Die Erwartung der Nation ist schon vor der Auslosung wieder so hoch wie bei den letzten großen Turnieren. Deutschland soll 2010 auf den Thron.

Hamburg. 20 Jahre nach dem Triumph von Rom gibt das Fußball-Volk Joachim Löw die Aufgabe mit nach Südafrika, von der ersten Weltmeisterschaft auf dem afrikanischen Kontinent den vierten Titel für den DFB mit nach Hause zu bringen. Für den Chef dieser Mission ist es ein halbes Jahr vor dem Turnier-Start am 11. Juni 2010 zwar „noch zu früh, um über Titelchancen zu sprechen“. Doch Löw kennt natürlich die Ansprüche: „Die Deutschen spielen bei einer WM immer eine gute Rolle.“ Eine Nation wie Deutschland sei immer ein Mitfavorit, erklärte der Bundestrainer – und das unabhängig von der Konkurrenz.

Die Tragödie und die Trauer um den Tod von Torhüter Robert Enke hatte auch Löw zuletzt innehalten lassen. Das jüngste 2:2 im letzten Länderspiel des Jahres gegen den WM-Teilnehmer Elfenbeinküste war der erste Schritt zurück in den Alltag, der für den Bundestrainer in den nächsten Wochen trotz der souveränen WM-Qualifikation noch viel Arbeit bereit hält. „Ich sage immer, dass sich eine Mannschaft im Laufe des Turnier-Jahres einspielen kann. Bis dahin sind es noch viele Monate“, äußerte der 49-Jährige, der sportlich jedoch mit einem „guten Gefühl“ die letzte Etappe Richtung Südafrika angeht.

Trotz einiger Durststrecken vor allem in Freundschaftsspielen habe sich das Team in den letzten fünf Jahren „in der Spitze etabliert“, sagte Löw. Talente wie Mesut Özil erweitern die Möglichkeiten des Trainers. Die schwierige Zeit nach Enkes Tod hat die „Familie“ Nationalmannschaft zudem noch enger zusammengebracht. „Die Mannschaft hat im zwischenmenschlichen Bereich viel Stärke bewiesen, viel Ansehen gewonnen“, bemerkte der Bundestrainer vor seiner Reise nach Kapstadt. Dort wird Löw am 4. Dezember zumindest äußerlich gelassen verfolgen, wie die drei Vorrunden-Gegner des DFB-Teams ausgelost werden. „Ich habe keine Wunschgegner“, betonte der Bundestrainer.

Der dreimalige Weltmeister Deutschland wird einer der acht Gruppenköpfe sein und muss damit nicht schon in den Gruppenspielen Kracher-Gegner wie Rekord-Weltmeister Brasilien, Titelverteidiger Italien oder Europameister Spanien fürchten. „Die Klassiker wünscht man sich erst gegen Ende des Turniers“, meinte Teammanager Oliver Bierhoff, der ebenfalls persönlich nach Kapstadt fliegt. „Bei der WM- Auslosung kann man entspannter sein als bei der für die Europameisterschaft. Es ist in einer WM-Vorrunde etwas lockerer möglich, sich für die K.o.-Runde zu qualifizieren“, erklärte Bierhoff. Mit 32 Mannschaften ist das Teilnehmerfeld doppelt so groß wie bei einer EM – es gibt leichtere Gegner wie Neuseeland, Honduras oder Nordkorea.

Als Kopf der Vorrunden-Gruppe G würde die deutsche Elf womöglich erst am 15. Juni ins Turnier starten. Damit müsste der DFB-Tross erst einen Tag vor dem WM-Eröffnungsspiel sein Quartier im Hotel Velmoré nahe Pretoria beziehen. Vom Spielplan macht die sportliche Leitung auch den Ablauf der Turnier-Vorbereitung inklusive der Testspielgegner abhängig. Geplant sind nach der Bundesliga-Saison zunächst ein paar Regenerationstage der Nationalspieler gemeinsam mit ihren Familien in Sardinien. Dem soll sich ein Trainingslager anschließen, offenbar am Wörthersee in Österreich. Bis zur Kader- Nominierung im Mai hat Löw nur einen einzigen Test gegen den zweimaligen Weltmeister Argentinien am 3. März in München.

Nach dem bisher letzen Titel-Triumph 1990 in Italien unter „Kaiser“ Franz Beckenbauer war die DFB-Elf 1994 in den USA und 1998 in Frankreich jeweils mit Bundestrainer Berti Vogts schon im WM- Viertelfinale gescheitert. 2002 in Japan und Südkorea führte Teamchef Rudi Völler die Mannschaft vor allem dank eines überragenden Oliver Kahn und eines effizienten Michael Ballack bis ins Finale. Dort gewann Brasilien mit 2:0. Beim „Sommermärchen“ 2006 unter Jürgen Klinsmann wurde der Traum vom vierten Titel von Italien im Halbfinale beendet. Es blieben Platz 3 und die Erinnerung an ein mitreißendes Heim-Turnier, das für den damaligen Assistenten und jetzigen Cheftrainer Löw auch Maßstab für Südafrika 2010 ist.