Das Renault-Team zittert. Morgen gibt es eine Anhörung der FIA zu dem absichtlichen Unfall beim Rennen in Singapur.

Paris. Rekordstrafe oder Gnadenakt: Vor dem Urteil im Unfallskandal hält die Formel 1 den Atem an. Auf der Anklagebank sitzt am Montag das geständige Renault-Team, das auch nach dem Rückzug des vermutlichen Strippenziehers Flavio Briatore drastische Strafen bis hin zum Ausschluss fürchten muss. Der Motorsport-Weltrat des Internationalen Automobilverbands FIA will nach einer Anhörung in Paris über das Strafmaß in der schmutzigen Affäre um den fingierten Crash des damaligen Renault-Piloten Nelson Piquet Jr. entscheiden, der Teamgefährte Fernando Alonso 2008 in Singapur erst den Sieg beim ersten Nachtrennen der Formel 1-Geschichte ermöglicht hatte.

Der Ausgang der Verhandlung, bei der sich Renault nicht gegen die schweren Anschuldigungen verteidigen wird, ist völlig ungewiss. Denkbar wäre, dass die FIA Milde walten lässt, um einen drohenden Formel-1-Ausstieg des französischen Autobauers zu verhindern. Möglich ist aber auch, dass der Dachverband mit voller Härte durchgreift, um den wachsenden Zweifeln an der Glaubwürdigkeit der Königsklasse zu begegnen. „Unglaublich, welch ein Schaden der Formel 1 da zugefügt wurde“, schimpfte der dreimalige Weltmeister Niki Lauda und forderte gnadenlose Sanktionen.

Der Sportparagraf 151c des FIA-Regelwerks, der die Grundlage für die Anklage bildet, ist dehnbar. Vor zwei Jahren hatten die Verbandsrichter McLaren-Mercedes in der Spionage-Affäre um gestohlenes Ferrari-Datenmaterial zur Rekord-Geldstrafe von 100 Millionen Dollar verurteilt. Zudem war das Team nachträglich aus der Konstrukteurswertung für 2007 gestrichen worden. Einem Bann für das folgende Jahr aber entkam der Rennstall. „Wenn im Fall von Renault Leben in Gefahr waren, ist das schlimmer“, sagte FIA-Präsident Max Mosley, der die Verhandlung in Paris leiten wird.

Sogar in der an Skandalen keineswegs armen Formel 1 markiert „Crashgate“ einen spektakulären Tiefpunkt. Die filmreife Affäre trägt alle Züge eines Kriminalstücks. Der bis dahin zumeist erfolglose Piquet Jr. sollte auf dem Stadtkurs von Singapur auf Druck von Teamchef Briatore und Chefingenieur Pat Symonds einen Unfall verursachen, um eine Safety-Car-Phase zu erzwingen. So konnte Alonso, der von dem Plan nichts gewusst haben soll, nach einem ungewöhnlich frühen Tankstopp an allen Konkurrenten vorbei zum ersten Saisonsieg fahren.

Schon kurz nach dem Rennen sorgten die seltsamen Umstände des Unfalls im Fahrerlager für erste Betrugsvermutungen. Doch erst nach seiner Entlassung bei Renault im Juli brach Piquet sein Schweigen und stellte sich der FIA als Kronzeuge zur Verfügung. Briatore wies die Vorwürfe empört zurück, Symonds verweigerte die Aussage. Doch als Anfang September Vernehmungsprotokolle, belastende Telemetriedaten und der Funkverkehr durchsickerten, wurde der Druck für Renault zu groß. Briatore und Symonds mussten gehen, der Rennstall bestritt seine Schuld nicht mehr.

Ex-Champion Jackie Stewart vermutet in der Renault-Affäre den Beleg für ein viel größeres Problem. „Da ist etwas grundsätzlich faul und falsch im Herzen der Formel 1“, befand der Brite. Nur radikale Reformen in den Führungsgremien könnten ähnliche Skandale in Zukunft verhindern. Formel-1-Chef Bernie Ecclestone hingegen erwartet langfristig keine negativen Konsequenzen. „Die Formel 1 hat den Tod von Ayrton Senna und den Rücktritt von Michael Schumacher überstanden. Sie erholt sich auch davon wieder.“

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