich bin kein großer Shopper und war schon seit Jahren nicht mehr in einem Einkaufszentrum. Das ist natürlich auch schwierig, seit ich überall erkannt werde. Daher werde ich einige Geschenke wohl im Internet kaufen.

Abendblatt: Wie wäre es denn mit einem Geschenk für die deutschen Basketballfans? Sehen wir Sie schon zur WM im kommenden Jahr im Dress der Nationalmannschaft wieder?

Nowitzki: Das muss man sehen. Eine Teilnahme bei der WM ist auf jeden Fall ein Anreiz für mich, genauso wie Olympia 2012. Mir hat es schon in den Fingern gejuckt, als ich das Europameisterschaftsspiel meiner Kollegen gegen Kroatien im Fernsehen gesehen habe, besonders am Ende des Spiels, als ein Spieler fehlte, der sagt ,Hier geht's lang, ich hau jetzt die Dinger rein'. Trotzdem war ich von der ganzen Mannschaft positiv überrascht. Auf der Leistung lässt sich aufbauen. Ob ich spielen werde, hängt aber vor allem davon ab, wie ich mich fühle und wie weit wir mit den Mavericks in den NBA-Play-offs kommen.

Abendblatt: Können Sie sich vorstellen, Ihre Karriere in Europa, vielleicht auch in Deutschland, zu beenden?

Nowitzki: Alba Berlin fragt mich jedes Jahr, aber für Entscheidungen ist es noch zu früh. Ich werde bis 2011 für die Mavericks spielen und will dann noch drei oder vier Jahre in der NBA spielen. Danach muss man weitersehen. Spielt der Körper noch mit? Macht es noch Spaß? Bevor Basketball für mich zum Job wird, höre ich auf. Wenn ich noch Freude daran habe, aber keine 82 Spiele pro Jahr mehr machen will, dann wäre Deutschland tatsächlich eine Option.

Abendblatt: Noch sind Sie aber in Dallas und wollen dieses Jahr endlich einen Titel gewinnen. Was fehlt der Mannschaft?

Nowitzki: Wir können oben mitspielen, wenn alle im Team gesund bleiben. Entscheidend für den Erfolg ist Flügelspieler Josh Howard, der lange verletzt war. In den Play-offs gegen San Antonio im vergangenen Jahr hat er gezeigt, wie wichtig er für uns ist.

Abendblatt: Wichtigster Spieler in Dallas bleiben aber Sie - trotz Ihres Alters von 31 Jahren. Sind Sie rein rechnerisch nicht langsam über Ihren Zenit hinaus?

Nowitzki: Im besten Basketball-Alter ist man zwischen 27 und 30. Da hat man die Erfahrung, die man mit 20 noch nicht haben kann, und ist körperlich topfit. Ich fühle mich aber heute körperlich nicht schlechter als vor zwei oder drei Jahren. Ich bewege mich gut und habe sogar ein paar Pfunde weniger. Außerdem habe ich in den vergangenen Monaten weiter an meiner Technik gefeilt.

Abendblatt: Sie haben 953 Spiele in der NBA absolviert, dazu noch 127 in der deutschen Nationalmannschaft und fühlen sich noch immer topfit?

Nowitzki: Ich bin keine 20 mehr. Aber ich tue auch viel für meinen Körper, mache zum Beispiel zweimal die Woche Yoga. Außerdem trainiere ich meine Bauch- und Rumpfmuskulatur mit Pilates-Übungen. Seitdem ich damit angefangen habe, sind auch meine Füße stabiler geworden und ich knicke nicht mehr so leicht um. Und letztlich brauche ich meine Alltagsroutine, um mich gut zu fühlen.

Abendblatt: Was meinen Sie damit?

Nowitzki: Meine Routine an Spieltagen. Die ist seit Jahren die gleiche. Nachdem wir morgens beim Training von 10 bis 11 Uhr die Systeme des Gegners analysieren, mache ich zusätzlich eine halbe Stunde lang Wurftraining. Dann fahre ich nach Hause, esse einen Happen und lege mich von 13.30 bis 15.30 Uhr hin. Um 16 Uhr esse ich meine Nudeln und gegen 17 Uhr geht es zurück in die Halle. Ich werfe dann wieder eine Weile auf den Korb, dehne mich und mache ein paar Kraftübungen, um Spannung auf die Muskeln zu bringen. Um 19.30 Uhr fängt dann das Spiel an.

Abendblatt: Diesen Sommer haben Sie zum ersten Mal seit vielen Jahren nicht für Nationalmannschaft gespielt. Wie wichtig war diese Auszeit?

Nowitzki: Ganz wichtig. Ich habe neun Wochen überhaupt keinen Basketball in der Hand gehabt und vier Monate lang kein Spiel gemacht. Noch vor ein paar Jahren hätte ich mir eine solche Auszeit gar nicht vorstellen können. Aber ich brauchte die Pause, gerade nach dem langen olympischen Sommer. In diesem Jahr habe ich mich zuerst nur mit Tennis fit gehalten und ein bisschen Konditionstraining gemacht, bevor ich im Juli in die Saisonvorbereitung mit meinem Freund Holger Geschwindner eingestiegen bin. Im Herbst habe ich mich nicht nur frischer gefühlt, sondern mich auch richtig auf Basketball gefreut.

Abendblatt: Auch abseits der Halle ist in diesem Jahr einiges passiert: Der ehemalige US-Präsident George W. Bush wohnt zum Beispiel jetzt bei Ihnen um die Ecke. Haben Sie ihn schon beim Bäcker getroffen?

Nowitzki (lacht): Zuerst habe ich gehört, dass Herr Bush sogar in meine Straße ziehen sollte. Wo er nun tatsächlich wohnt, kann ich nicht sagen, und gesehen habe ich ihn auch noch nicht.

Abendblatt: Interessieren Sie sich für Politik? Was halten Sie von Präsident Barack Obama?

Nowitzki: Ehrlich gesagt bekomme ich von der Politik nur wenig mit. Aber dafür hätte ich Herrn Obama vor Kurzem fast getroffen. Während der Saisonvorbereitung haben wir in Washington gespielt, und ein Mitglied unseres Sicherheitspersonals hat für die Mannschaft und Vereinsmitarbeiter eine Tour durchs Weiße Hause organisiert. Wir sind um 6 Uhr morgens aufgestanden, um 7 Uhr ging's los. Präsident Obama haben wir sozusagen nur aus der Ferne gesehen. Ausgerechnet an dem Tag hatte er nämlich erfahren, dass er den Friedensnobelpreis erhält. So musste er am Nachmittag eine Pressekonferenz geben und hatte keine Zeit, uns die Hand zu schütteln. Dafür konnten wir nach unserem Rundgang hinter dem Weißen Haus ein paar Körbe werfen. Dort hat Obama eigens ein Basketballfeld errichten lassen. Gar keine schlechte Idee, oder?