Schwimm-EM: Sandra Völker braucht ihr gewohntes Umfeld, um Höchstleistungen zu bringen.

Berlin. Ralf Beckmann zählt beim Medaillensammeln fest auf Sandra Völker. Einen Tag vor dem Beginn der Bahn-Wettbewerbe bei den Schwimm-Europameisterschaften in Berlin gönnte sich der Cheftrainer des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV) jedoch eine kleine Einschränkung: "Sandra, eine unserer erfolgreichsten Athletinnen aller Zeiten, hat in den vergangenen Jahren bei den Saisonhöhepunkten nicht immer ihre besten Leistungen erbracht. Wenn sie aber das umsetzt, was sie zuletzt im Training zeigte, wird sie bei der EM nur schwer zu besiegen sein." Davon geht die 28-jährige Hamburgerin aus. Denn zu der guten Form kommt ein Faktor, den sie sowohl bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney als auch bei der WM 2001 im japanischen Fukuoka vermisste: "Ich fühle mich sauwohl", sagt sie. Und das hat einen simplen Grund. Im Gegensatz zu den Titelkämpfen am anderen Ende der Welt muss sie in Berlin nicht auf ihr gewohntes Umfeld verzichten. Ehemann Axel Bolek begleitet sie, mit Trainer Dirk Lange und der Sportwissenschaftlerin Petra Wolfgram stehen diesmal zudem zwei Vertraute ständig am Beckenrand. Das gibt ihr zusätzliche Sicherheit, die ihr woanders manchmal fehlte. Spitzensportler, besonders Sprinter, seien hochsensibel, da müsse eben alles stimmen, um auf Abruf Höchstleistungen bringen zu können, sagt Völker und weist mit Vehemenz den Verdacht zurück, sie könne mit Erwartungsdruck nicht umgehen. "Mir Kopfprobleme zu unterstellen ist grotesk. Gerade mental fühle ich mich sehr stark. Und Angst vor den Gegnerinnen habe ich schon gar nicht. Ich freue mich auf die Wettkämpfe." Nicht psychisch, sondern physisch sei sie bei Olympia und der WM nicht fit gewesen. Die Zeitumstellungen hätten sie extrem, mehr als andere, belastet. Infektionen kamen hinzu. "Als ich im vergangenen Jahr aus Fukuoka zurückkehrte, brach die Krankheit sofort aus." Unter diesen Umständen seien ihre WM-Resultate respektabel gewesen: Bronze über 50 und 100 Meter Freistil und Gold mit der Staffel. Nur Platz vier über ihre Weltrekordstrecke 50 Meter Rücken wurmte sie. Im Wasser war sie die Schnellste, am Start, sonst ihre Stärke, hatte sie aber eine halbe Sekunde verschenkt. Die Lehren daraus haben Völker und Lange gezogen. Sie reduzierte ihr Wettkampfprogramm, "weil ich mit den vielen Rennen nicht so gut zurechtkomme, wie ich es mir wünsche". In Berlin wird sie nur über 50 und 100 Meter Rücken antreten, die 50 Meter Freistil fielen dem zu engen Zeitplan am Sonntag zum Opfer. Und selbst ihre Teilnahme in der goldträchtigen Freistilstaffel riskiert sie für ein bisschen Erholung. Sie passt beim Vorlauf heute Morgen. Dort sollte eigentlich der letzte Platz im deutschen Quartett vergeben werden. Jetzt muss sie hoffen, so ist die neue Verabredung, dass niemand schneller krault als sie bei den deutschen Meisterschaften Mitte Mai in Warendorf (52,17 Sekunden); was allerdings nicht zu erwarten ist. Ansonsten dürfte sie am späten Nachmittag beim Endlauf und der Siegerehrung nur zuschauen. "Die Einzelwettbewerbe haben für mich absolute Priorität", sagt sie - die Sprecherin des deutschen Teams. Einen Widerspruch sieht sie daran nicht. "Schwimmen ist ein Individualsport, und jeder im Team verfolgt nun mal seine persönlichen Interessen." Sie setze sich vor allem dafür ein, die Rahmenbedingungen zu verbessern. Seit Beckmann jedoch das Kommando habe, seien diese professioneller geworden. "Er lässt uns bei aller geforderten Disziplin auch die nötigen Freiräume." Sandra Völker will ihm dafür in Berlin mit Siegen danken.