Megaduell droht an zu hohen Gagen-Forderungen und Ansprüchen der TV-Sender zu scheitern.

Oberhausen. Felix Sturm gehört gemeinhin nicht zu den Menschen, denen man große rethorische Fähigkeiten attestieren kann. Weil er dazu neigt, manchmal schneller zu sprechen, als seine Fäuste schlagen können, und weil er dazu noch einen deutlichen rheinischen Dialekt aufweist, schalten manche Zuhörer schon ab, bevor Sturm überhaupt das Wort ergriffen hat. Dass ausgerechnet dieser Felix Sturm am Ende einer denkwürdigen Boxnacht in Oberhausen für seine Aussagen Beifall seines Rivalen Sebastian Sylvester erntete, rundete einen Abend ab, an dem sich Sturm so deutlich wie niemals zuvor als Sieger fühlen durfte.

"Im Vordergrund steht immer der Sport. Wichtig ist, dass wir einen Kampf gezeigt haben, der ein Niveau hatte, das man selten sieht auf der Welt. Der Ring ist der beste Platz, um Auseinandersetzungen fair zu klären. Wir haben beide dazu beigetragen, dass es ein Superkampf war, und wir haben uns wie faire Sportsleute verhalten", hatte der 29 Jahre alte Leverkusener aus dem Hamburger Universum-Stall monologisiert, und Sylvester, dessen Trainer Hartmut Schröder und Manager Winne Spiering damit zu spontanem Applaus gerührt. Vergessen waren die verbalen Scharmützel, die dem ersten deutsch-deutschen WM-Duell seit April 2000 vorangegangen waren. Vergessen war, dass Sylvesters Lager Sturm, Sohn bosnischer Einwanderer, beharrlich bei seinem Geburtsnamen Adnan Catic genannt hatte. Vergessen waren die Demütigungen des WBA-Weltmeisters im Mittelgewicht, der seinem Pflichtherausforderer mehrfach den Handschlag und ein gemeinsames Foto verweigert hatte. Nur eine Botschaft ging in dieser Nacht aus Oberhausen in die Welt: Der deutsche Boxsport lebt, und er muss sich in puncto Klasse und Rasanz hinter keinem Land der Welt verstecken.

Dass der mit atemberaubendem Tempo geführte Kampf keinerlei Ansatz zu kontroversen Diskussionen lieferte, war der Überlegenheit geschuldet, mit der der 29 Jahre alte Sturm seinen ein Jahr jüngeren Gegner durch den Ring getrieben hatte. 118:110, 118:110 und 119:109 - so lauteten die klaren wie berechtigten Urteile der Punktrichter.

"Ich bin überhaupt nicht in den Kampf gekommen", wunderte sich der im Gesicht schwer gezeichnete Sylvester später, "er hat mir keine Gelegenheit zum Angriff gegeben und hat verdient gewonnen." Sturms Trainer Michael Timm lobte die Weiterentwicklung seines Schützlings, der trotz des hohen Vorsprungs bis zuletzt versuchte, den Knockout zu schaffen. "Ein großer Champion muss bis zum letzten Gong ein Spektakel bieten. Das habe ich versucht", sagte Sturm, der so bewies, aus früheren Kämpfen gelernt zu haben. Und der nebenbei auch die Meteorologen in Erklärungsnot versetzte, denn dass ein Sturm heftiger wirbelt als ein Hurrikane - so Sylvesters Kampfname -, ist ein neues Phänomen. Vielleicht lag es aber auch an dem Orkan, den Sturms Anhänger unter den 9200 Fans entfacht hatten. Zwar führten sie mit ihren "Bosna, Bosna"-Rufen das mit viel Ballyhoo angekündigte deutsch-deutsche Duell ad absurdum, doch da Sturm seine Herkunft nie verleugnet hat, kann er als Muster gelten für das neue Deutschland, weil er beispielhaft integrativ wirkt.

Die grandiose Atmosphäre in der Arena veranlasste Klaus-Peter Kohl zu der Aussage, das nächste deutsch-deutsche Duell "nicht erst in acht Jahren" austragen zu wollen. Welchen Kampf die Boxfans jetzt sehen wollen, ist dem Universum-Chef natürlich klar: Sturm, das wäre die logische Fortsetzung, soll gegen IBF-Weltmeister Arthur Abraham aus dem Berliner Sauerland-Stall antreten. "Ich bin bereit für den Kampf, Arthur auch. Aber das sagen wir schon lange", sagt Sturm. Das Problem: Die Finanzierung des Megafights ist in Deutschland ohne Pay-TV problematisch, da jeder Boxer mindestens 2,5 Millionen Euro verdienen will. "Das ist ein Kampf, wie es ihn nur selten gibt, und deshalb will jeder auch eine Summe verdienen, die es selten gibt", sagt Sturm. Außerdem pochen sowohl Sauerlands TV-Partner ARD als auch Universum-Sender ZDF auf die Erstrechte an dem Duell. Es wird rhetorischer Künste bedürfen, damit Sturm und Abraham gegeneinander die Fäuste sprechen lassen. Doch weil jeder auf die Antwort wartet, sollten diese Gespräche bald geführt werden.