Schwarzers Rückkehr zahlt sich aus - Hens trifft neunmal.

Halle (Westfalen). Halle (Westfalen)

Am Ende musste Heiner Brand doch den Kopf schütteln. Auf dem Podium wenige Meter neben Bundestrainer saß sein slowenischer Kollege Kasim Kamenica und erklärte seine Version von dem, was sich gerade nebenan im Haller Gerry-Weber-Stadion zugetragen hatte. Seine Mannschaft, schimpfte Kamenica, habe im ersten WM-Hauptrundenspiel von vornherein keine Chance gehabt: "Dieses Spiel war irregulär. Denken Sie nur an die vielen Tore, die die deutschen Spieler nach vier Schritten geworfen hatten! Oder gibt es im Handball neue Regeln?"

"Peinlich" und "unglaublich" seien die Anwürfe, sagte Brand mit sichtlicher Verärgerung. Dazu hatte es an diesem Abend eigentlich nicht den geringsten Grund gegeben. Denn Brands Mannschaft hatte "ein Spiel hingelegt, wie man es sich als Trainer nur wünschen kann". Sie hatte 60 Minuten lang all das gezeigt, was Handball zu einer mitunter faszinierenden Sportart macht: Leidenschaft und Engagement, Dynamik und Spielfreude. Sie hatte 11 000 Zuschauer begeistert. Und sie hatte durch den 35:29-(17:14)-Sieg über den EM-Zweiten von 2004 den Traum wiederbelebt, der nach der Vorrundenniederlage gegen Polen zwei Tage zuvor fast schon beerdigt war: im eigenen Land Weltmeister zu werden.

Den Glauben zurückzubringen bedurfte es wohl erst der Rückkehr Christian Schwarzers. Mehr als zwei Jahre hatte der Lemgoer Kreisläufer nicht der Nationalmannschaft angehört. In seinem zweiten Spiel nach der langen Pause schien der 37-Jährige alles Versäumte auf einmal nachholen zu wollen: Schwarzer warf sich in die Zweikämpfe und schwor die Mannschaft ein, er riss Löcher in die slowenische Deckung und hielt die eigene mit seiner zupackenden Art zusammen. Und er nutzte all seine vier Chancen.

Zu brav sei die Mannschaft, hatte Brand nach dem Polenspiel bemängelt. "Heute haben die Slowenen gemerkt, dass es in unserer Abwehr zur Sache geht und man besser nicht zu nahe kommt", so Schwarzer süffisant. "Allein Blackys Anwesenheit macht viel aus", fand Torhüter Henning Fritz, der zwar nicht viele, aber acht wichtige Würfe der Slowenen hielt. Da fiel nicht weiter auf, dass der eigentliche Abwehrchef Oliver Roggisch bereits nach 20 Minuten draußen blieb, um nicht Gefahr zu laufen, sich eine dritte Zeitstrafe einzuhandeln. "Christian Schwarzer ist ein wichtiger Bestandteil der Mannschaft", sagte Pascal Hens, "dass er da ist, gibt uns Sicherheit."

Eben daran hatte es auch Hens in der Vorrunde gemangelt. Gestern aber warf sich der HSV-Rückraumspieler alle Last von der Seele. 14-mal stieg er nach Art des Hauses hoch, neun seiner Würfe fanden ins slowenische Tor. Eine Ausbeute, die in Fachkreisen als Weltklasse gilt und für die Hens zu Recht zum "Mann des Spiels" gekürt wurde.

"Wir hatten im Rückraum viel mehr Platz, dadurch bin ich super ins Spiel gekommen", erzählte Hens später. Die Slowenen nahmen den 26-Jährigen Mitte der zweiten Halbzeit in Manndeckung, aber da war es bereits zu spät und die anderen Rückraumschützen ersatzweise zur Stelle. Geduld im Abschluss hatte Brand zuvor angemahnt. Diesmal wurden die Angriffe klug ausgespielt.

"Wir haben gezeigt, wozu wir in der Lage sind", sagte Holger Glandorf. "Wir träumen weiter vom Finale. Dieses Spiel war ein wichtiger Schritt dorthin." Die nächsten müssen folgen. Von Halle (Westfalen) zieht man um in die Westfalenhalle: In der Dortmunder Arena sind heute Tunesien (16.30 Uhr/ZDF), am Sonnabend Frankreich (16.30 Uhr/ARD), am Sonntag Island (15.30 Uhr/ZDF) die Gegner. Zum Feiern bleibt keine Zeit. "Aber jetzt geht alles lockerer von der Hand", meinte Torhüter Johannes Bitter, der selbst bei zwei Siebenmetern zur Stelle war.

Die Handballwelt, erinnerte sich Schwarzer, habe die Deutschen schon einmal abgeschrieben: Bei der EM 2004 war man mit 1:3 Punkten in die Hauptrunde gestartet. "Am Ende hatten wir so ein goldenes Ding um den Hals baumeln."

Deutschland: Fritz (Kiel), Bitter (Magdeburg) - Hens (Hamburg) 9, Kehrmann (Lemgo) 8, Jansen (Hamburg) 5/3, Glandorf (Nordhorn) 4, Schwarzer (Lemgo) 4, Baur (Lemgo) 2, Preiß (Lemgo) 2, Zeitz (Kiel) 1, Roggisch (Magdeburg), Kaufmann (Wetzlar). - Schiedsrichter: Olesen/Pedersen (Dänemark). - Zeitstrafen: 7:3. - Siebenmeter: 4/3:10/5.