Erfolgsfaktoren: Im Team kann sich jeder auf jeden verlassen und der Trainer ist ein Motivationskünstler.

Hamburg. Die Szene hatte Symbolcharakter. Zehn Minuten waren im Bundesliga-Spitzenspiel des Tabellenführers HSV Hamburg gegen Flensburg (Endstand 28:22) noch zu spielen, da sorgte Sebastian Opderbeck mit einem "Rückraum-Hammer" zum 23:18 für die Vorentscheidung. Die Freude über das Tor genoß das gesamte Team gemeinsam. Alle sechs Feldspieler und Torhüter Goran Stojanovic kamen am eigenen Kreis zusammen und klatschten sich ab, dazu wanderten die Blicke der Akteure auch in Richtung Ersatzbank, wo der Rest des Teams samt Trainer feierte.

Jedem Beobachter wurde in diesem Moment klar, daß dort eine Mannschaft auf dem Parkett steht, die diese Bezeichnung verdient. Flensburgs Trainer Kent-Harry Andersson rückte diesen Aspekt in den Mittelpunkt seiner Spielanalyse: "Man hat deutlich gesehen, daß der Teambildungs-Prozeß beim HSV weiter fortgeschritten ist als bei uns."

Wohl wahr: Beim HSV kämpft jeder für den anderen, die Spieler haben angesichts der ständigen Negativ-Meldungen aus dem Umfeld verstanden, daß sie nur gemeinsam erfolgreich sein können. "Der entscheidende Faktor für unseren Erfolg ist, daß wir ein Team geworden sind, in dem sich jeder auf jeden verlassen kann", sagt Trainer Bob Hanning. Der 36jährige wurde am Mittwoch abend in der Color-Line-Arena von den Fans als der Vater des Erfolgs gefeiert.

Zurecht, denn Hanning spielt eine zentrale Rolle. Der Trainer gilt als Motivationskünstler, der ohne Rücksicht auf eigene Verluste auf junge Spieler setzt. Dieses Vertrauen bekommt er derzeit von seinen Nachwuchstalenten zurückgezahlt. "Die Jungs wissen, daß sie Fehler machen dürfen. Das macht sie stark", glaubt auch Torhüter Goran Stojanovic, mit 38 einer der "Oldies" im Team. "Wir alten Spieler sagen: ,Wir helfen den Jungen, damit sie uns helfen.'"

Neben dem Selbstvertrauen, das durch den Erfolg von Tag zu Tag wächst, ist aber auch die Zusammensetzung des Kaders ausschlaggebend. Die Mischung stimmt, das Team ist eingespielt, wurde im Vergleich zur vergangenen Serie nur auf zwei Positionen durch die Nachwuchstalente Matthias Rauh und Matthias Flohr verändert. Hanning machte sich in Einzelgesprächen mit den Neuzugängen vertraut, bevor er sie holte. "Die Jungs passen ins Team, haben einen sauberen Charakter. Die würden auch bei mir im Gästezimmer schlafen, um Bundesliga zu spielen", sagt der Coach. Eine Einstellung, die nicht jeder Profisportler verinnerlicht hat.

Daß zudem die Stars im Team uneitel ihre Aufgaben erfüllen und die Talente anleiten, und Kapitän Thomas Knorr endlich uneingeschränkt seiner Vorbildfunktion nachkommt, tut sein übriges zur HSV-Erfolgsmischung.

Eins ist jedoch auch Hanning klar: Die wahre Stärke eines Teams zeigt sich erst im Mißerfolg. "Bei dieser Mannschaft habe ich davor jedoch keine Sorge. Sie hat den Intellekt, aus Krisen gestärkt hervorzugehen." Die Probe aufs Exempel möchte er jedoch noch lange hinauszögern.