Freispruch für die „Diffusor-Gang“, teure Ohrfeige für die Formel-1-Rivalen: Die Berufungsrichter des Automobil-Weltverbands FIA haben den Protest von vier Rennställen gegen den umstrittenen Doppel-Diffusor abgeschmettert und damit ein neues Aerodynamik-Wettrüsten eröffnet. Bilder von den Gridgirls der Formel 1. Formel 1: Die Fahrer 2009.

Paris/Shanghai. Die FIA-Juristen erklärten am Mittwoch in Paris das Unterboden-Modell an den Autos von Brawn GP, Williams und Toyota für regelkonform. Die drei Teams dürfen ihre Punkte aus den ersten beiden Rennen damit behalten. Der vehemente Protest von Ferrari, BMW-Sauber, Renault und Red Bull gegen die Konkurrenten scheiterte auf ganzer Linie. "Gleichzeitig führt diese Entscheidung dazu, dass nun sieben Teams große Investitionen tätigen müssen, um ihre Autos entsprechend umzubauen", warnte BMW- Motorsportdirektor Mario Theissen.

Nach dem Richterspruch von Paris geht der bisherige Saison- Überflieger Brawn GP auch beim Großen Preis von China am Sonntag (09.00 Uhr MESZ/RTL und Premiere) als Favorit ins Rennen. Nicht zuletzt dank Doppel-Diffusor, der die Autos um rund 0,5 Sekunden schneller machen soll, hatte Brawn-Pilot Jenson Button den Auftakt- Grand Prix in Australien und das Abbruchrennen in Malaysia gewonnen und führt die Weltmeisterschaft mit 15 Zählern klar an. "Wir sind froh über die Entscheidung. Damit ist die Sache abgeschlossen", erklärte Teamchef Ross Brawn, der mit dem Honda-Nachfolge-Rennstall auch in der Konstrukteurswertung vorn liegt.

Auch Williams-Fahrer Nico Rosberg (Wiesbaden) und Toyota-Pilot Timo Glock (Wersau) profitieren von dem Urteil und dürfen in Shanghai wegen der überlegenen Aerodynamik ihrer Rennwagen wieder auf vordere Platzierungen hoffen. "Der Vorteil, den sich die drei Teams seit ihrer Reglements-Interpretation gesichert haben, ist auf keinen Fall kurzfristig wettzumachen. Was die einen in neun Monaten erreichten, können die anderen nicht in neun Wochen schaffen", meinte Mercedes- Motorsportchef Norbert Haug.

"Wir hatten nie einen Zweifel, dass unser Auto den Regeln entspricht", sagte Toyota-Teamchef Tadashi Yamashina. "Dies war eine schwierige Zeit für die Formel 1, und ich bin froh, dass dieses Thema jetzt Vergangenheit ist und wir uns auf eine spannende Saison auf der Rennstrecke konzentrieren können", fügte Yamashina hinzu.

Vor dem Saisonstart in Australien war der Zoff um den Unterboden der von britischen Medien als "Diffusor-Gang" betitelten Teams eskaliert. Die Renn-Kommissare in Melbourne und Malaysia lehnten den Einspruch der Rivalen ab. Nach einer achtstündigen Verhandlung, in der beide Parteien teils hitzig ihre Argumente austauschten, kamen die fünf FIA-Richter zum gleichen Schluss. Ferrari-Anwalt Nigel Tozzi hatte zuvor vor allem Ross Brawn angegriffen und dem Briten "außerordentliche Arroganz" vorgeworfen. Der frühere Technische Direktor von Ferrari hatte erklärt, die Konkurrenz habe die Doppel- Diffusor-Lösung schlichtweg verschlafen.

Für den Rest des Feldes hat spätestens mit dem Pariser Urteil ein Wettlauf mit der Zeit begonnen. Längst haben sich die Teams ohne Doppel-Diffusor Gedanken über eine eigene Lösung gemacht. Nun ist das Rennen um die schnellste und beste Kopie endgültig eröffnet. "Diese Entscheidung zwingt uns dazu, in grundlegende Bereiche des Designs des Autos einzugreifen, um mit einigen anderen Teams mithalten zu können. Das wird Zeit und Geld kosten", befand Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali. Die Scuderia, die in den ersten zwei Rennen ohne Punkte blieb und damit den schlechtesten Start seit 17 Jahren hinlegte, werde ihre "Bemühungen verdoppeln".

BMW-Manager Theissen wertete den Richterspruch zugleich als Abkehr von wichtigen Zielen des Regelwerks, das für diese Saison umfassend reformiert worden war. Mit der Freigabe für Doppel-Diffusoren werde die "beabsichtigte Reduzierung von Abtrieb und Kurvengeschwindigkeit" nicht erreicht. Haug richtete indes den Blick nach dem verpatzten Saisonstart mit McLaren-Mercedes nach vorn: "Unser Sportsgeist sagt uns jetzt: So ist es nun mal. Augen auf und durch, wir nehmen die Herausforderung an, auch wenn dazu einige Zeit eingeplant werden muss."